Quelle Nummer 370
Rubrik 15 : GEOGRAPHIE Unterrubrik 15.22 : GEOGRAPHIE
DELTAPLAN
MAX SCHUGT
SEELAND UND DER DELTAPLAN
EINE UNTERSUCHUNG DER KULTURGEOGRAPHISCHEN AUS-
WIRKUNGEN D. DELTAPLANS,BESONDERS FUER DIE FISCHEREI
DISSERTATION; STUDENTENPRESS E.V., FREIBURG I.B.
1970, S.1-
001 EINLEITUNG. Gegenstand und Zielsetzung der
002 Untersuchung. In der vorliegenden Arbeit sollen die Begleit
003 erscheinungen und Folgeerscheinungen untersucht werden,
004 die sich bei der Durchführung des Deltaplans der Niederlande für
005 Landschaft und Bevölkerung in Seeland ergeben. Im Ersten Teil
006 wird die naturlandschaftliche Entwicklung dieses Raumes kurz
007 erläutert und ein Überblick über die Tierwelt und
008 Pflanzenwelt in und an den Meeresarmen gegeben. Daran schließt
009 sich die Beschreibung der Besiedlungsgeschichte an, wobei den
010 Leistungen der seeländischen Bevölkerung im Deichbau und bei der
011 Trockenlegung ehemals vom Meer überschwemmter Gebiete besondere
012 Beachtung geschenkt wird. Gehörte Seeland mehrere Jahrhunderte
013 lang zu den großen Handelszentren Europas, so zeichnete sich im
014 18.Jh. deutlich eine fortschreitende Isolierung ab. Die
015 Bevölkerungszunahme verlangsamte sich. Noch heute zeugt die
016 Lebensart der Bevölkerung von der wirtschaftlichen und kulturellen
017 Abkapselung seit dieser Zeit. Anlaß und Ziel des Deltaplans
018 werden im Zweiten Teil diskutiert. Nach der furchtbaren
019 Überschwemmungskatastrophe im Jahre 1953 hatte sich in Seeland
020 wieder einmal gezeigt, wie unzulänglich die bisherigen
021 Schutzmaßnahmen gegenüber dem Meer waren. Die im Deltaplan
022 vorgesehene Abriegelung einiger Meeresarme soll daher vornehmlich
023 besseren Schutz vor weiteren Überschwemmungen bieten. Mit der
024 Verwirklichung des Deltaplans traten große Veränderungen im
025 Landschaftsbild Seelands ein. Der Ausbau und die Anlage von
026 Straßen, Schienen und Wasserwegen begründeten schon bald die
027 Ansiedlung von Industrien an den Verkehrsknotenpunkten.
028 Ebenfalls veranderten sich Bevolkerungsstruktur und Arbeitsmarkt.
029 Die Neuansiedlung von Arbeitskräften aus anderen Teilen des
030 Landes oder aus dem Ausland, die Industriealisierung und der
031 zunehmende Fremderverkehr stellen die alteingesessene Bevölkerung
032 vor mannigfache Probleme. Der Dritte Teil der Untersuchung ist
033 der Fischerei gewidmet. Nach der beschreibung ihrer bisherigen
034 Entwicklung werden Auswirkungen des Deltaplans für die
035 wichtigsten Zweige der Fischerei dargestellt und der Versuch
036 unternommen, die Zukunftsaussichten der Schalentierkulturen
037 angesichts der geplanten Abriegelungen anzudeuten. In diesem
038 Zusammenhang, sind die sozial-geographischen Fragen von
039 besonderem Belang. Es wird versucht, die wesentlichen
040 Schwierigkeiten aufzuzeigen, denen sich der Einzelne, die
041 Familien und auch die Gemeinden gegenübergestellt sehen. Zur
042 Erörterung der sozialen Probleme der Fischereibevölkerung werden
043 vier Gemeinden in Seeland ausgewählt, in denen nahezu alle die
044 Begleiterscheinungen des Deltaplans wirksam werden, von denen
045 andere Fischereigemeinden nur zum Teil betroffen sind. Die neuere
046 wissenschaftliche Literatur über Seeland enthält bisher keine
047 Arbeit, die sich mit den vielfältigen kulturgeographischen
048 Auswirkungen des Deltaplans beschäftigt. Ein Gesamtüberblick
049 läßt sich daher nur aus den vielen Einzelbeiträgen gewinnen,
050 deren Themenstellung meist enggefaßt ist. Gutachten,
051 Planungsvorhaben und Erhebungen werden fast ausschließlich von
052 staatlichen Institutionen angefertigt und durchgeführt, so z.B.
