Kant: AA I, Die Frage, ob die Erde veralte, ... , Seite 195

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Wenn man wissen will, ob ein Ding alt, ob es sehr alt, oder noch      
  02 jung zu nennen sei, so muß man es nicht nach der Anzahl der Jahre      
  03 schätzen, die es gedauert hat, sondern nach dem Verhältniß, das diese      
  04 zu derjenigen Zeit haben, die es dauren soll. Ebendieselbe Dauer, die      
  05 für eine Art von Geschöpfen ein hohes Alter kann genannt werden, ist      
  06 es nicht für eine andere. In derselben Zeit, da ein Hund veraltet,      
  07 hat der Mensch kaum seine Kindheit überschritten, und die Eichen und      
  08 Cedern auf dem Libanon sind noch nicht in ihrer männlichen Stärke,      
  09 wenn die Linden oder Tannen alt werden und verdorren. Am meisten      
  10 fehlt der Mensch, wenn er in dem Großen der Werke Gottes zum      
  11 Maßstabe des Alters die Reihe der menschlichen Geschlechter anwenden      
  12 will, welche in dieser Zeit verflossen sind. Es ist zu besorgen, daß es      
  13 mit seiner Art zu urtheilen bewandt sei, wie mit der Rosen ihrer beim      
  14 Fontenelle, welche von dem Alter ihres Gärtners muthmaßten. Unser      
  15 Gärtner, sagten sie, ist ein sehr alter Mann, seit Rosen Gedenken      
  16 ist er derselbe, der er immer gewesen, in der That      
  17 er stirbt nicht, er verändert sich nicht einmal. Wenn man die      
  18 Dauerhaftigkeit erwägt, die bei den Anstalten der Schöpfung an den      
  19 großen Gliedern ihres Inbegriffes angetroffen wird, und welche einer      
  20 Unendlichkeit nahe kommt, so wird man bewogen zu glauben: daß ein      
  21 Ablauf von 5 oder 6000 Jahren für die der Erde bestimmte Dauer      
  22 vielleicht noch nicht dasjenige sei, was ein Jahr in Ansehung des      
  23 Lebens eines Menschen ist.      
           
  24 Die Wahrheit zu gestehen, wir haben keine Merkmale in der Offenbarung,      
  25 woraus wir abnehmen können, ob die Erde anjetzt jung oder      
           
     

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