Quelle Nummer 386
Rubrik 12 : BILDENDE Unterrubrik 12.01 : PRESSE
ZEIT-MAGAZIN
30.10.1970, S.10, 14, 18
(FOTOGRAPHIE, KUNST, FERNSEHEN)
001 Nicht nur perfekte Kameras, auch meisterhafte Photographien
002 kommen aus Japan nach Europa. Die Reaktion freilich, die
003 Kishin Shinoyamas Arbeiten in Deutschland auslöste, war
004 verblüffend. Auf der Photokina 1970 in Köln Kollidierten die
005 Bilder des dreißigjährigen Photographen, der nach einem
006 Aufenthalt in Paris wieder in Tokio arbeitet, mit einer
007 europäischen Ästhetik die die zuweilen surrealen und stets
008 parodistischen Einfälle Shinoyamas nur unter der Kategorie
009 " Pornographie " einordnen konnte: Humorlosigkeit und verstaubte
010 Kunstbegriffe vereinten sich auf einer Ebene, die mit
011 Kitschphotographien nackter Mädchen aus der Jahrhundertwende
012 ausgelegt sein muß. Mehrere der Photos Shinoyamas wurden aus der
013 Kölner Ausstellung " Mädchen " entfernt - von Veranstaltern,
014 denen die kommerzielle Zukunft der Photokina vielleicht mehr am
015 Herzen lag als die Zukunft des guten Geschmacks. Shinoyamas
016 Aktaufnahmen enthalten jedoch nichts mehr von jener " Playboy "
017 -Fleischlichkeit, die auch ein Photoamateur mit zwei
018 Schreibtischlampen als Beleuchtung einfangen kann. Vielmehr
019 tragen sie ein exzentrisches Signum von Eleganz, witz und
020 Intelligenz. " Ich habe festgestellt, alle Photographen lachen
021 gerne ", schreibt der französische Journalist Jean Cau in dem
022 Buch " Vier Meister er erotischen Photographie ", zu denen der
023 Heyne-Verlag die Photographen Hamilton, Haskins,
024 Giacobetti und Shinoyama zählt. Jean Cau begründet die
025 Fröhlichkeit dieses Berufes: " Einmal lachen sie, weil sie
026 die Gewohnheit haben, die Welt als Schauspiel aufzufassen; dann,
027 weil sie Kinder sind. Kinder können staunen und lachen. Sie
028 machen klick mit ihren unverbrauchten Augen. Der Photograph
029 photographiert alles, den Kopf, der sich aus der Wiege hebt, der
030 sich durch die Gitterstäbe im Park zwängt. Photographen lachen
031 auch, weil ihr Beruf eine Farce ist. Oft. " Das
032 Widersprüchliche der modernen Photographie liegt jedoch nicht,
033 wie Cau vielleicht meint, im Medium selbst, sondern in der
034 Funktion, die die Photographie übernommen hat: Als
035 Informationsvehikel ist sie zumal in der Werbung zweckgebunden.
036 Und gerade Werbephotographen, zu denen die oben genannten alle
037 gehören, versuchen, dem Druck des Berufs zu entkommen.
038 Shinoyamas Ausflüge in die optische Tiefgründigkeit sind für
039 ihn ein fast klinisches Rezept: Nur so erhält er sich seine
040 " unverbrauchten Augen ". In dem erwähnten Photoband beschreibt
041 der japanische Schriftsteller Yukio Mishima seinen Landsmann
042 Shinoyama bei der Arbeit: Wenn Kishin Shinoyama Photos macht,
043 ist es, als spiele er Tennis. Darin unterscheidet er sich total
044 von anderen klassischen Photographen, die in Ehre ergrauen. Er
045 ist energiegeladen, spornt seine Assistenten an und springt um sein
046 Modell wie ein Madman (...) Erst wenn er das Gefühl hat, daß ihm
047 ein besonders schöner Slice gelungen ist, ruft er: " Da, ich
048 hab's! " Shinoyama hat gewonnen, das Spiel ist gemacht.
