Quelle Nummer 418
Rubrik 10 : SPRACHE Unterrubrik 10.02 : SPRACHWISSENSCHAFT
UEBER SPRACHLEHRBUECHER
GOERG STOETZEL
UEBER DIE GRUNDLAGEN DER DEUTSCHEN SPRACHLEHRBUECHER
IN: LINGUISTIK UND DIDAKTIK, HEFT 3, 1. JG.
BAYRISCHER SCHULBUCH VERLAG MUENCHEN 1970, S. 165-
001 Georg Stötzel Über die Grundlagen der deutschen
002 Sprachlehrbücher (Fortsetzung). Die Ursachen der oben
003 aufgeführten typologischen Differenzen in der Verb
004 klassifikation und Satzklassifikation in den großen deutschen
005 Grammatiken werden erkennbar, wenn man neuere Theorien zur
006 Satzkonstitution heranzieht, die den Satz stufenweise bis zu den
007 kleinsten bedeutungstragenden Einheiten analysieren. Eine solche
008 Analyse auf der Grundlage der Wertigkeitstheorie hat Heringer im
009 ersten Heft dieser Zeitschrift vorgelegt, so daß wir uns alle
010 weiteren Einführungen ersparen können. Wenden wir operationale
011 Kriterien wie Kommutation, Permutation, Exklusion und
012 Dependenz auf die angeführten Beispiele an, dann erkennen wir
013 sofort den Grund der Diskrepanzen. Die Duden-Grammatik geht
014 in den oben angeführten grammatischen Beschreibungen implizit vom
015 Kriterium der Kommutation aus: als Objekt bzw.
016 Sinnergänzung bezeichnet sie nur bestimmte kommutierende Satzteile
017 (einschließlich des sogenannten Reflexivpronomens), was sich
018 natürlich auf die Satzklassifikation in sogenannte Grundformen
019 (nach Zahl und Kasus der Ergänzungen) auswirkt. Erben dagegen
020 rechnet auch bestimmte nicht-kommutierende Satzteile als
021 Ergänzungen, wodurch die oben genannten Unterschiede zur Duden
022 -Grammatik zustande kommen. Auch die bereits erwähnten
023 Unterschiede in der Wertigkeit der Witterungsverben bei Erben und
024 Brinkmann erklären sich daraus, daß das Kommutationskriterium
025 nicht beachtet wurde. Ebenso wie in er schämt sich das
026 Reflexivpronomen nicht im Sinn der Kommutation ausgetauscht werden
027 kann, kann das Pronomen in es taut, es friert, es schneit
028 nicht ausgetauscht werden. Wesentlich exakter als in der
029 Sachverhaltsbeschreibung der Duden-Grammatik (" das durch
030 diese Verben gekennzeichnete Geschehen zielt nicht auf ein Wesen
031 oder Ding außerhalb des Subjekts wie sonst bei einem
032 Akkusativobjekt ", 615) lassen sich die verschiedenen
033 Positionen des Reflexivpronomens bei echten und unechten reflexiven
034 Verben rein operational darstellen. Bei unechten reflexiven
035 Verben (wie lieben z.B.) gehören Reflexiv
036 pronomina und andere Personalpronomina offensichtlich zur
037 gleichen syntaktischen Position, woraus sich die Kommutationen
038 er liebt sie er liebt ihn er liebt sich und die in
039 bestimmten Kontexten möglichen Permutationen sie liebt er
040 ihn liebt er sich liebt er erklären. Bei echten
041 reflexiven Verben sind solche Kommutationen und Permutationen
042 nicht erlaubt: er schämt sich * er schämt sie * er
043 schämt ihn bzw. * sich schämt er Auch ist bei echten
044 reflexiven Verben die Kommutation mit Fragepronomina nicht erlaubt:
045 * wen schämt er (dagegen: wen liebt er?).
