Quelle Nummer 429
Rubrik 07 : POLITIK Unterrubrik 07.03 : TAGESPOLITIK
POLIT. BILDUNG IN LAENDLICHEN GEMEINDEN
WILFRIED SCHLAU
POLITIK UND BEWUSSTSEIN
VORAUSSETZUNGEN UND STRUKTUREN POLITISCHER BILDUNG
IN LAENDLICHEN GEMEINDEN
VERLAG WISSENSCHAFT UND POLITIK BEREND VON NOTTBECK
KOELN 1971, S.19-
001 Ausgangslage (Literaturbericht). Hervorgegangen aus
002 der Schule Silvio Broedrichs, kam der Verfasser im Frühjahr
003 1947 zum Abschluß seines Studiums nach Stuttgart-Hohenheim.
004 Hier vermittelten u.a. Dreschers grundlegende Arbeit und
005 die Vorlesungen von Professor Paul Hesse weitere Anregungen und
006 führten zu einer Dissertation über die Lage des
007 heimatvertriebenen ostdeutschen Landvolkes in Westdeutschland.
008 Aufgrund einer Diplomarbeit über die ländlichen
009 Heimvolkshochschulen und maßgeblicher Mitarbeit beim Aufbau der
010 ersten ländlichen Heimvolkshochschule in Württemberg-Baden
011 im Winter 1949/50 erhielt der Verfasser ein Angebot der
012 Hessischen Landvolk-Hochschule - damals in Neustadt,
013 Kreis Marburg an der Lahn. Am 16.Oktober 1950 trat er dort
014 als Lehrgangsleiter ein; am 1.Oktober 1952 wurde ihm die
015 Gesamtleitung der Schule übertragen. Auch hier wurde die
016 Mitarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet fortgeführt, und zwar
017 vorerst im Rahmen des Studentischen Arbeitsprogramms, das damals
018 von der amerikanischen Besatzungsmacht finanziert wurde. So ergab
019 sich - auch im Anschluß an die Untersuchung von Lemberg-
020 Krecker - eine längere Zusammenarbeit mit dem Seminar für
021 Erwachsenenbildung an der Universität Frankfurt am Main, dessen
022 Leitung in den Händen von Professor Weinstock lag. Unter
023 Federführung seines Assistenten K. G. Fischer -
024 unterstützt von M. R. Vogel - und in Zusammenarbeit mit
025 dem Verfasser führten Gruppen von Studenten der verschiedenen
026 hessischen Hochschulen und Universitäten und der Universität
027 Mainz in den Jahren 1951 und 1952 in den Semesterferien in acht
028 hessischen Landgemeinden " Dorfuntersuchungen für
029 Erwachsenenbildung und Jugendpflege " durch. Die Einführungs
030 konferenzen und Auswertungskonferenzen fanden in der
031 Hessischen Landvolk-Hochschule statt. Dies war - nach
032 einer fast zwanzigjährigen Zwangspause - mit der erste Versuch,
033 in einer kollegialen Zusammenarbeit interessierter und sehr
034 kritischer junger Menschen die Voraussetzungen für eine freie
035 außerschulische Bildungsarbeit auch in den ländlichen Gemeinden
036 zu klären. So enstanden in den Jahren 1951/52 die Berichte
037 über sieben hessische Landgemeinden, und sicher hat K. G.
