Quelle Nummer 417
Rubrik 33 : BELLETRISTIK Unterrubrik 33.07 : HUMOR
HERBERT ROSENDORFER
HERBERT ROSENDORFER'S AECHTES MUENCHNER OLYMPIA-
BUCH
BIEDERSTEIN VERLAG MUENCHEN 1971, S. 104-
001 Kulinarische Sportarten als da sind: Knödelessen,
002 Schmalzlerschnupfen, Maßkrugstemmen. Die Krönung der
003 geselligen Sportarten sind ohne jeden Zweifel die kulinarischen.
004 Das kommt wohl daher, daß biologisches Gleichgewicht herrscht,
005 wenn sie ausgeübt werden. Beim Kegeln, ja selbst beim
006 Kartenspielen - von den Frischluftdisziplinen gar nicht zu reden
007 - wird durch Anstrengung und Aufregung Kraft vom Körper
008 abgezogen. Beim Maßkrugstemmen, beim Knödelwettessen führt
009 jede Anstrengung durch sich selber die aufgewendete Kraft
010 unverzüglich dem Körper wieder zu. Es geht nichts verloren.
011 Dem Bayern als grundkonservativem Menschen, der der Arbeit
012 zutiefst abhold ist, ist es immer darum zu tun, daß nichts
013 verkommt! Dem aus Geschäftigkeit rotierenden Preußen, dem die
014 Arbeit einzige Lebensbestätigung ist, macht es nichts aus, daß
015 einmal etwas verloren geht. Er schafft es sich neu, womöglich
016 besser als vorher. Der Bayer, der - wie wir oben schon einmal
017 gesagt haben - nicht eigentlich faul ist, aber die Arbeit als
018 Ausnahme ansieht, der Bayer ist darauf angewiesen, sich das zu
019 erhalten, was er sich einmal erarbeitet hat. Voraussetzung für
020 das biologische Gleichgewicht bei den kulinarischen Sportarten ist
021 dazu noch, daß es schmeckt. Theoretisch könnten auch Preußen
022 ein - sagen wir: Butter-Bemmen-Wett-Essen
023 veranstalten. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß die tüchtigen
024 Preußen in Rekordzeit waggonweise Butter-Bemmen oder
025 Salzheringe in Sahne oder Nudeln mit Marmelade oder sonst ein
026 Preußen-Gericht verdrücken. Bei ihnen bliebe aber das
027 biologische Gleichgewicht aus, weil ihnen das Butter-Bremmen
028 -Essen im Sportfalle als eine reine Anstrengung nicht schmeckte.
029 Ob der Preuße Kugel stößt oder einen Salzhering ißt, ist
030 dasselbe. Es zieht Kraft ab. Das Geheimnis ist natürlich,
031 daß die Preußen überhaupt nicht gern essen, und das kommt daher,
032 daß sie nicht gern leben; was aber wiederum verständlich ist,
033 denn wer lebt schon gern als Preiß. Wenn ein Preiß daher einem
034 Knödelwettessen in Tittmoning, einer Weißwurstolympiade in
035 Peißenberg oder einer Leberkäskonkurrenz in Krün zuschaut,
036 wenn er da zuschaut, wie die Matadore 80 kindskopfgroße
037 Semmelknödel, 140 Weißwürste oder 10 Pfund Leberkäs
038 verdrücken, so wendet er sich nur scheinbar mit Grausen. In
039 Wirklichkeit neidet er ihnen, daß es ihnen schmeckt, wenn er an
040 seine Magenfüllung mit Griebenwurst und süßen Bohnen denkt.
041 Der bayrische Sporthistoriker Leo Zwirnsteiner hat ein Büchlein
042 herausgegeben, das in anschaulicher Form die Entwicklung aller
043 Rekorde in Bayern schildert. Es hat den anspruchslosen Titel
044 " Sportliches Bayern " und ist im Kintisch-Verlag in
045 Rosenheim erschienen. Ihm entnehme ich die folgenden Angaben:
046 Das erste urkundlich belegte Knödelwettessen fand 1742 anläßlich
047 der Kaiserwahl Karls 7.Albrecht, des letzten Wittelsbachers
048 auf dem Römischen Kaiserthron, in Pfaffenhofen an der Ilm statt.
