Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 286

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 schwebend in Zirkelbewegungen zu erhalten. Indem sie nun in den      
  02 Zusammensatz des Planeten kommen, so müssen sie, als Theile desselben,      
  03 eben dieselbe Umwendung nach eben derselben Richtung fortsetzen,      
  04 die sie hatten, ehe sie mit ihm vereinigt worden. Und weil      
  05 überhaupt aus dem vorigen zu ersehen, daß die Menge der Theilchen,      
  06 welche der Mangel an der erforderlichen Bewegung auf den Centralkörper      
  07 niederstürzt, sehr weit die Anzahl der andern übertreffen müsse,      
  08 welche die gehörige Grade der Geschwindigkeit haben erlangen können:      
  09 so begreift man auch leicht, woher dieser in seiner Achsendrehung zwar      
  10 bei weitem die Geschwindigkeit nicht haben werde, der Schwere auf      
  11 seiner Oberfläche mit der fliehenden Kraft das Gleichgewicht zu leisten,      
  12 aber dennoch bei Planeten von großer Masse und weitem Abstande      
  13 weit schneller, als bei nahen und kleinen sein werde. In der That      
  14 hat Jupiter die schnellste Achsendrehung, die wir kennen, und ich wei      
  15 nicht, nach welchem System man dieses mit einem Körper, dessen      
  16 Klumpen alle andern übertrifft, zusammen reimen könnte, wenn man      
  17 nicht seine Bewegungen selber als die Wirkung derjenigen Anziehung      
  18 ansehen könnte, die dieser Himmelskörper nach dem Maße eben dieses      
  19 Klumpens ausübt. Wenn die Achsendrehung eine Wirkung einer      
  20 äußerlichen Ursache wäre, so müßte Mars eine schnellere, als Jupiter      
  21 haben; denn eben dieselbe bewegende Kraft bewegt einen kleinern      
  22 Körper mehr, als einen größern, und über dieses würde man sich mit      
  23 Recht wundern, wie, da alle Bewegungen weiter von dem Mittelpunkte      
  24 hin abnehmen, die Geschwindigkeiten der Umwälzungen mit denselben      
  25 Entfernungen zunehmen und beim Jupiter sogar drittehalbmal schneller,      
  26 als seine jährliche Bewegung selber sein könne.      
  27 Indem man also genöthigt ist, in den täglichen Umwendungen      
           
  28 der Planeten eben dieselbe Ursache, welche überhaupt die allgemeine      
  29 Bewegungsquelle der Natur ist, nämlich die Anziehung, zu erkennen:      
  30 so wird diese Erklärungsart durch das natürliche Vorrecht seines Grundbegriffes      
  31 und durch eine ungezwungene Folge aus demselben ihre      
  32 Rechtmäßigkeit bewähren.      
           
  33 Allein wenn die Bildung eines Körpers selber die Achsendrehung      
  34 hervorbringt, so müssen sie billig alle Kugeln des Weltbaues haben;      
  35 aber warum hat sie der Mond nicht, welcher, wiewohl fälschlich, diejenige      
  36 Art einer Umwendung, dadurch er der Erde immer dieselbe      
  37 Seite zuwendet, einigen vielmehr von einer Art einer Überwucht der      
           
     

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