Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 058 |
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01 | ihr allein ist alle Wirklichkeit der Erscheinungen möglich. Diese können | ||||||
02 | insgesammt wegfallen, aber sie selbst (als die allgemeine Bedingung ihrer | ||||||
03 | Möglichkeit) kann nicht aufgehoben werden. | ||||||
04 | 3) Auf diese Nothwendigkeit a priori gründet sich auch die Möglichkeit | ||||||
05 | apodiktischer Grundsätze von den Verhältnissen der Zeit oder Axiomen | ||||||
06 | von der Zeit überhaupt. Sie hat nur Eine Dimension: verschiedene Zeiten | ||||||
07 | sind nicht zugleich, sondern nach einander (so wie verschiedene Räume | ||||||
08 | nicht nach einander, sondern zugleich sind). Diese Grundsätze können aus | ||||||
09 | der Erfahrung nicht gezogen werden, denn diese würde weder Strenge Allgemeinheit, | ||||||
10 | noch apodiktische Gewißheit geben. Wir würden nur sagen | ||||||
11 | können: so lehrt es die gemeine Wahrnehmung; nicht aber: so muß es sich | ||||||
12 | verhalten. Diese Grundsätze gelten als Regeln, unter denen überhaupt | ||||||
13 | Erfahrungen möglich sind, und belehren uns vor derselben und nicht durch | ||||||
14 | dieselbe. | ||||||
15 | 4) Die Zeit ist kein discursiver oder, wie man ihn nennt, allgemeiner | ||||||
16 | Begriff, sondern eine reine Form der sinnlichen Anschauung. Verschiedene | ||||||
17 | Zeiten sind nur Theile eben derselben Zeit. Die Vorstellung, die nur | ||||||
18 | durch einen einzigen Gegenstand gegeben werden kann, ist aber Anschauung. | ||||||
19 | Auch würde sich der Satz, daß verschiedene Zeiten nicht zugleich | ||||||
20 | sein können, aus einem allgemeinen Begriff nicht herleiten lassen. Der | ||||||
21 | Satz ist synthetisch und kann aus Begriffen allein nicht entspringen. Er | ||||||
22 | ist also in der Anschauung und Vorstellung der Zeit unmittelbar enthalten. | ||||||
23 | 5) Die Unendlichkeit der Zeit bedeutet nichts weiter, als daß alle bestimmte | ||||||
24 | Größe der Zeit nur durch Einschränkungen einer einigen zum | ||||||
25 | Grunde liegenden Zeit möglich sei. Daher muß die ursprüngliche Vorstellung | ||||||
26 | Zeit als uneingeschränkt gegeben sein. Wovon aber die Theile | ||||||
27 | selbst und jede Größe eines Gegenstandes nur durch Einschränkung bestimmt | ||||||
28 | vorgestellt werden können, da muß die ganze Vorstellung nicht | ||||||
29 | durch Begriffe gegeben sein (denn die enthalten nur Theilvorstellungen), | ||||||
30 | sondern es muß ihnen unmittelbare Anschauung zum Grunde liegen. | ||||||
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