049 Der kurfürstliche Regiments-Prosektor Kajetan
050 Rabensteiner stellte einen Totenschein für einen gewissen
051 Kronwieser Aloysius aus, in dem es heißt: " Kronwieser
052 Aloysius, Gschwendterbauernsohn allhier, im 27.Jahr seynes
053 Alters, Sohn des Kronwiesers Antoni und dessen Ehegemahlin
054 Anna, gebürtige Lambrecht von Polykarpszell, verstarb am
055 heurigen 1742.Jahr am Tage Pauli Bekehrung, nachdem er 46
056 Knödel gegessen, welche Menge biß anitzo in gantz Baiern
057 unerhört ist. " Dieser Rekord, der freilich nicht als
058 sportoffiziell im heutigen Sinn gilt, wurde erst im Jahr 1825
059 eingestellt, als der " ledige Taglöhner Ignatz Moosrainer,
060 römisch-katholisch, 42 Jahre alt, ein Leumund konnte nicht
061 eingeholt werden " vom kgl. Amtsgericht Tegernsee zu einer
062 Gefängnisstrafe von 2 Monaten verurteilt wurde, weil er in der
063 " Post " in Weißach 46 - also soviel wie damals der Kronwieser
064 Aloys - Knödel auf betrügerische Art und Weise gegessen hatte,
065 nämlich nachdem er dem Wirt durch geschickte Großmäuligkeit
066 seine Zahlungsfähigkeit vorgespielt. In Wirklichkeit hatte der
067 Taglöhner Moosrainer keinen roten Heller bei sich. Die erste
068 offizielle Knödelkonkurrenz fand dann 1906 in München statt. Im
069 " Zacherlgarten " am Mariahilf-Platz aß unter lebhafter
070 Beteiligung des Publikums und unter den Augen von vier streng
071 neutralen, vereidigten Schiedsrichtern der Fuhrmann Karl
072 Heilmannseder 62 und einen halben Knödel. Zweiter wurde der kgl.
073 Gerichtsschreiber Ludwig Vierthaler, der es auf 59, dritter
074 der Taschnergeselle Maximilian Loibl, der es auf 57 Knödel
075 brachte. Maximilian Loibl war es dann, der durch eisernes
076 Training seine Kondition so weit erhöhen konnte, daß er zwei
077 Jahre später, 1908, im Gau-Knödelessen in Ismaning 71 und
078 1914 beim letzten Wettessen, bevor der große Hunger kam, sogar
079 73 Knödel verdrückte. Loibl hatte damals einen Leibesumfang von
080 nahezu 2 Metern. Er konnte nur noch im Sitzen schlafen, weil er
081 sich im Liegen selber erdrückt hätte. Wie so viele
082 Sportgrößen geriet auch der Loibl Max, nachdem seine Zeit
083 vorbei war, in Vergessenheit. Er starb verkümmert und hochbetagt
084 1965 im Altersheim St. Joseph in München, wog nur noch 110
085 Kilo, hielt allerdings bis kurz vor seinem Tod die Altersheim-
086 Hausbestleistung mit 12 Schüsseln Birchermüsli pro Mahlzeit.
087 Erst nach seinem Tod erinnerte man sich an den Knödel-
088 Matador, und seit 1967 wird alljährlich das von den Pfanni-
089 Werken gestiftete Maximilian-Loibl-Gedächtnisessen
090 abgehalten. Wieweit bei aller Überpreußung Münchens das
091 Sportessen doch Domäne der angestammten Bevölkerung geblieben
092 ist, zeigen dem Kundigen die Namen der Jahressieger: 1967
093 Benno Hauzenberger (82 Knödel; 1968 Luitpold Zangl (84
094 Knödel); 1969 Benedikt Pieger (85 Knödel); 1970 Alois
095 Graf von Haidhausen (92 Knödel); 1971 wiederum Luitpold
096 Zangl (101 Knödel). Luitpold Zangl, ein heute
097 29jähriger Athlet, ist kein einseitiger Sportler. Neben seinen
098 Triumphen im Knödelessen hat er den Titel des Landesmeisters in
099 der Sparte Leberkäs (16 Pfund in 2:21,4 Stunden mit
100 44 remischen Weckerl) und den eines Vizemeisters im Weißwurst
101 -Marathon. Dieser Wettstreit erstreckt sich über einen ganzen
102 Tag. Zangl brachte es im Lauf des Tages auf 844 Weißwürste.
103 Er trainiert zur Zeit mit großer Härte unter Anleitung des
104 ehemaligen Rindfleisch-Weltmeisters Ludwig Salvermoser und
105 hofft im Olympia-Jahr 1972 die Traumgrenze von 1000
106 Weißwürsten zu erreichen. Eine speziell bayrische