046 Dem sogenannten Reflexivpronomen kommt also bei echten und
047 unechten reflexiven Verben nicht die gleiche syntaktische Position
048 zu; bei den reflexiven Verben kann das sogenannte
049 Reflexivpronomen nur in Übereinstimmung mit dem Subjekt des
050 betreffenden Satzes kommutieren (ich schäme mich, du schämst
051 dich usw.; dagegen: ich liebe mich, ich liebe dich
052 usw.). Ebenfalls mit Hilfe der Kommutationsprobe -
053 einem operationalen Kriterium also - kann man nachweisen, daß
054 die Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben nicht auf
055 unterschiedliche Grundbedeutungen bzw. Sachkerne (Glinz) der
056 Präpositionen zurückgehen kann, da innerhalb der Ergänzungen
057 solche mit kommutierender und nicht-kommutierender Präposition
058 vorkommen (sie achtet auf ihren Teint gegenüber das
059 Bild hängt über:neben dem Regal). Diese
060 Operationalen Kriterien sind leider in den hier besprochenen
061 deutschen Gegenwartsgrammatiken nicht explizit formuliert worden,
062 was sich verunklärend eben auch auf die Schullehrbücher ausgewirkt
063 hat, wie wir unten zeigen werden. Was die Darstellung der
064 Satzstruktur in den deutschen Gegenwartsgrammatiken angeht, so
065 fehlt ebenfalls eine Explikation und Begründung der Unterschiede
066 z.B. zwischen der Duden-Grammatik und Erbens
067 Grammatik. Die Duden-Grammatik analysiert den Satz nach der
068 in der logischen Tradition stehenden Subjekt-Prädikat-
069 Einteilung in Konstituenten (s.o.). Daneben bietet sie
070 aber eine operationale Analyse in primäre Satzglieder (nach
071 Permutation um den finiten Prädikatsteil), die z.B. dem
072 Subjekt keine Sonderstellung einräumt. Erben dagegen begründet
073 die Stufung in seiner Satzstrukturgraphik mit der Stärke des
074 Zusammenhangs zwischen den betreffenden Satzgliedern und dem
075 " verbalen Aussagekern ". Allerdings wird die Art des
076 Zusammenhangs nur insofern erläutert als das jeweilige Verb Zahl
077 und Rektion der Ergänzungsbestimmungen festlegt, d.h. die
078 primären Satzglieder determiniert; unter diesem Gesichtspunkt
079 kann man die graphische Charakterisierung des Verbs als " r‚
080 gissant " des Satzes durchaus akzeptieren. Die weitere Stufung
081 kann allerdings so nicht begründet werden; auch die oben
082 angeführte Begründung Erbens, " die Satzglieder 2., 3.,
083 4.Grades sind den primären Satzgliedern attachiert und
084 normalerweise nur mit diesen zusammen im Satz zu verschieben "
085 trifft ja nicht zu. Offensichtlich können ja auch die Substantive
086 nicht ohne die entsprechenden Artikelformen permutiert werden, d.h.
087 der Zusammenhang zum Aussagekern müßte demnach für
088 Substantiv und Artikelform gleichstark sein. Schließlich ist der
089 Terminus " Satzglied " bei Erben mehrdeutig, wenn einmal -
090 nach der Permutationsprobe um die Satzachse - ganze Wortgruppen
091 einschließlich Artikel, Artribut usw. als " Satzglieder "
092 (z.B. " Subjekt ", " Objekt ") bezeichnet werden,
093 dann aber auch die Konstituenten dieser Satzglieder wiederum
094 " Satzglieder " (mit einem Hierarchieindex) heißen. Sollte das
095 Schema Erbens auf den Satzgliedstufen wirklich Relationen der
096 Unterodnung abbilden (wie es die oben zitierten Hinweise Erbens
097 auf TesniŠre nahelegen), dann müßte der Begriff der
098 Dependenz expliziert werden. Nimmt man Dependenz zwischen zwei
099 Teilen des Satzes dann an, wenn sie sich nicht exkludieren, aber
100 nur einer von ihnen allein im Satz stehen kann, dann kann man
101 operational (mit einer Art Glinz'scher Weglaßprobe) Dependenz
102 bestimmen. Dependenz besteht dann aber nicht zwischen dem
103 Prädikat und den Ergänzungsbestimmungen, da beide in sogenannten
104 vollständigen Sätzen notwendig sind, ebenso nicht zwischen
105 Artikelformen (einschließlich des sogenannten Possessivpronomens)
106 und zugehörigen Substantiv, sondern nur zwischen den
107 attributiven Satzteilen in Erbens Schema und ihren Bezugsgrößen
108 (Besitzer - achtzigjährig; achtzigjährig - fast usw.).
