Quelle Nummer 408
Rubrik 33 : BELLETRISTIK Unterrubrik 33.06 : KINDERBUECHER
PETER HAERTLING
...UND DAS IST DIE GANZE FAMILIE
TAGESABLAEUFE MIT KINDERN
GEORG BITTER VERLAG RECKLINGHAUSEN 1970
(VON ANFANG AN) (OHNE SEITENZAEHLUNG)
001 Der Fabian geht schon in die Schule. Manchmal muß ich
002 um acht und manchmal später in die Schule. Ich trinke am Morgen
003 nicht gerne Kakao. Meine Mama fährt mich und Jens zur Schule,
004 oder die Mama von Jens nimmt uns im Auto mit. Herr Schimpf ist
005 mein Lehrer. Gestern haben wir ELLI geschrieben und Äpfel
006 zusammengerechnet. Ich mache meine Aufgaben nicht gleich nach dem
007 Essen, obwohl es die Mama wünscht. Ich spiele erst. Wir
008 spielen Krieg. Der Jan ist stärker als ich. Der Marc ist
009 gleich stark wie ich. Die Friederike hat mir gestern Popcorn
010 weggenommen. Ich verwechsle immer gestern mit morgen. Der Papa
011 versucht mir zu sagen, wann gestern war und wann morgen ist. Das
012 lerne ich langsam. Mir wackelt ein Zahn. Mein Papa kommt nach
013 Hause und schimpft, weil der Clemens an die Wand in seinem
014 Zimmer gemalt hat. Ich bitte ihn, er soll mir vorlesen, aber er
015 sagt, ich bin müde. Mein Papa erzählt der Mama von Männern,
016 mit denen er Mittag gegessen hat. Sie waren in einer
017 Gastwirtschaft. Wir haben heute Rosenkohl gegessen. Der
018 Clemens ist hingefallen. Ich frage die Mama, warum es so früh
019 dunkel wird. Sie sagt, es ist Winter, sie sagt, die Sonne hat
020 sich verschoben. Ich weiß nicht recht, warum die Sonne sich
021 verschoben hat. Es ist auch kalt. Ich habe meinen Anorak
022 zerrissen. Ich gehe gern schlafen. Vor dem Schlafengehen male
023 ich oft ein Bild. Gestern habe ich ein Bild gemalt von der Mama,
024 von mir und vom Clemens. Die Friederike habe ich vergessen.
025 Ich möchte Daktari im Fernsehen sehen. Mama sagt, das kommt
026 erst am Samstag. Samstag ist in drei Tagen. Papa schaltet das
027 Fernsehen aus. Er sagt, immer ist irgendwo Krieg. Papa hat mir
028 vom Krieg erzählt. Wenn jemand stirbt, ist er tot. Tote Leute
029 werden begraben wie die Großmutter. Sie können nicht mehr atmen
030 und machen die Augen nicht mehr auf. Sie können auch nicht mehr
031 denken, sagt der Papa, sie können dann gar nichts mehr. Am
032 Abend esse ich oft Brei. Ich mag keinen Brei. Friederike
033 bringt oft alles durcheinander. Immer weckt mich der Clemens auf.
034 Meine Puppe drückt mich auf den Bauch, wenn ich liege. In
035 der Nacht habe ich geschrien. Da hat mich auch der Clemens
036 aufgeweckt. Papa sagt, ich habe den Clemens aufgeweckt. Wenn
037 ich mit dem Luc spazierengehe, muß ich aufpassen. Der Luc ist
038 klein. Er hat krumme Beine. Er kann gut rennen. Mama schimpft,
039 ich soll mich selber anziehen. Die Hose ist verkehrtrum. Ich
040 zieh mich wieder aus. Ist gut. Ich bau mir einen Bauernhof.