107 Sportdisziplin ist das Schmalzlerschnupfen. Schmalzler ist -
108 grob gesprochen - Schnupftabak, aus feingeriebenen
109 Tabakblättern hergestellt und ursprünglich (daher der Name) mit
110 Schweineschmalz versetzt. Zwei Firmen, eine in Landshut, eine
111 in Regensburg, stellen Schmalzler her. Die Herstellung wurde
112 natürlich verfeinert, die Fette, die anstelle des
113 Schweineschmalzes getreten sind, werden als Betriebsgeheimnis
114 gehütet; außerdem gibt es Aromazusätze und
115 neuderdings auch Mentholzusätze (die allerdings der echte
116 Schmalzlerschnupfer verschmäht). Die Schmalzlersorten heißen:
117 " Brasil ", " Doppelaroma ", " Fresko F ", " Fresko
118 FF ", und " Schmalzler A mit Brasilaroma " usw.. Beim
119 Schmalzler-Wettkampf geht es darum, in einer Minute
120 möglichst viel Tabak zu schnupfen, wobei es auch eine Bewertung
121 für Sauberkeit gibt. Es wird in Einzelwertungen und
122 Mannschaftswertungen gekämpft, und das Ganze geht so vor sich,
123 daß der Wettschnupfer ein weißes " Paverl " erhält (einen
124 Umhang aus Stoff oder Papier, der auch noch den Tisch vor dem
125 Kämpfer bedeckt), 5 Gramm Schnupftabak von dem Schiedsgericht
126 eingewogen bekommt und dann konzentriert auf das Kommando " Dosen
127 auf "! wartet. Nach diesem und einem entsprechenden weiteren
128 Kommando darf er zu schnupfen anfangen. Pro 0,1 g
129 geschnupften Schmalzlers erhält der Wettkämpfer einen Punkt
130 (also 50 mögliche Punkte), dazu bis zu 20 Punkte für Sauberkeit
131 - bewertet nach Augenschein durch den Schiedsrichter -, d.h.
132 das Gesicht soll nicht verschmiert, kein Tabak verschüttet
133 sein. Disqualifiziert wird 1., wer Schnupftabakbrösel
134 außerhalb des Paverls verliert, 2., wer vom Paverl schnupft,
135 und 3., wer niest. Die letzte Wettbewerbsbestimmung hat noch
136 nie Bedeutung erlangt denn ein Wett-Schmalzler würde selbst
137 auf Rein-Pfeffer nicht einmal mit einem Tränen der Augen
138 reagieren. Wer 48 Punkte für die geschnupfte Menge und 18-19
139 Punkte für Sauberkeit erzielt, ist ein Schmalzlermatador, wie z.B.
140 der Öfele-Wirt von Schrobenhausen, der mehrmals
141 Deutscher Meister war. Selbstverständlich gibt es auch
142 Biertrink-Wettbewerbe. Das aber sind Entartungen. Was beim
143 Leberkäs, bei den Knödeln und beim Schmalzler noch recht ist,
144 ist beim Bier nicht mehr billig. Natürlich wird auch Bier in
145 in großen Mengen getrunken, aber der echte Bayer trägt
146 diesen Wettstreit allein mit sich selber aus. Schon das Wett-
147 Rosenkranzbeten (Jahressiegerin 1971 in Altötting mit 14,6
148 schmerzhaften und 29,1 glorreichen Rosenkränzen in der Stunde
149 war die verwitwete Aushäuslerin Kreszenzia Zachkorn aus
150 Fricklhofen knapp vor der Schwester Januaria Bocksleitner,
151 Pförtnerin des Salesianerinnenklosters in Mauerberg) hat für
152 den frommen Bayern einen Stich ins Fragwürdige. Ein Bier zu
153 trinken, um die Sportlust zu stillen, erscheint als eine Sünde
154 wider den Geist, den bayrischen Geist natürlich. Man sagt sehr
155 häufig, Bier sei für den Bayern kein Getränk, sondern ein
156 Nahrungsmittel. Man beruft sich dabei auf die gängigen
157 Einlassungen bayrischer Verkehrssünder, die vor Gericht bekunden:
158 " Naa - naa, Alkohol hab i koan trunga, bevor i Auto
159 g'fahrn bin. Was Moanan's, Herr Richter? Bier? Bier hab i
160 scho trunga, aber koan Alkohol net ". Bier ist kein Getränk,
161 Bier ist auch kein Nahrungsmittel: Bier ist der kosmische
162 Lebenssaft, in dem das bayrische Wesen schwimmt. Um so
163 unwahrscheinlicher klingt es, daß früher, im Mittelalter, und