038 Fischer auch heute noch weitgehend recht, wenn er in der
039 Einführung schreibt: " Im ländlichen Bereich hinkt die
040 Volksbildungsarbeit dem in Städten Verwirklichten nach. Bisher
041 fehlen noch immer die entscheidenden Anstöße, die aus der
042 Einsicht in die Bedingungen kommen, denen Menschen dem Leben in
043 Dörfern unterworfen sind (...) " und: " Die freie
044 Volksbildung bedarf eines neuen Ansatzes. Sie muß von den
045 Realverhältnissen ausgehen, in die sich der Mensch als
046 geschichtliches Wesen eingestellt finden. " Weitere
047 Ergebnisse dieser Bemühungen waren eine kleine Anleitung zur
048 Erarbeitung von Dorfbeschreibungen von K. G. Fischer und
049 R. Thierbach und die Gründung der " Deisfelder Gruppe ",
050 der Bundesarbeitsgemeinschaft " Student und Erwachsenenbildung ",
051 im Jahre 1952. Die Einstellung der Förderung für das
052 Studentische Arbeitsprogramm durch die amerikanische
053 Militärregierung im Jahre 1954 machte leider eine Fortführung
054 der Dorfuntersuchungen unmöglich; die Schließung des Seminars
055 für Erwachsenenbildung an der Universität Frankfurt am Main und
056 die Selbstauflösung der " Deisfelder Gruppe " im Jahre 1955
057 setzten diesem so hoffnungsvollen Ansatz praktischer
058 Volksbildungsarbeit auch im ländlichen Bereich ein jähes Ende.
059 Den vorläufigen Abschluß dieser aus der Not der Nachkriegsjahre
060 erwachsenen Eigeninitiative bildete das Erscheinen des Handbuches
061 der dörflichen Kulturarbeit - herausgegeben von Kurt Finke,
062 dem langjährigen hauptberuflichen Mitarbeiter der Hessischen
063 Landvolk-Hochschule, und K. G. Fischer - unter
064 Mitarbeit u.a. auch des Verfassers. Erst nach einer
065 mehrjährigen Unterbrechung wurden diese Bemühungen in
066 abgeänderter Form vom Deutschen Volkshochschul-Verband
067 wiederaufgenommen, der auf Anregung von H. Bückmann, dem
068 damaligen Geschäftsführer der Niedersächsischen Landjugend, im
069 Mai 1959 in Offenburg in Baden einen " Arbeitskreis für Fragen
070 der Erwachsenenbildung auf dem Lande " auf Bundesebene ins Leben
071 rief. Der Arbeitskreis, dem der Verfasser als einer der beiden
072 hessischen Vertreter und Mitglied des Pädagogischen Ausschusses
073 des Hessischen Landesverbandes für Erwachsenenbildung angehört,
074 begann seine Tätigkeit mit einer Bestandsaufnahme der ländlichen
075 Erwachsenenbildung in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik.
076 Diese Umfrage jedoch bezog sich in erster Linie auf die
077 Organisation der in ländlichen Gemeinden nachweisbaren
078 Bildungsarbeit, auf Teilnehmerzahlen, Mitarbeiter und deren
079 Themen und Methoden, während die ökonomischen, sozialen,
080 politischen und kulturellen Verhältnisse in den ländlichen
081 Gemeinden wohl weitgehend als bekannt vorausgesetzt wurden.
082 Ähnlich verhält es sich mit einer Umfrage des im Frühjahr 1962
083 im Hessischen Landesverband für Erwachsenenbildung gebildeten
084 " Ausschusses für Erwachsenenbildung auf dem Lande ", der im
085 Juni 1962 seine Ergebnisse bekanntgab und im April 1963
086 interessante " Gedanken zur Erwachsenenbildung auf dem Lande "
087 entwickelte. Erfassung sozialstruktureller Veränderungen.
088 Gleichzeitig mit den Bemühungen um die ländliche
089 Erwachsenenbildung hatte auch die ländliche Sozialforschung in der
090 Bundesrepublik wieder begonnen. Auch hier waren es - abgesehen
091 von zwei kleinen Arbeiten von Hoffmann - zuerst zwei von
092 amerikanischen Stellen geförderte Untersuchungen: die sogenannte
093 " Darmstadt-Studie " des damaligen Instituts für
094 sozialwissenschaftliche Forschung in Darmstadt und die
095 Gemeindestudie des UNESCO-Instituts für
096 Sozialwissenschaften in Köln. Drei der Monographien der
097 " Darmstadt-Studie " waren dem ländlichen Bereich gewidmet und
098 vermittelten wertvolle Einblicke in die durch Krieg,
099 Bombenangriffe und Vertreibung hervorgerufenen sozialstrukturellen
100 Veränderungen im engeren und weiteren Einzugsgebiet der Stadt
101 Darmstadt, wenn auch die in den ersten Nachkriegsjahren
102 drängenden sozialökonomischen Probleme im Vordergrund standen und
103 Fragen der politischen Orientierung und der Bildungspolitik
104 zurücktreten mußten. Wesentlich stärker wurden diese Bereiche
105 bereits in der Gemeinde-Studie des UNESCO-Institus
106 für Sozialwissenschaften berücksichtigt, in der Renate Mayntz
107 geb. Pflaum, in den Kapiteln über die Vereine, die
108 kirchliche Bindung, die politische Führung und politische
109 Beteiligung der Bevölkerung diese Grundvoraussetzungen
110 politischer Bildung in ländlichen Gemeinden eingehend behandelte
111 und ihre Ausführungen in einem Aufsatz über " Lokale
112 Parteigruppen in der kleinen Gemeinde " noch ergänzte. Auch die
113 sehr viel später erschienene Untersuchung von Deenens über die
114 ländlichen Familien in zwei Gemeinden Nordrhein-Westfalens
115 brachte wertvolle Angaben zu diesem Bereich. Lag die von
116 Wurzbacher/Pflaum untersuchte Großgemeinde mit ihren 45
117 Dörfern und Weilern auch nicht in Hessen, so doch in dem Hessen
118 benachbarten Nordwestteil des Westerwaldes, der auch nach Hessen
119 hineinragt und der mit seinen sozialökonomischen Lebensbedingungen
120 weitgehend den Mittelgebirgslandschaften entspricht, die den
121 größten Teil Hessens einnehmen. So ist es nur zu verständlich,
122 daß auch F. Rudolph in seiner Studie über eine Gemeinde im
123 hessischen Bergland und a. Beimhorn in ihrer Untersuchung über
124 das hessische Hinterland zu sehr ähnlichen Feststellungen kommen.