049 " Kann Kunst kränken oder kann Kränkung Kunst sein?.
050 Politiker haben sich zumeist daran gewöhnt, in die Reißzähne
051 von Kabarettisten und Karikaturisten zu geraten. Wenn sich doch
052 mal einer beleidigt fühlt, ist es zumeist Franz Josef Strauß.
053 Konkret gesprochen: in jüngster Zeit von dem Berliner
054 satirischen Zeichner Rainer Hachfeld. Nicht etwa, weil jener
055 ihn vor einiger Zeit als Schwein dargestellt hatte (als ein Wesen
056 also, auf welches, laut Straußens Apo-Vergleich, " die
057 für Menschen gemachten Gesetze nicht anwendbar " seien),
058 sondern, als Hachfeld ihn als einen wild rotierenden Politiker
059 zeichnete, dessen Gliedmaßen zackig gewinkelt wie ein Hakenkreuz
060 aussahen. Vermutlich mit dem Hintergedanken, die von Strauß
061 proklamierte " Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes
062 " von der CSU quer durch die Gruppen und Grüppchen der "
063 rechtsextremistischen Apo " (Bundeskanzler Brandt) bis hin zur
064 NPD erinnere fatal an die Harzburger Front von 1931, als sich
065 Deutschnationale, Stahlhelm und Nationalsozialisten zur "
066 Nationalen Opposition " gegen die Regierung des - keineswegs
067 linken - Zentrumspolitikers Brüning verbündeten. Promt
068 reagierte Strauß mit einer Einstweiligen Verfügung gegen
069 Hachfeld, der das Landgericht 1 Ende September stattgab.
070 Hachfeld hingegen, vertreten durch den Münchener Anwalt Dr.
071 Norbert Kückelmann, beruft sich auf die Garantie-Freiheit
072 der Kunst im Grundgesetz Artikel 5, Absatz 3. Aber: Was
073 Kunst nun eigentlich ist, dafür fehlt noch immer die
074 höchstinstanzliche Defination, Kükelmann will nun mit diesem
075 Verfahren das Bundesverfassungsgericht zu einem endgültigen
076 Schiedsspruch zwingen. Die Fragen, um die es hier geht, lauten
077 simpel: Kann Kunst überhaupt beleidigen? und: Fällt
078 gezeichnete oder anderweitig geartete bildnerische Polemik unter den
079 Kunstbegriff? Gehört sie nicht vielmehr unter den
080 Grundgesetzartikel der Meinungsfreiheit und
081 Pressefreiheit? Wenn dies bejaht wird, dann allerdings schützt
082 das Grundgesetz den Zeichner nicht vor dem Beleidigungsparagraphen.
083 Denn - so bestimmt Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes
084 (GG): " Diese Rechte finden ihre Schranken in den
085 Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen
086 Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der
087 persönlichen Ehre. " Überdies gibt einer Strafverfolgung der
088 sogenannte Gemeinschaftsvorbehalt aus GG Art. 2, Abs. 1
089 grünes Licht, der da lautet: " Jeder hat das Recht auf die
090 freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die
091 Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige
092 Ordnung oder das Sittengesetz verstößt." Kunst oder Nicht-
093 Kunst, Gemeinschaftsvorbehalt oder nicht - das also ist hier die
094 ständig wiederkehrende Frage. Hier liegt der Angelpunkt fast
095 aller Anzeigen und Gerichtsverfahren gegen Polemik und Agitation
096 in künstlerischer Form. In einem Urteil aus dem Jahre 1967 hat
097 das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz erklärt: "
098 Abzulehnen ist allerdings die im Schrifttum und in der
099 Rechtsprechung vertretene Ansicht, daß die Freiheit der Kunst
100 wie alle Grundrechte durch den Gemeinschaftsvorbehalt des Art.
