Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 338

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 dieses letzteren willen angenommen wird und darnach eingerichtet sein muß.      
  02 Zu dem Spielwerke der alten dialektischen Schulen gehörte auch diese      
  03 Frage: wenn eine Kugel nicht durch ein Loch geht, was soll man sagen:      
  04 ist die Kugel zu groß, oder das Loch zu klein? In diesem Falle ist es      
  05 gleichgültig, wie ihr euch ausdrücken wollt; denn ihr wißt nicht, welches      
  06 von beiden um des anderen willen da ist. Dagegen werdet ihr nicht      
  07 sagen: der Mann ist für sein Kleid zu lang, sondern das Kleid ist für      
  08 den Mann zu kurz.      
           
  09 Wir sind also wenigstens auf den gegründeten Verdacht gebracht:      
  10 daß die kosmologischen Ideen und mit ihnen alle unter einander in Streit      
  11 gesetzte vernünftelnde Behauptungen vielleicht einen leeren und bloß eingebildeten      
  12 Begriff von der Art, wie uns der Gegenstand dieser Ideen gegeben      
  13 wird, zum Grunde liegen haben; und dieser Verdacht kann uns      
  14 schon auf die rechte Spur führen, das Blendwerk zu entdecken, was uns      
  15 so lange irre geführt hat.      
           
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Der
     
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Antinomie der reinen Vernunft
     
           
  18
Sechster Abschnitt.
     
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Der transscendentale Idealism als der Schlüssel zu
     
  20
Auflösung der kosmologischen Dialektik.
     
           
  21 Wir haben in der transscendentalen Ästehtik hinreichend bewiesen:      
  22 daß alles, was im Raume oder der Zeit angeschauet wird, mithin alle      
  23 Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung nichts als Erscheinungen,      
  24 d. i. bloße Vorstellungen, sind, die so, wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte      
  25 Wesen oder Reihen von Veränderungen, außer unseren Gedanken      
  26 keine an sich gegründete Existenz haben. Diesen Lehrbegriff nenne ich den      
  27 transscendentalen Idealism*). Der Realist in transscendentaler      
           
    *) Ich habe ihn auch sonst bisweilen den formalen Idealism genannt, um ihn von dem materialen, d. i. dem gemeinen, der die Existenz äußerer Dinge selbst bezweifelt oder leugnet, zu unterscheiden. In manchen Fällen scheint es rathsam zu sein, sich lieber dieser als der obgenannten Ausdrücke zu bedienen, um alle Mißdeutung zu verhüten.      
           
     

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