125 Nach den Arbeiten von Lemberg-Krecker und Rudolph sind noch
126 weitere sozialstrukturelle Studien über hessische Gemeinden
127 erschienen, so z.B. die Arbeiten von Sandner über
128 Wabern, Ziener über Mörshausen und Born über die Schwalm,
129 ein Aufsatz von Lupri über eine Untersuchung in zwei Schwälmer
130 Dörfern und eine vergleichende Studie von Wilkening und Lupri
131 über amerikanische Farmerfamilien in Wisconsin und hessische
132 Bauernfamilien im Kreise Marburg. Die Gemeinde als
133 Modellfall ländlicher Sozialverhältnisse. Die Vielseitigkeit
134 und Gründlichkeit der Analyse empfahlen besonders die
135 Untersuchung von Rudolph als geeignetes Arbeitsmittel für die
136 hessische ländliche Erwachsenenbildung; die von ihm
137 " durchleuchtete " Gemeinde war und ist als " Modellfall
138 ländlicher Sozialverhältnisse " bei der Erörterung aktueller
139 sozialer Probleme auf dem Lande in Form des exemplarischen
140 Unterrichts sehr gut zu verwenden. Das gleiche trifft für die
141 schon 1951 erschienene Arbeit von Meimberg über die
142 Landbaugebiete Hessens zu, auch wenn hier die agrargeographischen
143 und betriebswirtschaftlichen - inzwischen zum Teil überholten -
144 Fakten im Vordergrund stehen, und in noch stärkerem Maße für
145 Neundörfers " Hessenfibel ", die nach den Worten ihres
146 Verfassers eine " Sozialkunde für Menschen, die in Hessen
147 leben ", sein sollte. Hier ist von dem Leiter des
148 Soziographischen Institutes an der Universität Frankfurt am
149 Main ein ausgezeichnetes Hilfsmittel gerade auch für den
150 Vortragenden und den Hörer in der hessischen Erwachsenenbildung
151 geschaffen worden, in dem die Totalität der ökonomischen und
152 sozialen, politischen und kulturellen Lebensbeziehungen in diesem
153 Bundeslande transparent wird. Für die ländlichen Räume
154 Hessens brachte die Arbeit von Harsche über " Die
155 Agrarstruktur als Bestandteil der industriellen Wirtschafts
156 ordnung und Gesellschaftsordnung " dann eine hervorragende
157 Ergänzung und Vertiefung der Untersuchung Meimbergs über die
158 Landbaugebiete. Bald nach dem Anlaufen der " Darmstadt-
159 Studie " und der Gemeindestudie des UNESCO-Instituts in
160 Köln hatte auch die " Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik
161 und Agrarsoziologie " die Arbeit aufgenommen. Ihre
162 Untersuchungen über " Lebensverhältnisse in kleinbäuerlichen
163 Dörfern ", " Stadt-Land-Beziehungen " und
164 " Sozialbrache " und über " Soziale Sicherung auf dem Lande ",
165 in deren Rahmen auch einige hessischen Gemeinden bearbeitet wurden,
166 beschränkten sich jedoch im Gegensatz zur Gemeindestudie des
167 UNESCO-Instituts im wesentlichen auf die
168 sozialökonomischen Fakten, für die angesichts der Notwendigkeit
169 der Entwicklung einer neuen agrarpolitischen Konzeption in den
170 ersten Jahren des Wiederaufbaus nach 1945 naturgemäß ein
171 vordergründiges Interesse bestand. Das gleiche trifft z.B.