164 noch bis herauf ins 16., 17.Jahrhundert, München als eine
165 Weinstadt berühmt war. Die zentrale Straße, die vom
166 Marienplatz nach Norden zum Schwabinger Tor führte (das es
167 schon längst nicht mehr gibt), eine der ersten Straßen
168 Münchens, die einen Namen erhielt, heißt nicht Bier
169 straße, sie heißt heute noch Weinstraße. Eine Bierstraße
170 gibt es in München nicht, ganz einfach deshalb, weil man, würde
171 eine spezielle Straße Bierstraße genannt, allen anderen
172 Straßen Unrecht zufügte. Entweder wandelte sich der
173 Weingeschmack der Münchner oder es änderte sich der Wein. Im
174 18.Jahrhundert sagte der kurbayrische Staatskanzler und
175 Konferenzminister Aloysius Xaverius Wiguläus Reichsfreiherr von
176 Kreittmayr mit Bezug auf den bayrischen Wein: " Oh du
177 glückseliges Bayern! Der Essig, der anderwärts mit viel
178 Mühe gewonnen werden muß, wächst bei dir bereits auf dem
179 Rebstocke ". In knapp über einhundert Jahren stand Bayern im
180 Bierkonsum obenan. 1895 betrug der Verbrauch pro Kopf der
181 Bevölkerung in München 566 Maß (in Moskau 28), es folgte
182 Ingolstadt mit 521 Maß. Hut ab vor den Ingolstädtern! In
183 absolute Zahlen umgerechnet ergibt das eine stolze Summe.
184 Ingolstadt hatte damals einschließlich der Garnison (2 1 (math.Op.) 2
185 Bataillone des kgl. bayr. Infanterieregiments Nr. 10,
186 " Prinz Ludwig ", des Infanterieregiments Nr. 13, " Kaiser
187 Franz Joseph von Österreich ", eines Trainbataillons Nr. 1,
188 eines Bataillons des 1.Fußartillerie-Regiments " Graf
189 Bothmer " und eines Pionierbataillons), einschließlich der 2
190 498 Protestanten und 80 Juden eine Einwohnerzahl von 17 646
191 Seelen. Das ergibt einen Bierkonsum von 9 193 566 Liter pro
192 Jahr. Wie gewaltig das ist, kann man ermessen, wenn man weiß,
193 daß die damalige 2 1 (math.Op.) 2-Millionen-Stadt Paris nur
194 knapp das Dreifache, nämlich 27 Millionen Liter Bier im Jahr
195 hinunterspülte. Seit 1945 haben sich die Bierkonsumgewohnheiten
196 in Bayern merklich geändert. Vor dem Krieg trank man hier fast
197 ausschließlich dunkles Bier, das helle machte einen verschwindend
198 geringen Prozentsatz aus. Heute ist es umgekehrt, und die
199 Tendenz ist so, daß eines Tages das eigentlich angestammt
200 bayrische, das würzigere, vollmundige (aber wohlgemerkt! nicht
201 süße) dunkle Bier vollends verschwunden sein wird. Es gibt
202 heute mit Ausnahme der großen Bierkeller kaum noch Gaststätten
203 in München, die dunkles Bier vom Faß ausschenken. Meistens
204 heißt es: " Helles vom Faß, ja, Dunkles leider nur in
205 Flaschen. " Vor diese Wahl gestellt, greift man dann doch meist
206 zum Hellen, und so lohnt es für die Wirte immer weniger, ein
207 ganzes Faß Dunkles anzuzapfen, weil sie sehen, daß immer mehr
208 Helles getrunken wird. Der Bayer führt diese Tendenz natürlich
209 auf den Einfluß der Preußen zurück. Zwar ist nicht zu leugnen,
210 daß man in Preußen auch Getränke kennt, die unter der
211 Bezeichnung " Bier " kursieren. Ja, es ist nicht einmal zu
212 bestreiten, daß diese norddeutschen obergärigen
213 Gerstenverschnitte eine ziemlich alte Tradition haben. Aber
214 erstens unterliegen diese Biere nicht dem Herzoglichen
215 Reinheitsgebot von 1516 (das ist das älteste uns bekannte
216 Lebensmittelgesetz; es besagt, daß bayrisches Bier nur aus
217 Gerste, Hopfen und Wasser ohne jeden weiteren Zusatz bestehen
218 darf), und zweitens wird dieses sogenannte Bier da aus so
219 verächtlichen Gemäßen wie Drittelliter-Tulpen
220 oder viertelliter-Tulpen getrunken. Aus solchen Gläsern
221 trinkt der Münchner Schnaps. Zum Bier gehört die Fülle.