109 Permutation und Dependenz müßten also in den deutschen
110 Gegenwartsgrammatiken erst einmal explizit definiert und somit
111 scharf getrennt werden, damit die Kriterien für bestimmte
112 Darstellungen der Satzstruktur kontrollierbar und vergleichbar
113 werden. Zum Schluß soll gezeigt werden, inwiefern diese
114 sprachwissenschaftliche Diskussion auch für die Schullehrbücher
115 relevant ist. Schulbuchautoren behaupten in Vorworten von
116 Grammatiklehrbüchern sehr oft, sie hätten nur wissenschaftlich
117 Gesichertes als Lernstoff aufgenommen. Das bedeutet in den
118 meisten Fällen aber nicht, daß eine kritische Sichtung der
119 linguistischen Diskussionsbeiträge stattgefunden hat, sondern daß
120 man sich einer Autoritätenmeinung angeschlossen hat. Da aber die
121 Autoritätenmeinungen z.B. für das Deutsche differieren,
122 sind solche Differenzen - etwa unterschiedliches Verständnis
123 gleichlautender lateinischer Satzgliedtermini - auch in den
124 Schullehrbüchern zu beobachten. Das gleiche gilt in Bezug auf
125 die Nichtbeachtung operationaler Kriterien. Dies soll an
126 Beispielen gezeigt werden. Die herangezogenen Schullehrbücher
127 stammen aus verschiedenen pädagogischen Verlagen; sie sind
128 ansonsten zufällig ausgewählt und sollen keineswegs insgesamt
129 kritisiert werden. Daß sie überhaupt zitiert werden, ist nur in
130 der wissenschaftlichen Dokumentationspflicht begründet. Man kann
131 sicher sein, daß alle anderen grammatischen Schullehrbücher
132 ähnliche Probleme erkennen lassen. Aufgrund der bisherigen
133 Erörterung ist zu erwarten, daß die Verben mit kommutierendem
134 bzw. nicht-kommutierendem Reflexivpronomen einen kritischen
135 Testfall für Schullehrbücher darstellen. So beschreibt z.B.
136 Alfred Hoppe echte und unechte reflexive Verben (im Sinne
137 der Duden-Grammatik) in gleicher Weise, indem er das
138 Reflexivpronomen als motivierten Terminus interpretiert: " Da
139 durch dieses Pronomen die Handlung auf das Subjekt
140 zurückgebogen (Sperrung v.m.) wird, heißt dieses
141 Reflexivpronomen " (39). Sowohl für Sätze wie
142 das Fenster öffnet sich als auch der Skorpion tötet sich
143 selbst behauptet Hoppe " die Handlungsrichtung wendet sich auf
144 den Handelnden zurück " bzw. " die Handlungsrichtung zielt
145 auf das Objekt "; doch kann man durch die oben besprochenen
146 Permutationsproben (* sich öffnet das Fenster, aber
147 das Fenster öffnet der Schaffner, Hoppe 28) bzw. mit
148 Hilfe der Kommutationsprobe mit dem Fragepronomen (* wen
149 öffnet das Fenster?, aber wen oder was öffnet der
150 Schaffner?) leicht nachweisen, daß im Falle von sich
151 öffnen nicht das transitive Verb öffnen vorliegt;
152 Hoppe schreibt aber zum Satztyp das Fenster öffnet sich:
153 " Zum Subjekt gehört notwendig ein transitives
154 (Sperrung v,m.) Verb, das notwendig ein das Subjekt
155 meinendes Pronomen bei sich hat (Reflexivpronomen) " (29).