101 2, Abs. 1 GG eingeschränkt sei. Denn versteht man unter der
102 verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2, Abs. 1
103 GG mit dem Bundesverfassungsgericht die gesamte
104 verfassungsmäßige Rechtsordnung, also auch die Vorschriften der
105 Polizeigesetze, so würde die Ausdehnung des
106 Gemeinschaftsvorbehalts andere Grundrechtsvorschriften zu einer
107 solchen Einschränkung der Grundrechte führen, daß ihnen ihre
108 Bedeutung weitgehend genommen wäre (...) " Und obwohl das
109 Bundesverfassungsgericht selbst noch keine definitive Entscheidung
110 gefällt hat, lassen sich doch aus verschiedenen seiner Urteile
111 ähnliche Grundsätze ableiten. Die Konsequenz daraus ist eine
112 heilsame Verunsicherung unserer Gerichte. Das erweist in
113 jüngster Zeit erst wieder die Einstellung eines Verfahrens, das
114 die rechtsextreme " Deutschland-Stiftung " gegen ein im
115 Märzheft 1970 der satirischen Zeitschrift " pardon " erschienene
116 bildliche Darstellung angestrengt hatte, durch die
117 Staatsanwaltschaft Frankfurt. Das Bild zeigt einen an ein Kreuz
118 geschlagenen Hasen, darüber den Vermerk " Nicht vergessen -
119 im März ist Ostern. " Hatte " pardon " den Geschäftsrummel
120 um das Osterfest anprangern wollen (" (...) neues Heidentum, wie
121 selbst moderne Kirchenlehrer glauben, dem Osterhasen näher als
122 dem Nazarener, dem Braten zugewandter als dem Tischgebet (...) "),
123 so sah die " Deutschland-Stiftung " darin den Tatbestand
124 der Gotteslästerung. Hingegen fand die Staatsanwaltschaft
125 Frankfurt, die - entsprechend der Gesetzesänderung vom 1.
126 September 1969 - wegen " Religionsbeschimpfung " ermittelte,
127 keinen Grund zur Erhebung öffentlicher Klage. In der Weimarer
128 Republik wäre die " Deutschland - Stiftung " mit ihrer
129 Anzeige vermutlich durchgekommen. In der letzinstanzlichen
130 Entscheidung gegen das bekannte George-Grosz-Bild "
131 Christus mit der Gasmaske " erklärte 1930 das Reichsgericht: "
132 Es kommt (...) überhaupt nicht darauf an, welche Zwecke der
133 Angeklagte verfolgte, sondern darauf, ob er die Angehörigen
134 einer der christlichen Kirchen in ihren religiösen Empfindungen
135 durch eine rohe Beschimpfung ihrer Einrichtungen und Gebräuche
136 verletzt hat (...) " Der Kunst, der die Weimarer Verfassung
137 staatlichen " Schutz und Pflege " angedeihen ließ, sind auch
138 derlei Schranken im Bonner Grundgesetz zum Glück nicht mehr
139 gesetzt. Sie wird von den Gerichten, auch zunehmend von den
140 Obergerichten, mehr und mehr als ein in der Gesellschaft wirkender
141 Faktor - und das heißt als politisches, kritisches, ja
142 rebellierendes Element - anerkannt. So führte das
143 Bundesverwaltungsgericht 1967 in einem Urteil aus: " Ein
144 Erzeugnis der Kunst verliert dadurch, daß es eine
145 Meinungsäußerung enthält, nicht den Schutz des Art. 5,
146 Abs - 3 des Grundgesetzes (...) Gerade Kunstwerke mit
147 schockierendem Meinungsgehalt sind auf den Schutz des Art. 5,
148 3 GG (...) angewiesen. " Durch einen Schutz der Verfassung also
149 vor staatlichen Eingriffen in die Kunstfreiheit. Diese
150 Auffassung harrt jetzt nur noch ihrer
151 höchstverfassungsrichterlichen Bestätigung. Daß aber auch ohne
152 Berufung auf die Kunstfreiheitsgarantie progressive Urteile
153 gefällt werden können, beweist ein Urteil des Landgerichts
154 Karlsruhe von Anfang Oktober. Verhandlungsobjekt war ein
155 blutrotes Plakat, das ein auf ein Bajonett aufgespießtes Baby
156 mit der Unterschrift zeigt: " Geh zur Bundeswehr, lerne
157 schlachten! " Das Gericht sah darin keine Beleidigung der
158 Bundeswehr, da das Plakat in Form einer " noch erlaubten
159 politisch-satirischen Übertreibung " ganz allgemein die
160 Schrecken eines künftigen Krieges habe anprangern wollen, in
161 welchem, wie die Geschichte beweise, auch Zivilisten getötet
162 würden. Im übrigen - und da meint man auf den
163 Richtergesichtern das Strahlen eines inneren Schmunzelns
164 wahrnehmen zu können - dürfe diese satirische Übertreibung als
165 Gegenstück zur Untertreibung des wirklichen Ausbildungszweckes in
166 den Inseraten der Bundeswehr Existenzberechtigung beanspruchen.