222 Bier ist ein - im WortSinn und übertragenen Sinn -
223 überschäumendes Getränk, Bier ist eine pralle, barocke
224 Angelegenheit, die sich nicht in preziösen Gläsern abtun läßt.
225 Bier ist ein Gesamterlebnis. Der Bayer, um es hier noch
226 einmal zu sagen, hat eine große Neigung zum Totalen, zur Fülle,
227 zum Barock. Wie das bayrische Wesen zwar nicht den barocken
228 Baustil erfunden, aber in diesem Stil eine dem bayrischen Wesen
229 unglaublich angemessene Ausdrucksweise gefunden hat (was dazu
230 führte, daß in einem Zeitraum von nicht mehr als 150 Jahren eine
231 schier unübersehbare Zahl von barocken Bauwerken, hauptsächlich
232 Kirchen, erstellt wurde, ohne Not, nur so, aus Freude am
233 Baustil), so hat der Bayer im Bier einen adäquaten Kanal für
234 seine barocke Lebensfreude bekommen. - Der Preuße hält das
235 dunkle Bier für Süßbier. Selbstverständlich würde auch ein
236 Bayer süßes Bier ablehnen, aber der Preuße hat überhaupt nie
237 versucht, ein dunkles Bier zu trinken. Na ja, wer weiß,
238 wofür's gut ist - sagt der Bayer. Verschwindet eben das dunkle
239 Bier, ist so vieles hinuntergeschwemmt worden! Hat alles seine
240 zwei Seiten! Vielleicht ist es eine Strafe Gottes, daß das
241 bessere, dunkle Bier abkommt. Vielleicht will Gott verhindern,
242 daß die Nachkommen der heutigen bayrischen Bevölkerung
243 (Preußenbastarde?) in den Genuß altbairischen Wesens kommen.
244 Gehalten haben sich neben dem Hellen lediglich das Weißbier (das
245 anstatt aus Gerste aus Weizen gebraut wird) und die speziellen
246 Starkbiere und Bockbiere, nämlich die Wiesenbiere und
247 die Märzenbiere, von denen der Salvator der Paulanerbrauerei das
248 berühmteste ist. Wir haben eingangs bereits gesagt, daß zwar
249 Knödelessen, Schmalzlerschnupfen und Rosenkranzbeten in Bayern
250 sportiv betrieben werden können, nicht aber das Biertrinken. Das
251 ist vielleicht dahingehend einzuschränken, daß das Biertrinken
252 nicht wettkampfmäßig entweiht werden darf. Dagegen gilt
253 das Maßkrugstemmen als beste Kräftigung der Armmuskulatur. Als
254 ungesund wird angesehen, wenn man mehr Bier trinkt, als man unter
255 Aufbietung aller Kräfte in sich hineinbringt. Die Frühjahrs
256 -Starkbiere gelten, da sie bei manchen Leuten Durchfall
257 hervorrufen, als blutreinigend. Mancher Arzt, der sich bei
258 seinen Patienten einschmeicheln will, verschreibt sogar so eine
259 Blutreinigungskur. Davon allerdings, daß die Krankenkassen
260 solche Kuren ersetzt hätten, hat man noch nichts gehört. Aber
261 wie fast überall seit dem Krieg, sitzen auch in den Krankenkassen
262 die Preußen obenauf und verhindern die natürliche Gesundung des
263 Restes der Reservat-Bayern, der noch in München lebt.
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