Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 034 |
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| 01 | wird den Dingen nur in so fern beigelegt, als sie uns erscheinen, d. i. | ||||||
| 02 | Gegenstände der Sinnlichkeit sind. Die beständige Form dieser Receptivität, | ||||||
| 03 | welche wir Sinnlichkeit nennen, ist eine nothwendige Bedingung | ||||||
| 04 | aller Verhältnisse, darin Gegenstände als außer uns angeschauet werden, | ||||||
| 05 | und wenn man von diesen Gegenständen abstrahirt, eine reine Anschauung, | ||||||
| 06 | welche den Namen Raum führt. Weil wir die besonderen Bedingungen | ||||||
| 07 | der Sinnlichkeit nicht zu Bedingungen der Möglichkeit der Sachen, sondern | ||||||
| 08 | nur ihrer Erscheinungen machen können, so können wir wohl sagen, | ||||||
| 09 | daß der Raum alle Dinge befasse, die uns äußerlich erscheinen mögen, | ||||||
| 10 | aber nicht alle Dinge an sich selbst, sie mögen nun angeschaut werden oder | ||||||
| 11 | nicht, oder auch von welchem Subject man wolle. Denn wir können von | ||||||
| 12 | den Anschauungen anderer denkenden Wesen gar nicht urtheilen, ob sie | ||||||
| 13 | an die nämlichen Bedingungen gebunden seien, welche unsere Anschauung | ||||||
| 14 | einschränken und für uns allgemein gültig sind. Wenn wir die Einschränkung | ||||||
| 15 | eines Urtheils zum Begriff des Subjects hinzufügen, so gilt | ||||||
| 16 | das Urtheil alsdann unbedingt. Der Satz: Alle Dinge sind neben einander | ||||||
| 17 | im Raum, gilt nur unter der Einschränkung, wenn diese Dinge als | ||||||
| 18 | Gegenstände unserer sinnlichen Anschauung genommen werden. Füge ich | ||||||
| 19 | hier die Bedingung zum Begriffe und sage: Alle Dinge als äußere Erscheinungen | ||||||
| 20 | sind neben einander im Raum, so gilt diese Regel allgemein | ||||||
| 21 | und ohne Einschränkung. Unsere Erörterungen lehren demnach die Realität | ||||||
| 22 | (d. i. die objective Gültigkeit) des Raumes in Ansehung alles dessen, | ||||||
| 23 | was äußerlich als Gegenstand uns vorkommen kann, aber zugleich die | ||||||
| 24 | Idealität des Raums in Ansehung der Dinge, wenn sie durch die Vernunft | ||||||
| 25 | an sich selbst erwogen werden, d. i. ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit | ||||||
| 26 | unserer Sinnlichkeit zu nehmen. Wir behaupten also die empirische | ||||||
| 27 | Realität des Raumes (in Ansehung aller möglichen äußeren Erfahrung), | ||||||
| 28 | obzwar zugleich die transscendentale Idealität desselben, d. i. daß | ||||||
| 29 | er Nichts sei, so bald wir die Bedingung der Möglichkeit aller Erfahrung | ||||||
| 30 | weglassen und ihn als etwas, was den Dingen an sich selbst zum Grunde | ||||||
| 31 | liegt, annehmen. | ||||||
| 32 | Es giebt aber auch außer dem Raum keine andere subjective und | ||||||
| 33 | auf etwas äußeres bezogene Vorstellung, die a priori objectiv heißen | ||||||
| 34 | könnte; daher diese subjective Bedingung aller äußeren Erscheinungen mit | ||||||
| 35 | keiner andern kann verglichen werden. Der Wohlgeschmack eines Weines | ||||||
| 36 | gehört nicht zu den objectiven Bestimmungen des Weines, mithin eines Objects | ||||||
| 37 | sogar als Erscheinung betrachtet, sondern zu der besondern Beschaffenheit | ||||||
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