172 auch weitgehend für die Schrift von Niehaus, " Der Bauer
173 in der Wirtschaftsordnung und Gesellschaftsordnung ",
174 den Bericht über die Wirtschaftswissenschaftliche Tagung in St.
175 Wolfgang im Jahre 1956 und für die Aufsätze von Löhr über
176 die Probleme der Bergbauern zu, während Höffner in seiner
177 Schrift " Das Bauerntum in der industriellen Gesellschaft "
178 auch den Wandlungen im geistigen Bereich seine Aufmerksamkeit
179 zuwendet. Immerhin werden auch bei der Untersuchung des
180 materiellen Lebensstandards in kleinbäuerlichen Dörfern die
181 Ausgaben für Bildung und UnterhaltÜng schon gesondert
182 festgestellt und in ihrer regionalen Streuung beleuchtet, und in
183 seinem zusammenfassenden Bericht in Bad Ems im Oktober 1953
184 zitiert Niehaus Buchenberger, der schon 1884 bei der Tagung des
185 Vereins für Socialpolitik in Frankfurt am Main feststellte,
186 " die bäuerliche Frage der Gegenwart sei im eminenten Sinne des
187 Wortes eine Erziehungsfrage und Bildungsfrage ". In
188 den folgenden Jahren gewinnt der Bereich der Bildung im Rahmen
189 der Erörterung ländlicher Sozialprobleme in der Bundesrepublik
190 allmählich an Bedeutung. Schon Priebe schreibt in seinem 1954
191 erschienenen, vielbeachteten Buch " Wer wird die Scheune füllen? ":
192 (...) wir haben zu fragen, wie sich der
193 gesellschaftliche Umbruch unserer Zeit im Wandel unseres
194 Bildungsbegriffes ausdrücken muß " (...) und " Die geistige
195 Aktivierung und Schulung im Denken muß für die Zunkunft das
196 wichtigste Bildungsziel werden (...) " und unterstreicht die
197 Notwendigkeit eines Neubeginns und den großen Nachholbedarf an
198 Bildungsinvestitionen im ländlichen Raum. Noch mehr Bedeutung
199 gewinnt das Bildungsproblem in den Arbeiten, die sich die
200 Untersuchung und Deutung des Strukturwandels in den ländlichen
201 Gemeinden zur Aufgabe machen und sich dabei nicht auf bestimmte
202 Gruppen der ländlichen Bevölkerung beschränken. Hier sind die
203 Berichte von Unruh und Lendl zu nennen, die Schriftenreihe "
204 Moderne Gemeinde " und vor allem die Veröffentlichungen der
205 Agrarsozialen Gesellschaft in ihrer Schriftenreihe für ländliche
206 Sozialfragen und in ihrer Materialsammlung. Auch Josef Müller
207 hat sich im Anschluß an sein schon 1950 erschienenes Buch "
208 Bauer in Gefahr " mit dem Strukturwandel des Dorfes und seinem
209 Einfluß auf die ländliche Bildungsarbeit auseinandergesetzt.
210 Nur leiden seine an sich sehr interessanten Arbeiten unter der oft
211 zu einseitigen Berufung auf Quellen aus dem Ostblock und durch
212 gelegentliche Unrichtigkeiten, wenn er z.b. behauptet, die
213 Gleichschaltung der Landbevölkerung auch in den totalitären
214 Staatssystemen sei freiwillig erfolgt. Die bisher gründlichste
215 Analyse der derzeitigen ländlichen Gesellschaft brachte dann
216 Kötters " Landbevölkerung im sozialen Wandel ". Ausgehend
217 von den tiefgreifenden Veränderungen im sozialökonomischen
218 Bereich, mißt Kötter der Bewußtseinsänderung eine ganz
219 entscheidende Rolle bei der Anpassung an die soziale und
220 ökonomische Entwicklung zu und verlangt eine " Investierung in
221 den Menschen ", wobei es jedoch nicht nur auf die Erhöhung des
222 fachlichen Bildungsstandes ankomme. Da dieser Vorgang von einer
223 entsprechenden pädagogischen Leistung abhinge, verlagere sich der
224 Akzent auf die Erziehung. Um diese von den
225 Sozialwissenschaftlern geforderten zusätzlichen
226 Bildungsinvestitionen auf dem Lande bemühen sich - wie vor 1933
227 - seit 1945 wieder die Verbände der Landjugend und die
228 ländlichen Heimvolkshochschulen, getragen von den bäuerlichen
229 berufsständischen Organisationen und den Kirchen, und - von den
230 städtischen Zentren aus - in steigendem Maße auch die
231 Abendvolkshochschulen und die mit ihnen meist eng verbundenen
232 Kreisvolksbildungswerke. Von einer planmäßigen örtlichen
233 Volksbildungsarbeit in den ländlichen Gemeinden selbst kann in
234 Mitteleuropa vor 1933 kaum die Rede sein - auch wenn man der
235 Tätigkeit der berufsständischen und konfessionellen Jugendgruppen
236 auf dem Lande in diesen Jahren gewisse volksbildnerische
237 Funktionen zubilligen muß. Im heutigen Lande Hessen existierten
238 z.B. 1929 Abendvolkshochschulen nur in den Städten
239 Kassel, Marburg, Gießen, Frankfurt am Main, Wiesbaden,
240 Darmstadt und Offenbach - daneben aber immerhin schon vier
241 Heimvolkshochschulen, von denen zwei ausschließlich für die
242 bäuerliche, eine für die ländliche und städtische und eine für
243 die industriell-gewerbliche Jugend bestimmt waren.