167 Früher, das ist sicher, war auch das einmal anders. Wenn
168 früher der Abend kam, die Dunkelheit über die Stadt sank, wenn
169 man seine Arbeit, sein Tagespensum erledigt und hinter sich hatte,
170 war man da nicht ein freier Mensch? Was hat man nicht früher
171 alles so gemacht am Feierabend, nicht wahr? Ins Kino gehen,
172 Freunde besuchen, irgendwo rumhocken, versacken im schönen Sumpf.
173 Oder zu Hause mit seinen Lieben in Ruhe essen, reden,
174 streiten - der Streit war früher einmal, neben dem Skat, die
175 beliebteste Freizeitbeschäftigung im deutschen Familienkreis.
176 Streit kann so beleben, erfrischen, tiefere menschliche Bande
177 knüpfen und ist überdies ein flinker Zeitvertreib, auch billig,
178 meistens kostenlos. Ich will nur sagen: früher war man so
179 zwischen sieben und zehn des Abends noch sehr glücklich dran. Man
180 war wie ein Kind, das spielen gehen darf mit seinen Murmeln. "
181 Open end " hieß früher der Abend. Seit Jahren beobachte ich
182 immer besorgter, wie so freie Sitten schwinden, wie uns die Leine
183 immer kürzer gehalten, der Riemen noch etwas enger geschnallt wird.
184 Es werden uns immer feinere, immer strengere Fesseln um unsere
185 schönen Freizeitgelenke gelegt. Ich merke das zum Beispiel seit
186 Jahren an meinem Telefon. Früher riefen abends einfach die
187 Freunde so an - nach dem Abendbrot. Man kennt diese netten und
188 menschenfreundlichen Überraschungen, die gar nichts wollen, nur
189 so plaudern: Hallo, wie geht's denn, und was macht Ihr heute
190 abend und regnet es bei Euch auch so? Nur das. Das war einmal.
191 Heute haben sich alle Anrufe der Freunde auf eine präzise
192 Uhrzeit eingependelt. Sie beginnt exakt 18.01 Uhr (mit den
193 verbilligten Fernsprechtarifen) und endet schlagartig 19.44
194 Uhr, so daß diese knapp zwei Stunden voll schöner, großer
195 Beredsamkeit sind. Dann aber ist nichts mehr. Schweigen, große
196 Pause. Aufschlußreich ist auch der Verlauf, die Dynamik dieser
197 Gespräche. Das beginnt ganz normal, locker und fröhlich, wie
198 auch früher einmal, so nach sieben. Schon um halb acht aber
199 werden die Anrufe deutlich straffer, gezielter, auf klare
200 Themenkreise begrenzt. In die Gespräche, die zwanzig vor acht
201 beginnen, kommt schon etwas von Hast, von überstürzter
202 Eiligkeit. Die Leute sprechen jetzt wie aus einer Telefonzelle
203 vom Münzautomaten, sie reden auch lauter in die Muschel, so als
204 riefen sie aus Rom oder Stockholm an, obwohl es nur aus Darmstadt
205 kommt. Und plötzlich erstirbt das Ganze, geht in die Brüche.