041 Der Bauernhof gehört eigentlich Fabian. Der Clemens will
042 gleich mitspielen. Ich habe von dem Marc zehn Pfennig geschenkt
043 bekommen. Papa sagt, das ist anderes Geld, woanders her. Ich
044 hab " s vergessen. Ist gut. Die Mama schimpft, ich soll
045 endlich mal richtig spielen. Ich geh zu dem Tier da, was der
046 Papa uns geschenkt hat. Der Papa fragt, wie das Tier heißt.
047 Ich sag dem Papa, es ist braun und klein, und wie heißt es nur?
048 Ist gut. Weil die Mama mit uns nach Frankfurt fahren will,
049 muß ich mich beeilen. Sie sagt, ich soll endlich die roten
050 Stiefel anziehen. Der Clemens ist schon fertig. Der Fabian
051 sitzt schon im Auto. Die Mama sagt, es ist zum Heulen. Ich
052 muß meine Tasche noch mitnehmen. Ich muß die Dorette noch
053 mitnehmen. Ich muß noch mal aufs Klo gehen. Die Mama sagt,
054 wenn ich so weitermache, kriege ich Haue. Darum heule ich. Wir
055 sind mit dem Auto auch nach Nürtingen gefahren. Wir sind auch
056 mit dem Auto nach Holland gefahren. Dort war es schöner als hier.
057 Aber am Anfang kalt. Ich bin ins Wasser gefallen und
058 ohnmächtig geworden. Papa sagt, es war ohnmächtig. Alle
059 standen um mich rum, und es war kalt. Dann hat der Papa mir eine
060 Puppe gekauft. Wir haben sie Agathe getauft. Jetzt ist sie
061 krank. Sie hat kein Haar mehr. Als wir in Frankfurt waren,
062 haben wir für den Clemens eine Mütze und eine Hose gekauft.
063 Die Frau, die dem Clemens die Mütze und eine Hose verkauft hat,
064 hat gesagt, ich bin ein schönes Kind. Der Papa hat gesagt,
065 das ist Quatsch. Wir sind nach Hause gefahren. Da hat der
066 Clemens in die Hose gemacht. Die Mama hat es dem Papa erzählt.
067 Jetzt weiß ich nicht mehr, wo wir noch waren. Der Papa sagt,
068 wir wollen zu Onkel Helmut fahren. Die Mama sagt, mit Fieber
069 kann man das nicht. Ist gut. Wie heißt die gleich? Der Onkel
070 Helmut hat vier Kinder. Und ein Mädchen. Und zwei Mädchen.
071 Wie heißt die gleich? Die Mama sagt, das ist die Hanna. Dem
072 Pavel seine Schwester. Der Pavel ist riesengroß und nicht viel
073 älter als der Fabian. Der Papa sagt, das stimmt nicht. Dem
074 Pavel seine Schwester ist auch die Hanna. Wenn ich müde bin,
075 muß ich weinen. Ich bin viel müde. Der Clemens haut mich
076 dauernd. Die Mama sagt, der Clemens ist im Alter, wo man haut.
077 Ist gut. Am Abend malt der Fabian Bilder, und wir gucken zu.
078 Ich darf mit dem Clemens seiner Eisenbahn nicht spielen. Ich
079 habe die Dorette in den Wagen gesetzt, und die Eisenbahn ist von
080 den Schienen gefallen. Ich soll das nicht tun, sagt der Clemens.