053 für den Ausbau der Verkehrsträger vom " Provinciaal
054 Planologische Dienst " und vom " Rijkswaterstaat ",
055 für die landwirtschaftliche Entwicklung vom " Landbouw
056 Economische Instituut voor Zeeland ", für den
057 wirtschaftlich-technischen Bereich vom " Economisch Technisch
058 Instituut voor Zeeland ", für die Sozialpolitik von
059 der " Stichting voor Maatschappelijk en Cultureel Werk ",
060 für die Fischerei von der " Werkkommissie van de Visserijen
061 op de Zeeuwse Stromen " und vom " Rijksinstituut voor Visserij
062 Onderzoek ". Zwei Arbeiten sollen besonders hervorgehoben
063 werden, da sie einen gründlichen Einblick in die
064 Entwicklungsgeschichte Seelands vermitteln: S. E.
065 Steigenga-Kouwe gibt in ihrem Aufsatz " Zeeland " (1953)
066 eine Übersicht der Entwicklung Seelands bis zur Mitte unseres
067 Jahrhunderts. Das Manuskript wurde jedoch noch vor der
068 Flutkatastrophe im Jahre 1953 abgeschlossen. M. C.
069 Verburg, der sich vorwiegend mit den wirtschaftlichen und
070 technischen Problemen der Entwicklung Seelands beschäftigt,
071 beschreibt in seinem Aufsatz " De Functie en de Resultaten van
072 het Economisch Geografisch Onderzoek " (1956) aus
073 wirtschaftsgeographischer Sicht die Entwicklung dieses Raumes
074 zwischen dem 13.und 19.Jn.. Mit der vorliegenden
075 Arbeit wird der Versuch gemacht, die kulturgeographischen
076 Auswirkungen des Deltaplans unter Verwertung der Spezialliteratur,
077 der Ergebnisse staatlicher Erhebungen und eigener Umfragen zu
078 erörtern. Eine endgültige Beurteilung, inwieweit Pläne
079 verwirklicht werden können und ob die bisherigen Berechnungen und
080 Voraussagen stimmen, wird erst nach Abschluß des gesamten
081 Deltaprojekts vorgenommen werden können. ERSTER TEIL
082 DIE PROVINZ SEELAND UND IHRE
083 ENTWICKLUNG IN DER VERGANGENHEIT.
084 Die Provinz Seeland. Die Provinz Seeland besteht aus
085 sechs Inseln und Halbinseln, die durch die Wasserarme von
086 Schelde, Maas und Rhein voneinander getrennt werden. Im Norden
087 wird die Provinz durch die Insel Schouwen-Duiveland von der
088 Provinz Südholland abgegrenzt. Im Osten schließen sich die
089 Halbinsel St. Philipsland die Insel Tholen an. Das
090 Kernstück der Provinz bilden Nordbeveland, Walcheren und
091 Südbeveland. Südlich davon, durch die Westerschelde von der
092 übrigen Provinz getrennt, liegt der Festlandteil Seeländisch
093 -Flandern. Eine Karte, die die Oberflächengestalt der
094 Provinz um 1300 darstellt, weist Seeland noch als
095 schlechtzugängliches Inselgebiet aus. Das Mündungsgebiet von
096 Rhein und Maas lag damals nördlich der heutigen Provinz Seeland,
097 während die Scheldemündung bis nach dem heutigen Schouwen-
098 Duiveland reichte. Der seeländisch-flandrische Festlandteil
099 wies tiefe Einbuchtungen auf. Die unter dem Meeresspiegel
100 gelegenen Siedlungen Middelburg, Zierikzee und Goes waren durch
101 Deiche geschützt. In der Folgezeit wurden immer mehr kleine
102 Inseln durch Dämme und Eindeichungen angegliedert. Ihre Zahl
103 ging zwischen 1300 und 1500 von etwa 70 auf 40 zurück. Im
104 Westerscheldegebiet konnten in dieser Zeit für einige Inseln
105 nördlich von Aksel (Axsel) Verbindungen zum Festland
106 hergestellt werden, es wurden aber auch bereits eingedeichte
107 Gebiete wieder überflutet. Auf Karte 1 a erkennt man die unter
108 dem Meeresspiegel gelegenen Gebiete und die in den drei
109 Jahrhunderten seit 1500 vergrößerten Inseln, deren Zahl bis
110 1800 auf etwa 20 verringert werden konnte. Die seeländischen
111 Inseln liegen fast alle unter dem Meeresspiegel, einige nur
112 teilweise, so z. B. Walcheren, Schouwen, Tholen und
113 Nordbeveland. Der Festlandteil Seelands liegt über dem
114 Meeresspiegel. Er wurde, wie Karte 1 d zeigt, von der
115 Überschwemmungskatastrophe 1953 am geringsten betroffen. Dagegen
116 fielen Nordbeveland, dessen großter Teil über NN liegt wie
117 auch das über NN gelegene Tholen der Überflutung zum Opfer.