156 Da die Satzgliederfragung auf das nicht-kommutierende
157 Reflexivpronomen nicht anwendbar ist, da ferner alle angeführten
158 Beschreibungen Hoppes auf echte reflexive Verben (im Sinne der
159 Duden-Grammatik) nicht zutreffen, käme jeder Lehrer in
160 Verlegenheit, wenn er Verben wie sich schämen, sich zieren,
161 sich verschlucken mit Hilfe dieses Schullehrbuchs beschreiben
162 sollte. Vielleicht rührt das Unbehagen der Schüler am
163 Grammatikunterricht vom Unbehagen des Lehrers her, der merkt,
164 daß die ihm zur Verfügung stehenden Lehrmittel
165 sprachwissenschaftlich unzureichend und in Bezug auf die
166 Beschreibung von Sprachfakten unvollständig sind. Leider ist
167 auch in Lehrbüchern, die sich als reformerisch bezeichnen, eine
168 Vermischung von operationalen und logisierenden Kriterien bei
169 Satzglieddefinitionen festzustellen. So findet sich z.B.
170 in Wolf-Dietrich Jägels Deutscher Sprachlehre eine
171 problematische Darstellung der unpersönlichen Verben, die das
172 nicht-kommutierende Pronomen es aufweisen (es
173 regnet, es taut, es schneit). Diese Ausdrücke stellen
174 einen kritischen Fall für die Subjektdefinition dar. Wir
175 zitieren aus dem betreffenden Kapitel Jägels: " Das
176 Subjekt (Der Satzgegenstand) Das Subjekt ist das
177 Satzglied, von dem etwas ausgesagt[! ], von dem etwas
178 erzählt wird. Das Subjekt antwortet immer auf die Frage "
179 wer? " oder " was? "[! ]und steht immer im
180 Nominativ. " " Das Es als Subjekt:
181 Unpersönliche Verben, wie " es donnert ", und unpersönlich
182 gebrauchte, wie " es läutet ", " es wird gearbeitet ", haben "
183 Es " als Subjekt[! ]. Dieses " Es " ist aber nicht
184 der Gegenstand[! ], von dem etwas ausgesagt wird. Das
185 gedankliche[! ]Subjekt ist vielmehr das Donnern, Läuten
186 und Arbeiten; dessen Vorhandensein wird durch den angeführten
187 Satz festgestellt. " Auch hier sind alle durch hinzugefügte
188 Ausrufezeichen gekennzeichnete Aussagen Jägels widersprüchlich:
189 die Gleichsetzung von Subjekt und Satzgegenstand in der
190 Titelzeile wird angesichts der unpersönlichen Verben aufgehoben:
191 das operationale Kriterium, daß das Subjekt " immer " durch
192 " wer? " oder " was? " erfragbar sei (d.h. mit dem
193 Fragepronomen kommutiert), trifft ebenfalls nicht zu (* " wer
194 donnert? - Es! ", * " wer wird gearbeitet? "). Dem
195 operational definierten Subjekt (antwortet auf die Frage " wer? "
196 oder " was? " bzw. kommutiert mit dem Fragepronomen) wird
197 plötzlich ein Subjekt im Sinne eines Gegenstandes der
198 Aussagenlogik gegenübergestellt. In ein ähnliches Dilemma
199 gerät Jägel bei der Definition des Prädikats angesichts der
200 sogenannten Kopulaverben (" werden, scheinen, bleiben, heißen ",
201 131): " Die ältere Grammatik erkannte diesen Verben
202 lediglich die Rolle eines Satzbandes zu und nannte sie "
203 Kopula ". Auch sagte man: das Adjektiv oder das
204 Substantiv wird " prädikativ " oder als Prädikatsnomen
205 gebraucht. Neuere Auffassungen (siehe Duden) sehen jedoch die "
206 Kopula " als echtes Prädikat an und erkennen den zweiten
207 Nominativ (" Karl ist ein Bäcker ") als
208 selbständiges Satzglied an, als Gleichsetzungsnominativ "
209 (131). Jägel verschweigt hier sowohl die logisch orientierten
210 Kriterien der " älteren Grammatik " wie auch die Kriterien der
211 Duden-Grammatik. Nur unter bestimmten Voraussetzungen (d.h.
212 bei Anwendung bestimmter " Echtheitskriterien ") kann
213 man von " echt " bzw. " unecht " sprechen: In diesem Fall
214 sind es sicherlich implizierte operationale Kriterien wie
215 Kommutation, Exklusion, Permutation, da sich in dieser
216 Hinsicht die sogenannten Kopulaverben genauso verhalten wie die
217 sogenannten Vollverben. Ohne Angabe der Kriterien für
218 unterschiedliche Klassifikationen aber erscheinen Jägels
219 Beschreibungen nur als Autoritätenzitation und nicht als
220 wissenschaftlich fundierter Fortschritt. Im Detail wesentlich
221 gesicherter sind Schullehrbücher, die von mehreren Autoren
222 geschrieben wurden bzw. deren Bearbeiter mit nur geringer
223 Verzögerung neuere sprachwissenschaftliche Theorien rezipiert
224 haben. Dies gilt zum Beispiel für die Reihe " Deutsche
225 Spracherziehung " von Rahn-Pfleiderer. So zeigt sich z.B.
226 in dem unter Leitung von K. Beilhardt entstandenen
227 Oberstufenband der " Deutschen Spracherziehung " an
228 verschiedenen Stellen die Rezeption von Ansätzen zur
229 Wertigkeitstheorie (z.B. 65, 68 in Anlehnung an K.
230 Bühler auch in Bezug auf Leerstellen bei Adjektiven).
231 Allerdings macht sich hier ein Problem der Lernstofforganisation
232 bemerkbar. Die einzelnen beschriebenen Regularitäten bzw.