081 Der Fabian sagt, wenn ich das mache, gibt es einen
082 Kerzenschluß. Ist gut. Die Mama sagt, ich soll mich selber
083 ausziehen, weil sie mit dem Clemens soviel zu tun hat. Im
084 Ausziehen bin ich immer erster. Der Clemens ist Bettelmann.
085 Der Fabian ist König. Ich bin immer Kaiser. In der
086 Badewanne muß ich auf dem Stöpsel sitzen. Das macht mir nichts.
087 Ist gut. Ich habe einen Schwamm, der Fabian hat einen
088 Waschlappen, der Clemens hat einen Schwamm und einen Waschlappen.
089 Wir dürfen nicht vergessen, uns die Zähne zu putzen. Ich
090 vergesse das nie. Die Mama sagt, wasch dir - ich weiß nicht,
091 wie das heißt. Was man an die Zähne rantut. Das Weiße. Die
092 Mama sagt, es ist Zahnkrem. Der Papa sagt, es ist Zahnpasta.
093 Ist gut. Der Papa kommt ans Bett und sagt, ich soll in der
094 Nacht nicht schreien. Ich will in der Nacht nicht schreien.
095 Aber der Clemens weckt mich immer auf. Bitte, laß die Tür auf,
096 sagt der Clemens, wenn die Tür zu ist, sehen wir das Licht
097 nicht im Treppenhaus. Ist gut. Clemens schimpft den ganzen
098 Tag. Jetzt bin ich aufgestanden. Die Friederike hat
099 zu mir ins Bett gestiegen. Die Friederike ist zu mir ins
100 Bett gestiegen. Scheißdreck. Soll aber nicht Scheißdreck
101 sagen. Ich komm gleich raus auf den Gang und schau dem Papa zu,
102 wie er hin und her rennt vorm Bad. Schreibt die Schreibmaschine
103 oder schreibst du? Die schreibt immer nur, wenn " s klingelt,
104 gell? Was schreibst du, Papa? Du sollst nicht über mich
105 schreiben, sonst werd ich dir gleich sagen, dir piept " s wohl,
106 oder ich lutsch wieder. Ich muß jetzt mit der Mutti spielen gehen,
107 weil ich das Kind von der Friederike bin. Ich bin dauernd eine
108 Menge krank. Die Friederike wälzt mir auf dem Bauch rum. Wenn
109 ich noch mehr krank bin, hat die Friederike Angst und schreit nach
110 der Mama. Nach der Mama! Scheißdreck. Du sollst aber nicht
111 Scheißdreck sagen. Jetzt ist Mittagessen, sofort und dann
112 Morgen. Ich muß vorher noch mit dem Dreirad weg. Der Herr
113 Fengler hat mir Grüß Gott gesagt. Ich kann eine Geschichte,
114 ich kann dich was fragen, ich weiß, was englisches Haar ist und
115 amerikanisches Haar ist. Der Papa hat englisches Haar, die
116 Friederike hat englisches Haar und die Mama und der Fabian. Ich
117 auch. Das Fräulein im Fernsehen hat amerikanisches Haar. Das
118 kann man nicht anfassen. Ich bin, aber das ist schon her,
119 furchtbar hingeknallt. Mein Zahn ist davon schwarz. Papa, gehst
120 du mit mir spazieren? Der Papa geht nicht mit mir spazieren.
121 Ich mag Erbsen nicht leiden. Die Mama hat mir nicht geholfen,
122 die Hose herunterzuziehen, jetzt hab ich reingemacht. Immer die
123 Mama. Ich hau dich gleich. Jetzt! Dir piept " s wohl.
124 Jetzt bin ich müde, aber einen Mittagsschlaf mache ich nicht.
125 Ich geh mit dem Guy spielen. Vielleicht geh ich auch mit dem
126 Basti spielen. Wir spielen mit den Autos. Ich hab dann meinen
127 Traktor oder meinen Kran, wie auf der Baustelle. Der Fabian
128 malt mir ein Bild. Du sollst nicht schon fortgehn, Papa, der
129 Fabian malt. Halt doch mal, Papa, der Fabian muß noch die
130 Sonne machen! Jetzt ist er doch gegangen, dem piept " s wohl!
131 Ich geh aber nicht mit, ich bleib bei der Mama. Nugat schmeckt
132 ganz gut. Ich hab den Nachmittag mit dem Basti gespielt, den
133 Morgen auch. Ich bin müd davon. Über uns ist völlig niedrig
134 ein Flugzeug weggebraust. Das hat mit Dreck geschmissen. Die
135 haben Krieg gewollt. Dem piept " s wohl. Es ist furchtbar, und
136 ich hab Angst, wie der Papa, der will nicht mal schießen.
137 Jetzt hab ich alles aufgeräumt. Scheißdreck. Soll man aber
138 auch nicht sagen. In der Nacht morgen bin ich lieb. Heute dann
139 lieber nicht. Fabian erzählt eine wahre Geschichte und
140 ärgert sich über eine Ohrfeige. Meine Geschichte ist wahr.
141 Ich kann auch Geschichten erfinden. Aber diese Geschichte ist
142 wahr. Und ich hab noch immer eine Wut, wenn ich dran denke.
