Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 388

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 transscendentales Substratum zum Grunde gelegt wird, welches gleichsam      
  02 den ganzen Vorrath des Stoffes, daher alle mögliche Prädicate der Dinge      
  03 genommen werden können, enthält, so ist dieses Substratum nichts anders,      
  04 als die Idee von einem all der Realität ( omnitudo realitatis ). Alle wahre      
  05 Verneinungen sind alsdann nichts als Schranken, welches sie nicht genannt      
  06 werden könnten, wenn nicht das unbeschränkte (das all) zum Grunde läge.      
           
  07 Es ist aber auch durch diesen allbesitz der Realität der Begriff eines      
  08 Dinges an sich selbst als durchgängig bestimmt vorgestellt, und der      
  09 Begriff eines entis realissimi ist der Begriff eines einzelnen Wesens, weil      
  10 von allen möglichen entgegengesetzten Prädicaten eines, nämlich das, was      
  11 zum Sein schlechthin gehört, in seiner Bestimmung angetroffen wird. Also      
  12 ist es ein transscendentales Ideal, welches der durchgängigen Bestimmung,      
  13 die nothwendig bei allem, was existirt, angetroffen wird, zum Grunde      
  14 liegt und die oberste und vollständige materiale Bedingung seiner Möglichkeit      
  15 ausmacht, auf welcher alles Denken der Gegenstände überhaupt      
  16 ihrem Inhalte nach zurückgeführt werden muß. Es ist aber auch das einzige      
  17 eigentliche Ideal, dessen die menschliche Vernunft fähig ist, weil nur      
  18 in diesem einzigen Falle ein an sich allgemeiner Begriff von einem Dinge      
  19 durch sich selbst durchgängig bestimmt und als die Vorstellung von einem      
  20 Individuum erkannt wird.      
           
  21 Die logische Bestimmung eines Begriffs durch die Vernunft beruht      
  22 auf einem disjunctiven Vernunftschlusse, in welchem der Obersatz eine      
  23 logische Eintheilung (die Theilung der Sphäre eines allgemeinen Begriffs)      
  24 enthält, der Untersatz diese Sphäre bis auf einen Theil einschränkt und der      
  25 Schlußsatz den Begriff durch diesen bestimmt. Der allgemeine Begriff      
  26 einer Realität überhaupt kann a priori nicht eingetheilt werden, weil man      
  27 ohne Erfahrung keine bestimmte Arten von Realität kennt, die unter jener      
  28 Gattung enthalten wären. Also ist der transscendentale Obersatz der durchgängigen      
  29 Bestimmung aller Dinge nichts anders, als die Vorstellung des      
  30 Inbegriffs aller Realität, nicht bloß ein Begriff, der alle Prädicate ihrem      
  31 transscendentalen Inhalte nach unter sich, sondern der sie in sich begreift;      
  32 und die durchgängige Bestimmung eines jeden Dinges beruht      
  33 auf der Einschränkung dieses All der Realität, indem einiges derselben      
  34 dem Dinge beigelegt, das übrige aber ausgeschlossen wird, welches mit      
  35 dem Entweder und Oder des disjunctiven Obersatzes und der Bestimmung      
           
     

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