Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 021 |
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01 | es zu sein, weil, so wenig dem Volke die fein gesponnenen Argumente für | ||||||
02 | nützliche Wahrheiten in den Kopf wollen, eben so wenig kommen ihm auch | ||||||
03 | die eben so subtilen Einwürfe dagegen jemals in den Sinn; dagegen, weil | ||||||
04 | die Schule, so wie jeder sich zur Speculation erhebende Mensch, unvermeidlich | ||||||
05 | in beide geräth, jene dazu verbunden ist, durch gründliche Untersuchung | ||||||
06 | der Rechte der speculativen Vernunft einmal für allemal dem | ||||||
07 | Skandal vorzubeugen, das über kurz oder lang selbst dem Volke aus den | ||||||
08 | Streitigkeiten aufstoßen muß, in welche sich Metaphysiker (und als solche | ||||||
09 | endlich auch wohl Geistliche) ohne Kritik unausbleiblich verwickeln, und | ||||||
10 | die selbst nachher ihre Lehren verfälschen. Durch diese kann nun allein | ||||||
11 | dem Materialism, Fatalism, Atheism, dem freigeisterischen Unglauben, | ||||||
12 | der Schwärmerei und Aberglauben, die allgemein schädlich | ||||||
13 | werden können, zuletzt auch dem Idealism und Scepticism, die | ||||||
14 | mehr den Schulen gefährlich sind und schwerlich ins Publicum übergehen | ||||||
15 | können, selbst die Wurzel abgeschnitten werden. Wenn Regierungen sich | ||||||
16 | ja mit Angelegenheiten der Gelehrten zu befassen gut finden, so würde es | ||||||
17 | ihrer weisen Vorsorge für Wissenschaften sowohl als Menschen weit gemäßer | ||||||
18 | sein, die Freiheit einer solchen Kritik zu begünstigen, wodurch die | ||||||
19 | Vernunftbearbeitungen allein auf einen festen Fuß gebracht werden | ||||||
20 | können, als den lächerlichen Despotism der Schulen zu unterstützen, | ||||||
21 | welche über öffentliche Gefahr ein lautes Geschrei erheben, wenn man ihre | ||||||
22 | Spinneweben zerreißt, von denen doch das Publicum niemals Notiz genommen | ||||||
23 | hat, und deren Verlust es also auch nie fühlen kann. | ||||||
24 | Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfahren der Vernunft | ||||||
25 | in ihrem reinen Erkenntniß, als Wissenschaft, entgegengesetzt (denn diese | ||||||
26 | muß jederzeit dogmatisch, d. i. aus sicheren Principien a priori strenge | ||||||
27 | beweisend, sein), sondern dem Dogmatism, d. i. der Anmaßung, mit | ||||||
28 | einer reinen Erkenntniß aus Begriffen (der philosophischen) nach Principien, | ||||||
29 | so wie sie die Vernunft längst im Gebrauch hat, ohne Erkundigung | ||||||
30 | der Art und des Rechts, womit sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen. | ||||||
31 | Dogmatism ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft ohne | ||||||
32 | vorangehende Kritik ihres eigenen Vermögens. Diese Entgegensetzung | ||||||
33 | soll daher nicht der geschwätzigen Seichtigkeit unter dem angemaßten | ||||||
34 | Namen der Popularität, oder wohl gar dem Scepticism, der mit | ||||||
35 | der ganzen Metaphysik kurzen Proceß macht, das Wort reden; vielmehr | ||||||
36 | ist die Kritik die nothwendige vorläufige Veranstaltung zur Beförderung | ||||||
37 | einer gründlichen Metaphysik als Wissenschaft, die nothwendig dogmatisch | ||||||
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