206 Die Uhr ist noch etwas vorgerückt, und alle Probleme, die eben
207 noch schwierig und weiträumig waren, großer Entfaltung bedurften,
208 klappen einfach zusammen wie Taschenmesser. Man spürt Unruhe,
209 Hastigkeit, Verdrossenheit auf der anderen Seite, überstürzte
210 Bemühungen, Schluß zu machen. Es wirkt beinah unfreundlich,
211 wie der andere einem gerade noch atemlos zuruft: Also ich muß
212 jetzt abbrechen, leider, ja auf Wiederhören, danke, dann knackt
213 es schon hart in der Leitung, und ich weiß: Fernsehzeit,
214 natürlich. Jetzt kommen ja die Nachrichtensendungen. Es ist wie
215 mit dem Sex. Niemand sagt's und alle tun's. Ich übrigens auch.
216 Auch ich sehe die Nachrichtensendungen. Es hat sich also das
217 Leben ein bißchen verändert im Zeichen der Fernsehuhr, ein
218 sanftes Diktat, sehr streng. Ein neuer Knigge wäre zu schreiben:
219 Vom Umgang mit Fernsehmenschen. Es wäre zunächst zu
220 beschreiben, wie taktlos, wie anstößig, wie beinah unzüchtig es
221 ist, zwischen neunzehnuhrfünfundvierzig und zwanziguhrachtzehn bei
222 Mitmenschen zu klingeln, zu klopfen, vielleicht nach zwei Eiern,
223 aushilfsweise, zu fragen. Später verzweigen sich die Interessen.
224 Ich bin in der Lage, schon vom Verhalten meines Telefons her
225 klar die Programmarten zu erkennen. Am Montag, wenn Panorama
226 oder ähnliches kommt, herrscht Totenstille. Niemand klingelt
227 auch an der Haustür. Plaudert aber Professor Grzimek mit seinen
228 Äffchen, so setzen erste Weltkontakte wieder ein. Überhaupt
229 läßt der Bann so gegen zehn deutlich nach. Schon um halb elf
230 kann man wieder seine Freizeitbeschäftigungen aufnehmen: essen,
231 reden, streiten. All diese vielen, strengen Fernsehzeiten, auf
232 die man immer schon vorausschauend Rücksicht nehmen muß - beim
233 Dating. Versucht man sich zu entziehen, so geht es einem wie
234 früher in der Schule beim Schwänzen der Turnstunde: irgendwo
235 hat man doch ein schlechtes Gewissen. Wie oft saß ich bei einer
236 Party, in einer Abendrunde bei schlechtem, etwas verquältem,
237 mühsamen Kontakt und dachte bestürzt: Jetzt läuft doch diese
238 Reportage über Maos Kulturrevolution, jetzt spricht doch Martin
239 Walser über Politik, - daß du das wieder versäumen mußt!
240 Verlustgefühle. Und alle die leergefegten Straßen der City,
241 wenn Kriminalserien, Mondlandungen, Könige kommen. Ich
242 erinnere mich, wie ich im Sommer beinah einen Unfall gebaut hätte,
243 weil ein Freund von mir zum Spiel um die Fußball-
244 Weltmeisterschaft rasch noch nach Hause gefahren werden wollte.
245 Er trieb und hetzte mich durch alle Gelbampeln der Stadt, es ging
246 um Minuten. Es war, wie wenn man einen Zuckerkranken, schon
247 ohnmächtig, ins Krankenhaus transportiert. Es ging also um
248 Leben und Tod, jedenfalls für mich, den Fahrer. Später dann,
249 im Zentrum der City allein und zu Hause, nicht fernsehend,
250 hörte ich einen Schrei. Ach, es war ein Schrei, den ich nie
251 vergessen werde. Er kam aus den Häuserschluchten der Innenstadt,
252 die still und tot dalag wie eine Mondstadt. Es war, als wenn
253 alle Türen aufsprängen, alle Fenster der Stadt zerbrächen,
254 Schrei von Millionen, Volkes Schrei. So haben die Deutschen
255 selbst Hitler nicht zugejubelt. Es war das erste Tor für uns.
256 Und ich dachte wieder: Hörst du? Das ist Fernsehzeit.
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