Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 102 |
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| 01 | Ohne uns nun bei einer trockenen und langweiligen Zergliederung | ||||||
| 02 | dessen, was zu transscendentalen Schematen reiner Verstandesbegriffe | ||||||
| 03 | überhaupt erfordert wird, aufzuhalten, wollen wir sie lieber nach der Ordnung | ||||||
| 04 | der Kategorien und in Verknüpfung mit diesen darstellen. | ||||||
| 05 | Das reine Bild aller Größen ( quantorum ) vor dem äußern Sinne | ||||||
| 06 | ist der Raum, aller Gegenstände der Sinne aber überhaupt die Zeit. Das | ||||||
| 07 | reine Schema der Größe aber ( quantitatis ) als eines Begriffs des Verstandes | ||||||
| 08 | ist die Zahl, welche eine Vorstellung ist, die die successive Addition | ||||||
| 09 | von Einem zu Einem (Gleichartigen) zusammenbefaßt. Also ist | ||||||
| 10 | die Zahl nichts anders, als die Einheit der Synthesis des Mannigfaltigen | ||||||
| 11 | einer gleichartigen Anschauung überhaupt, dadurch daß ich die Zeit selbst | ||||||
| 12 | in der Apprehension der Anschauung erzeuge. | ||||||
| 13 | Realität ist im reinen Verstandesbegriffe das, was einer Empfindung | ||||||
| 14 | überhaupt correspondirt, dasjenige also, dessen Begriff an sich selbst ein | ||||||
| 15 | Sein (in der Zeit) anzeigt; Negation, dessen Begriff ein Nichtsein (in der | ||||||
| 16 | Zeit) vorstellt. Die Entgegensetzung beider geschieht also in dem Unterschiede | ||||||
| 17 | derselben Zeit, als einer erfüllten oder leeren Zeit. Da die Zeit | ||||||
| 18 | nur die Form der Anschauung, mithin der Gegenstände als Erscheinungen | ||||||
| 19 | ist, so ist das, was an diesen der Empfindung entspricht, die transscendentale | ||||||
| 20 | Materie aller Gegenstände als Dinge an sich (die Sachheit, Realität). | ||||||
| 21 | Nun hat jede Empfindung einen Grad oder Größe, wodurch sie | ||||||
| 22 | dieselbe Zeit, d. i. den innren Sinn, in Ansehung derselben Vorstellung | ||||||
| 23 | eines Gegenstandes mehr oder weniger erfüllen kann, bis sie in Nichts | ||||||
| 24 | (= 0 = negatio ) aufhört. Daher ist ein Verhältniß und Zusammenhang, | ||||||
| 25 | oder vielmehr ein Übergang von Realität zur Negation, welcher jede Realität | ||||||
| 26 | als ein Quantum vorstellig macht; und das Schema einer Realität | ||||||
| 27 | als der Quantität von Etwas, so fern es die Zeit erfüllt, ist eben diese | ||||||
| 28 | continuirliche und gleichförmige Erzeugung derselben in der Zeit, indem | ||||||
| 29 | man von der Empfindung, die einen gewissen Grad hat, in der Zeit bis | ||||||
| 30 | zum Verschwinden derselben hinabgeht, oder von der Negation zu der | ||||||
| 31 | Größe derselben allmählig aufsteigt. | ||||||
| 32 | Das Schema der Substanz ist die Beharrlichkeit des Realen in der | ||||||
| 33 | Zeit, d. i. die Vorstellung desselben als eines Substratum der empirischen | ||||||
| 34 | Zeitbestimmung überhaupt, welches also bleibt, indem alles andre wechselt. | ||||||
| 35 | (Die Zeit verläuft sich nicht, sondern in ihr verläuft sich das Dasein des | ||||||
| 36 | Wandelbaren. Der Zeit also, die selbst unwandelbar und bleibend ist, | ||||||
| 37 | correspondirt in der Erscheinung das Unwandelbare im Dasein, d. i. die | ||||||
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