244 Erwachsenenbildung als Thema der Zeitschriftenliteratur.
245 Obgleich von 1905 bis 1933 im deutschen Sprachgebiet in Europa
246 rund 80 die ländliche beziehungsweise bäuerliche Jugend bestimmte
247 Heimvolkshochschulen entstanden, ist der literarische Niederschlag
248 dieser Bildungsaktivitäten leider nur spärlich. Es steht damit
249 nicht anders als mit der Erwachsenenbildung im deutschen
250 Sprachgebiet überhaupt, über die Karbe in seiner Bibliographie
251 schreibt: " Hierbei tritt nun ein Charakteristikum hervor:
252 abgesehen von sehr wenigen Büchern zum Problem der
253 Erwachsenenbildung liegt eine fast unübersehbare
254 Zeitschriftenliteratur vor. Die Gründe hierfür sind darin zu
255 sehen, daß sich " die Wissenschaft ", d.h. die
256 Pädagogik, nur sehr wenig mit der Erwachsenenbildung befaßt hat,
257 daß es die " Praktiker " waren und sind, die zu den Problemen
258 Stellung genommen haben. Sie hatten und haben keine Zeit,
259 Bücher zu schreiben. Die Verbindung von " Theorie " und
260 " Praxis " ist für die deutschsprachige Literatur kennzeichnend.
261 " Mit diesen Feststellungen ist das zentrale Problem der
262 deutschsprachigen Literatur vor allem über die ländliche
263 Erwachsenenbildung getroffen: Hier liegt die Hauptlast der
264 Arbeit seit jeher auf den Schultern des nebenberuflichen,
265 ehrenamtlichen Miarbeiters, der im allgemeinen weder Zeit noch
266 Kraft zu einer theoretischen Durchdringung dieser zusätzlichen
267 Arbeit aufbringen kann. So bleibt nur die Heimvolkshochschule als
268 einzige im ländlichen Bereich von Anfang an auch mit
269 hauptamtlichen Kräften arbeitende Erwachsenenbildungsinstitution:
270 Hier aber ist der Praktiker in der Sphäre des Heimlebens
271 meist so völlig ausgelastet, daß eine literarische Tätigkeit
272 sich im allgemeinen auf eine gelegentliche Mitarbeit an
273 Zeitschriften beschränken muß. Es ist bezeichnend, daß Hudde
274 bei seiner Durchsicht aller seit 1885 im Gebiet des früheren
275 Deutschen Reiches erschienenen Dissertationen im Jahre 1958 nur
276 insgesamt drei Untersuchungen feststellen konnte, die sich mit
277 Fragen der Erwachsenenbildung auf dem Lande beschäftigen, und
278 zwar die Arbeiten von Paletta, Miller und Probst. Die
279 umfassendste und gründlichste Untersuchung ist die des aus Ulm
280 gebürtigen und 1945 in Berlin gefallenen H.-G. Miller,
281 der eine Übersicht über die ländlichen Heimvolkshochschulen
282 des deutschen Sprachgebietes in Europa etwa bis zum Jahre 1926
283 gibt. Etwas weiter führt eine Studie von Wilhelm über die drei
284 katholischen Bauernschulen Legienen in Ostpreußen, Schlauphof
285 in Schlesien und Sutthausen in Niedersachsen und die
286 interkonfessionelle Bauernschule Ittendorf in Südbaden, in der
287 er, anknüpfend an die mehr grundsätzlichen Ausführungen von
288 Löwenkamp, die pädagogische Zielsetzung und Arbeit dieser
289 Schulen ausführlicher dargestellt.
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