118 Insgesamt wurden etwa 15 000 ha Land überschwemmt. Ohne den
119 Schutz der Dünen und Deiche entlang des Meeres und der Flüsse
120 würdem täglich etwa 16 000 (Formel) Land überflutet, das von
121 ungefähr 60 % der niederländischen Bevolkerung bewohnt wird.
122 In der Tabelle 1 sind Fläche, Bevölkerung und
123 Bevölkerungsdichte Seelands und der Niederlände
124 gegenübergestellt: (Abb.). Die Provinz Seeland zählte am 1.
125 Januar 1969 301833 Einwohner, das sind 2,3 % der
126 niederländischen Bevölkerung. Der Flächenanteil Seelands an
127 dem der gesamten Niederlände beträgt dagegen 5,1 %
128 Landfläche. Die einzelnen Gebietsteile der Provinz weisen nach
129 Fläche und Bevölkerung große Unterschiede auf. (Abb.). Die
130 dichtest besiedelte Gemeinde Seelands, Goes (2 119 (Formel)) und die
131 am geringsten besiedelte, 's-Heer Abtskerke (25 (Formel)) grenzen
132 aneinander. Weiter westlich auf der gleichen Insel liegen die
133 beiden größten Gemeinden Seelands Vlissingen (39 328 Ew) und
134 Middelburg (29 334 Ew) ebenfalls nebeneinander, so daß man
135 diese beiden größten Städte Seelands häufig als ein
136 Stadtgebiet Vlissingen/Middelburg bezeichnet.
137 Entstehungsgeschichte der Landschaft Seeland. Vor etwa 9 000
138 Jahren, als die Doggerbank noch einen Teil des Festlandes
139 bildete und Elbe, Weser und Rhein einen gemeinsamen Unterlauf
140 hatten, stieg der Meeresspiegel an - wahrscheinlich durch eine
141 Senkung des Landes begünstigt - und verlegte die Küste der
142 heutigen Niederlände weiter südwärts. Die Niederlände
143 bildeten damals ein weites und von Strömen gegliedertes Tiefland.
