Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 133

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 eine andere zu beobachten, ja daß diese Nöthigung es eigentlich sei, was      
  02 die Vorstellung einer Succession im Object allererst möglich macht.      
           
  03 Wir haben Vorstellungen in uns, deren wir uns auch bewußt werden      
  04 können. Dieses Bewußtsein aber mag so weit erstreckt und so genau oder      
  05 pünktlich sein, als man wolle, so bleiben es doch nur immer Vorstellungen,      
  06 d. i. innre Bestimmungen unsres Gemüths in diesem oder jenem Zeitverhältnisse.      
  07 Wie kommen wir nun dazu, daß wir diesen Vorstellungen      
  08 ein Object setzen, oder über ihre subjective Realität als Modificationen      
  09 ihnen noch, ich weiß nicht, was für eine, objective beilegen? Objective      
  10 Bedeutung kann nicht in der Beziehung auf eine andre Vorstellung (von      
  11 dem, was man vom Gegenstande nennen wollte) bestehen, denn sonst erneuret      
  12 sich die Frage: wie geht diese Vorstellung wiederum aus sich selbst      
  13 heraus und bekommt objective Bedeutung noch über die subjective, welche      
  14 ihr als Bestimmung des Gemüthszustandes eigen ist? Wenn wir untersuchen,      
  15 was denn die Beziehung auf einen Gegenstand unseren Vorstellungen      
  16 für eine neue Beschaffenheit gebe, und welches die Dignität sei,      
  17 die sie dadurch erhalten, so finden wir, daß sie nichts weiter thue, als die      
  18 Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art nothwendig zu machen      
  19 und sie einer Regel zu unterwerfen; daß umgekehrt nur dadurch, daß eine      
  20 gewisse Ordnung in dem Zeitverhältnisse unserer Vorstellungen nothwendig      
  21 ist, ihnen objective Bedeutung ertheilt wird.      
           
  22 In der Synthesis der Erscheinungen folgt das Mannigfaltige der      
  23 Vorstellungen jederzeit nach einander. Hierdurch wird nun gar kein Object      
  24 vorgestellt, weil durch diese Folge, die allen Apprehensionen gemein      
  25 ist, nichts vom andern unterschieden wird. So bald ich aber wahrnehme      
  26 oder voraus annehme, daß in dieser Folge eine Beziehung auf den vorhergehenden      
  27 Zustand sei, aus welchem die Vorstellung nach einer Regel      
  28 folgt: so stellt sich Etwas vor als Begebenheit, oder was da geschieht, d. i.      
  29 ich erkenne einen Gegenstand, den ich in der Zeit auf eine gewisse bestimmte      
  30 Stelle setzen muß, die ihm nach dem vorhergehenden Zustande nicht      
  31 anders ertheilt werden kann. Wenn ich also wahrnehme, daß etwas geschieht,      
  32 so ist in dieser Vorstellung erstlich enthalten, daß etwas vorhergehe,      
  33 weil eben in Beziehung auf dieses die Erscheinung ihr Zeitverhältniß      
  34 bekommt, nämlich nach einer vorhergehenden Zeit, in der sie nicht      
  35 war, zu existiren. Aber ihre bestimmte Zeitstelle in diesem Verhältnisse      
  36 kann sie nur dadurch bekommen, daß im vorhergehenden Zustande etwas      
  37 vorausgesetzt wird, worauf es jederzeit, d. i. nach einer Regel, folgt;      
           
     

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