143 Klaus und Meike sind bei uns zu Besuch gewesen, eine ganze Woche.
144 Sie haben neben uns geschlafen, im Gästezimmer. Das war toll.
145 Wir sind oft länger aufgeblieben. Der Klaus ist zwölf. Er
146 hat mit dem Marki, der auch zwölf ist, fabelhaft gespielt. Der
147 Papa sagt, ich soll auch sagen, daß der Marki nicht der Marc
148 ist. Der Marki ist zwölf und geht in die amerikanische Schule,
149 der Marc ist sieben und wohnt neben uns. Der Marc ist mein
150 Freund. Aber da war ich mit dem Marki und mit dem Klaus. Die
151 sind immer auf Bäume raufgeklettert, auch bei uns im Garten,
152 obwohl die Mama gesagt hat, wir sollen es nicht tun, die Äste
153 sind zu dünn, und wir könnten uns die Arme brechen oder so. Sie
154 sind weitergeklettert. Ich auch. Weil die Mama immer wieder raus
155 gekommen ist, nachgeschaut hat, sind wir woanders hingegangen.
156 Zur Lisa in den Garten. Die Lisa geht mit mir in die Schule.
157 Im Garten von der Lisa sind eine Menge Bäume, oder ein paar.
158 Die sind vielleicht nicht so dünn wie bei uns, weil Lisas Eltern
159 schon länger dort wohnen. Der Klaus und der Marki sind
160 unwahrscheinlich geklettert, ziemlich hoch. Und dann hat ein Ast
161 gekracht. Ich hab gesagt, sie sollen lieber nicht mehr. Ich bin
162 aber auch auf dem Baum gewesen. Plötzlich ist die Mama von Lisa
163 aus dem Haus geschossen, richtig mit Wut. Der Klaus und der
164 Marki sind auf das Garagendach. Ich hab Angst gehabt. Aber
165 weil ich dem Klaus und dem Marki gesagt habe, sie sollen nicht
166 klettern, habe ich nicht so große Angst gehabt. Ich war
167 vielleicht auch gar nicht auf dem Baum und hab mit der Lisa
168 aufgepaßt, daß niemand runterfällt. Lisas Mama hat den Klaus
169 und den Marki auf der Garage gesehn und geschrien: Da laß ich
170 euch nicht mehr runter! Da hab ich eine ungeheure Wut gekriegt
171 und auch geschrien: Du blödes Weib! Sie hat mich gepackt und
172 mir eine runtergehaun. Der Klaus und der Marki sind übers Dach
173 von der anderen Garage runter und abgehaun. Ich hab eine noch
174 tollere Wut gehabt und geheult, weil das alles nicht richtig war.
175 Es war bestimmt nicht richtig. Friederike erzählt von den
176 Fischen in Holland. Ich bin dran. Hör mal zu! Ich weiß
177 eine Geschichte: Von Fischen! Von vielen Fischen! Und wie
178 wir dort waren. Das war Klasse! Wie hat das geheißen? Das
179 Meer war direkt dran. Ja, es war ein Hafen. Dort, wohin die
180 Schiffe mit den Fischen anrudern. Wir sind in Holland gewesen.
181 Die Oma Käthe hat immer lange Hosen angezogen, auch am Strand,
182 weil sie gesagt hat: Ich habe einen dicken Bauch und dünne
183 Beine, und die Leute lachen mich sonst aus. Ist gut. Wenn das
184 Wetter geregnet hat, sind wir zum Hafen gefahren, mit einem
185 Mietsauto, das der Mama gefallen hat. Das war Klasse. Wir
186 sind gesaust. Im Hafen war Wind. Zuerst haben wir Fritze
187 gegessen. Ich soll das richtig sagen, sagt der Papa. Wie heißt
188 das gleich? Pommfritze. Also gut. Wir haben gleich aus
189 riesigen Tüten Fritze gegessen. Die Schiffe sind gekommen.
190 Auf den Schiffen waren Männer und Fische in Körben. Manche
191 waren lebendig und sind hochgehopst. Echt! Es waren Ungeheuer
192 mit roten Augen und auch Schlangen darunter, die man Aale getauft
193 hat. Die Schiffe lagen tief unten. Deshalb mußte man die
194 Körbe mit dicken Seilen hochziehen. Das haben starke Männer
195 gemacht. Ist gut. Sie haben geschnauft und gezogen, weil die
196 Körbe schwer von Fischen waren. Und die Fische haben ordentlich
197 dagegen gezappelt.
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