233 Funktionsbeschreibungen stehen nicht " in einem systematisch
234 begründeten Zusammenhang, wie es bei der fortschreitenden
235 Satzanalyse bis hin zur Stufe der kleinsten bedeutungstragenden
236 Konstituenten gegeben wäre. Vielmehr werden z.B. bei der
237 Behandlung der Wortarten Etymologie, Sprachvergleich,
238 syntaktische und logische Beschreibungen verschiedener Autoren und
239 eine Menge operationaler Aufgaben nebeneinander geboten. (61 ff.)
240 Die übrigen Lehrbücher derselben Reihe weisen aber
241 ebenfalls die oben besprochenen Schwächen auf. Der
242 Einführungsband bezieht zwar schon - aufgrund von
243 Auslassungsproben - " notwendige Umstandsbestimmungen " als
244 Ergänzungen zum Verb in seine Typologien ein und kommt so zu
245 einer sehr differenzierten Verbtypologie; das aber z.B.
246 das vorgeschlagene Verfahren (18) zur Subjekterfragung durch "
247 wer? " oder " was? " bei unpersönlichen Verben nicht
248 zutrifft, bleibt unvermerkt, weil Verben mit nicht-
249 kommutierendem Pronomen erst im 3.Band erwähnt werden. Hier
250 wird zwar gesagt, das als Subjekt fungierende Wort bezeichne den
251 Geschehensträger (37); dennoch wird das es in es
252 donnert als Subjekt bezeichnet (38), obgleich es "
253 überhaupt keinen Inhalt mehr " (43) habe. Hier würden also
254 ebenfalls operationale Kriterien eine wesentlich schlüssigere
255 Darstellung ermöglichen. Was die Satzanalyse angeht, so macht
256 sich in allen Schullehrbüchern bemerkbar, daß über die Funktion
257 grammatischer Analysen und ihren Ausbildungswert kaum hinreichend
258 reflektiert wird und daß die Art der jeweiligen Analyse nicht
259 theoretisch begründet wird. Das erste Problem kann in unserm
260 Zusammenhang nicht behandelt werden: bedenkenswert ist aber, daß
261 man bei der Erarbeitung von Lehrplänen sich zu fragen beginnt, ob
262 man die traditionellen Grammatikkurse in den Klassen 5 und 6
263 überhaupt beibehalten soll. Wenn aber schon - und von dieser
264 Situation gehen wir ja in unserm Aufsatz aus - grammatische
265 Analysen als Lernstoff vermittelt werden sollen, dann sollte
266 dieser nicht in isolierten Beschreibungen irgendwelcher
267 Sprachfakten bestehen. Bisher ist es aber noch so, daß alle
268 Schullehrbücher sich nicht auf eine theoretisch begründete
269 Analyse - etwa auf eine operationale Konstituentenanalyse - und
270 auf einheitliche Kriterien beschränken. So finden sich zum
271 Beispiel in Schullehrbüchern neben morphologischen
272 Kasusbeschreibungen auch solche, die die Kasusterminologie als
273 motiviert interpretieren, als Ausdruck der Zuwendung, der
274 Teilhabe usw. Das gleiche gilt für Satzglieder und Sätze:
275 neben der Charakterisierung des Subjekts anhand von Kasus,
276 Numerusdetermination für das finite Verb usw. steht immer auch
277 eine logisch orientierte, die das Subjekt als Argument
278 (Gegenstand, über den etwas ausgesagt wird) im Sinne der
279 logischen Tradition charakterisiert: neben einer Satztypologie
280 nach quantitativer und qualitativer Wertigkeit (siehe Heringer,
281 besonders 22 und 24) findet sich immer auch eine, die zwischen
282 Handlungssätzen und Vorgangssätzen unterscheidet;
283 neben einer Definition des Satzes aufgrund notwendiger
284 Konstituenten steht auch immer eine solche, die den Satz als
285 Ausdruck eines vollständigen Gedankens oder Sachverhalts "
286 definiert " (wobei für die Begriffe " vollständiger Gedanke
287 " bzw. " Sachverhalt " schwerlich eine exakte, nicht
288 sprachbezogene Definition möglich sein dürfte).
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