Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 390 |
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01 | Wesen bestehe, indem ein jedes derselben jenes voraussetzt, mithin es | ||||||
02 | nicht ausmachen kann, so wird das Ideal des Urwesens auch als einfach | ||||||
03 | gedacht werden müssen. | ||||||
04 | Die Ableitung aller anderen Möglichkeit von diesem Urwesen wird | ||||||
05 | daher, genau zu reden, auch nicht als eine Einschränkung seiner höchsten | ||||||
06 | Realität und gleichsam als eine Theilung derselben angesehen werden | ||||||
07 | können; denn alsdann würde das Urwesen als ein bloßes Aggregat | ||||||
08 | von abgeleiteten Wesen angesehen werden, welches nach dem vorigen unmöglich | ||||||
09 | ist, ob wir es gleich anfänglich, im ersten rohen Schattenrisse, so | ||||||
10 | vorstellten. Vielmehr würde der Möglichkeit aller Dinge die höchste Realität | ||||||
11 | als ein Grund und nicht als Inbegriff zum Grunde liegen und | ||||||
12 | die Mannigfaltigkeit der ersteren nicht auf der Einschränkung des Urwesens | ||||||
13 | selbst, sondern seiner vollständigen Folge beruhen, zu welcher denn auch | ||||||
14 | unsere ganze Sinnlichkeit sammt aller Realität in der Erscheinung gehören | ||||||
15 | würde, die zu der Idee des höchsten Wesens als ein Ingredienz nicht gehören | ||||||
16 | kann. | ||||||
17 | Wenn wir nun dieser unserer Idee, indem wir sie hypostasiren, so | ||||||
18 | ferner nachgehen, so werden wir das Urwesen durch den bloßen Begriff | ||||||
19 | der höchsten Realität als ein einiges, einfaches, allgenugsames, ewiges etc., | ||||||
20 | mit einem Worte, es in seiner unbedingten Vollständigkeit durch alle Prädicamente | ||||||
21 | bestimmen können. Der Begriff eines solchen Wesens ist der | ||||||
22 | von Gott, in transscendentalem Verstande gedacht; und so ist das Ideal | ||||||
23 | der reinen Vernunft der Gegenstand einer transscendentalen Theologie, | ||||||
24 | so wie ich es auch oben angeführt habe. | ||||||
25 | Indessen würde dieser Gebrauch der transscendentalen Idee doch schon | ||||||
26 | die Grenzen ihrer Bestimmung und Zulässigkeit überschreiten. Denn die | ||||||
27 | Vernunft legte sie nur als den Begriff von aller Realität der durchgängigen | ||||||
28 | Bestimmung der Dinge überhaupt zum Grunde, ohne zu verlangen, | ||||||
29 | daß alle diese Realität objectiv gegeben sei und selbst ein Ding ausmache. | ||||||
30 | Dieses letztere ist eine bloße Erdichtung, durch welche wir das Mannigfaltige | ||||||
31 | unserer Idee in einem Ideale als einem besonderen Wesen zusammenfassen | ||||||
32 | und realisiren, wozu wir keine Befugniß haben, sogar nicht einmal, | ||||||
33 | die Möglichkeit einer solchen Hypothese geradezu anzunehmen; wie denn | ||||||
34 | auch alle Folgerungen, die aus einem solchen Ideale abfließen, die durchgängige | ||||||
35 | Bestimmung der Dinge überhaupt, als zu deren Behuf die Idee | ||||||
36 | allein nöthig war, nichts angehen und darauf nicht den mindesten Einfluß | ||||||
37 | haben. | ||||||
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