Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 347 |
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| 01 | dessen Achse senkrecht zu dem Plane seines Kreises ist, und Mars, | ||||||
| 02 | dessen seine es beinahe ist, welche beide keine Verschiedenheit der Jahreszeiten | ||||||
| 03 | genießen und doch eben sowohl Werke der höchsten Weisheit, | ||||||
| 04 | als die andern sind. Die Begleitung der Monde beim Saturn, dem | ||||||
| 05 | Jupiter und der Erde würden scheinen, besondere Anordnungen des | ||||||
| 06 | höchsten Wesens zu sein, wenn die freie Abweichung von diesem | ||||||
| 07 | Zwecke durch das ganze System des Weltbaues nicht anzeigte, daß die | ||||||
| 08 | Natur, ohne durch einen außerordentlichen Zwang in ihrem freien Betragen | ||||||
| 09 | gestört zu sein, diese Bestimmungen hervorgebracht habe. Jupiter | ||||||
| 10 | hat vier Monde, Saturn fünf, die Erde einen, die übrigen Planeten | ||||||
| 11 | gar keinen, ob es gleich scheint, daß diese wegen ihrer längeren Nächte | ||||||
| 12 | derselben bedürftiger wären, als jene. Wenn man die proportionirte | ||||||
| 13 | Gleichheit der den Planeten eingedrückten Schwungskräfte mit den | ||||||
| 14 | Centralneigungen ihres Abstandes als die Ursache, woher sie beinahe | ||||||
| 15 | in Zirkeln um die Sonne laufen und durch die Gleichmäßigkeit der | ||||||
| 16 | von dieser ertheilten Wärme zu Wohnplätzen vernünftiger Creaturen | ||||||
| 17 | geschickt werden, bewundert und sie als den unmittelbaren Finger der | ||||||
| 18 | Allmacht ansieht: so wird man auf einmal auf die allgemeinen Gesetze | ||||||
| 19 | der Natur zurück geführt, wenn man erwägt, daß diese planetische | ||||||
| 20 | Beschaffenheit sich nach und nach mit allen Stufen der Verminderung | ||||||
| 21 | in der Tiefe des Himmels verliert, und daß eben die höchste Weisheit, | ||||||
| 22 | welche an der gemäßigten Bewegung der Planeten ein Wohlgefallen | ||||||
| 23 | gehabt hat, auch die Mängel nicht ausgeschlossen, mit welchen sich das | ||||||
| 24 | System endigt, indem es in der völligen Unregelmäßigkeit und Unordnung | ||||||
| 25 | aufhört. Die Natur, unerachtet sie eine wesentliche Bestimmung | ||||||
| 26 | zur Vollkommenheit und Ordnung hat, faßt in dem Umfange ihrer | ||||||
| 27 | Mannigfaltigkeit alle mögliche Abwechselungen sogar bis auf die Mängel | ||||||
| 28 | und Abweichungen in sich. Eben dieselbe unbeschränkte Fruchtbarkeit | ||||||
| 29 | derselben hat die bewohnten Himmelskugeln sowohl, als die Kometen, | ||||||
| 30 | die nützlichen Berge und die schädlichen Klippen, die bewohnbaren | ||||||
| 31 | Landschaften und öden Wüsteneien, die Tugenden und Laster hervorgebracht. | ||||||
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