Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 041

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Nun ist aber diese Art von Erkenntniß in gewissem Sinne doch      
  02 auch als gegeben anzusehen, und Metaphysik ist, wenn gleich nicht als      
  03 Wissenschaft, doch als Naturanlage ( metaphysica naturalis ) wirklich.      
  04 Denn die menschliche Vernunft geht unaufhaltsam, ohne daß bloße Eitelkeit      
  05 des Vielwissens sie dazu bewegt, durch eigenes Bedürfniß getrieben, bis      
  06 zu solchen Fragen fort, die durch keinen Erfahrungsgebrauch der Vernunft      
  07 und daher entlehnte Principien beantwortet werden können; und so ist      
  08 wirklich in allen Menschen, so bald Vernunft sich in ihnen bis zur Speculation      
  09 erweitert, irgend eine Metaphysik zu aller Zeit gewesen und wird      
  10 auch immer darin bleiben. Und nun ist auch von dieser die Frage: Wie      
  11 ist Metaphysik als Naturanlage möglich? d. i. wie entspringen      
  12 die Fragen, welche reine Vernunft sich aufwirft, und die sie, so gut als sie      
  13 kann, zu beantworten durch ihr eigenes Bedürfniß getrieben wird, aus      
  14 der Natur der allgemeinen Menschenvernunft?      
           
  15 Da sich aber bei allen bisherigen Versuchen, diese natürliche Fragen,      
  16 z. B. ob die Welt einen Anfang habe, oder von Ewigkeit her sei u. s. w.,      
  17 zu beantworten, jederzeit unvermeidliche Widersprüche gefunden haben, so      
  18 kann man es nicht bei der bloßen Naturanlage zur Metaphysik, d. i. dem      
  19 reinen Vernunftvermögen selbst, woraus zwar immer irgend eine Metaphysik      
  20 (es sei, welche es wolle) erwächst, bewenden lassen, sondern es mu      
  21 möglich sein, mit ihr es zur Gewißheit zu bringen, entweder im Wissen      
  22 oder Nicht=Wissen der Gegenstände, d. i. entweder der Entscheidung über      
  23 die Gegenstände ihrer Fragen, oder über das Vermögen und Unvermögen      
  24 der Vernunft in Ansehung ihrer etwas zu urtheilen, also entweder unsere      
  25 reine Vernunft mit Zuverlässigkeit zu erweitern, oder ihr bestimmte und      
  26 sichere Schranken zu setzen. Diese letzte Frage, die aus der obigen allgemeinen      
  27 Aufgabe fließt, würde mit Recht diese sein: Wie ist Metaphysik      
  28 als Wissenschaft möglich?      
           
  29 Die Kritik der Vernunft führt also zuletzt nothwendig zur Wissenschaft,      
  30 der dogmatische Gebrauch derselben ohne Kritik dagegen auf grundlose      
  31 Behauptungen, denen man eben so scheinbare entgegensetzen kann,      
  32 mithin zum Scepticismus.      
           
  33 Auch kann diese Wissenschaft nicht von großer, abschreckender Weitläuftigkeit      
  34 sein, weil sie es nicht mit Objecten der Vernunft, deren      
  35 Mannigfaltigkeit unendlich ist, sondern es bloß mit sich selbst, mit Aufgaben,      
  36 die ganz aus ihrem Schooße entspringen und ihr nicht durch die      
  37 Natur der Dinge, die von ihr unterschieden sind, sondern durch ihre eigene      
           
     

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