Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 165 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | von einer obersten Ursache (auch sogar ihrer Substanz nach) entgegen sein | ||||||
| 02 | dürfte; welche Besorgniß unnöthig ist, indem hier nur von Erscheinungen | ||||||
| 03 | im Felde der Erfahrung die Rede ist, deren Einheit niemals möglich sein | ||||||
| 04 | würde, wenn wir neue Dinge (der Substanz nach) wollten entstehen lassen. | ||||||
| 05 | Denn alsdann fiele dasjenige weg, welches die Einheit der Zeit allein | ||||||
| 06 | vorstellen kann, nämlich die Identität des Substratum, als woran aller | ||||||
| 07 | Wechsel allein durchgängige Einheit hat. Diese Beharrlichkeit ist inde | ||||||
| 08 | doch weiter nichts, als die Art, uns das Dasein der Dinge (in der Erscheinung) | ||||||
| 09 | vorzustellen. | ||||||
| 10 | Die Bestimmungen einer Substanz, die nichts andres sind, als besondere | ||||||
| 11 | Arten derselben zu existiren, heißen Accidenzen. Sie sind jederzeit | ||||||
| 12 | real, weil sie das Dasein der Substanz betreffen (Negationen sind | ||||||
| 13 | nur Bestimmungen, die das Nichtsein von etwas an der Substanz ausdrücken). | ||||||
| 14 | Wenn man nun diesem Realen an der Substanz ein besonderes | ||||||
| 15 | Dasein beilegt (z. E. der Bewegung als einem Accidens der Materie), | ||||||
| 16 | so nennt man dieses Dasein die Inhärenz zum Unterschiede vom Dasein | ||||||
| 17 | der Substanz, das man Subsistenz nennt. Allein hieraus entspringen viel | ||||||
| 18 | Mißdeutungen, und es ist genauer und richtiger geredet, wenn man das | ||||||
| 19 | Accidens nur durch die Art, wie das Dasein einer Substanz positiv bestimmt | ||||||
| 20 | ist, bezeichnet. Indessen ist es doch vermöge der Bedingungen des | ||||||
| 21 | logischen Gebrauchs unsers Verstandes unvermeidlich, dasjenige, was im | ||||||
| 22 | Dasein einer Substanz wechseln kann, indessen daß die Substanz bleibt, | ||||||
| 23 | gleichsam abzusondern und in Verhältniß auf das eigentliche Beharrliche | ||||||
| 24 | und Radicale zu betrachten; daher denn auch diese Kategorie unter dem | ||||||
| 25 | Titel der Verhältnisse steht, mehr als die Bedingung derselben, als daß | ||||||
| 26 | sie selbst ein Verhältniß enthielte. | ||||||
| 27 | Auf dieser Beharrlichkeit gründet sich nun auch die Berichtigung des | ||||||
| 28 | Begriffs von Veränderung. Entstehen und Vergehen sind nicht Veränderungen | ||||||
| 29 | desjenigen, was entsteht oder vergeht. Veränderung ist eine | ||||||
| 30 | Art zu existiren, welche auf eine andere Art zu existiren eben desselben | ||||||
| 31 | Gegenstandes erfolgt. Daher ist alles, was sich verändert, bleibend, und | ||||||
| 32 | nur sein Zustand wechselt. Da dieser Wechsel also nur die Bestimmungen | ||||||
| 33 | trifft, die aufhören oder auch anheben können: so können wir in | ||||||
| 34 | einem etwas paradox scheinenden Ausdruck sagen: nur das Beharrliche | ||||||
| 35 | (die Substanz) wird verändert, das Wandelbare erleidet keine Veränderung, | ||||||
| 36 | sondern einen Wechsel, da einige Bestimmungen aufhören, und | ||||||
| 37 | andre anheben. | ||||||
| [ Seite 164 ] [ Seite 166 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||