144 Der Standort des heutigen Amsterdam lag mehr als 450 km von der
145 Nordsee entfernt. Um etwa 6 000 v. Chr. hatte der
146 steigende Meeresspiegel die seeländische Küste erreicht und 500
147 Jahre später das heutige Bergen op Zoom. Auf dem ehemaligen
148 Festland setzten sich Sande und Tone ab. Es entstand ein breiter
149 Wattensaum, vor dem sich ein Grodenwall bildete. Er wuchs stetig,
150 während hinter ihm ein Schlammbecken entstand, das bei
151 Hochwasser nach und nach aufgefüllt wurde. Rheinmündung,
152 Maasmündung und Scheldemündungen waren durch
153 diese Schlammanschwemmungen bis an das heutige Rotterdam
154 zurückgedrängt. Da das Meer den Abfluß der Flüsse hemmte,
155 kam es zu Verlagerung der Flußrinnen. Gleichzeitig wurde ein
156 Versüungsprozeß eingeleitet, der den Planzenwuchs und folglich
157 die Entstehung mächtiger Torfschichten förderte. Um etwa 2 000
158 v. Chr. fand diese sog. Flandrische Transgression ihrer
159 Abschluß. Es bildete sich eine mit Dünen besetzte Küste,
160 hinter der Ablagerungen den Boden erhöhter, die von Schilftorf,
161 tonigen Sedimenten und Schlick der Watten durchsetzt waren. Um 1
162 000 v. Chr. erfolgte ein neuer Vorstoß des Meeres, die
163 sog. Dünkirchner Transgression. Hierbei wurde die
164 Landverbindung zwischen England und dem Festland unterbrochen,
165 womit sich das Gezeitensysten der südlichen Nordsee änderte. In
166 die natürlichen Deiche des Küstensaums würden erhebliche
167 Breschen geschlagen. Die Flußbetten versalzten, die
168 Torfbildung stagnierte, und es kam zu Ablagerungen von Seeton.
169 Die Sedimente dieser nacheiszeitlichen Transgressionen werden als
170 " Altland " bezeichnet. Etwa 400 n. Chr. war nahezu die
171 gesamte Dünenlandschaft zerstört, deren Neubildung weiter
172 landeinwärts wiederum ca. 400 Jahre, also bis 800 n. Chr.
173 dauerte. Die während der zweiten und dritten Phase (10.
174 Jh.) der Dünkirchner Transgressionsperiode durch kalkhaltige
175 Lagen verjüngten Altlandgebiete gelten als " Mittelland ".
176 Die Landanschwemmungen dieser letzter Transgressionsphase
177 erfolgten entlang der sog. Inselkerne, das sind die von der See
178 verschonten Gebiete der Inseln. Jede später in den Meeresarmen
179 vorgebommene Landgewinnung wird als " Neuland " bezeichnet. Die
180 Flüsse verlegten bis zum 12.Jh. ihre Mündungen immer mehr
181 nach Südwesten bis in die jetzige Position. Die Westerschelde
182 entstand erst um 1400. Der reiche Tierbestand und
183 Pflanzenbestand in und an den Meeresarmen Seelands wird durch zwei
184 Naturerscheinungen besonders gefördert: Das rhythmische ein
185 strömende und ausströmende Wasser und die Überspülung des
186 Außendeichlandes, das zwischen Fluß und Deich liegt, bestimmen
187 den Reichtum an Bodenorganismen und damit auch den der Vogelwelt.
188 Die mannigfachen Übergangszonen (z. B. von Salz
189 wasser nach Brackwasser) rufen in dem Gebiet einen
190 außergewöhnlichen Pflanzenreichtum hervor. Begünstigt ist
191 besonders das Küstensumpfland entlang der noch nicht eingepolderten
192 Groden an der Westerschelde. Den größten Artenreichtum birgt
193 das Oosterscheldegebiet. Die Oosterschelde ist ein von der
194 Schelde getrennter Meeresarm. Sie zeichnet sich durch ein
195 vielfältiges Bodenrelief mit Fahrrinnen bis zu 45 m Tiefe aus,
196 die, ständig durch Ebbe und Flut ausgespült, tiefe
197 Verbindungen zur Nordsee bilden. Durch den NW/SO Verlauf
198 der Küste wird die Strömung an mehreren Stellen abgeschwächt
199 und umgelenkt, so daß kreisende Wasserbewegungen entstehen.
200 Diese begünstigen eine ständige Sedimentation. Im ruhigen
201 östlichen Teil werden Schlamm, im wesentlichen Bereich Feinsand
202 abgelagert. Ostlich von Yerseke ist ein seichtes Bassin
203 entstanden, in dem wegen des Strömungssogs nach Norden nur noch
204 ein minimaler Wasseraustausch stattfindet (13 %). Der
205 Salzgehalt des Wassers hält sich zeitlich und örtlich ziemlich
206 konstant, im östlichen Teil 16-19 % cl. im westlichen
207 Teil etwa gleich dem der Nordsee 3 % (euhalin). Das helle,
208 saubere, mit Sauerstoff gesättigte Wasser weist im östlichen
209 Bereich wegen der geringen Strömung durchschnittlich eine
210 gegenüber der Nordsee etwas höhere Sommertemperatur und
211 etwas niedrigere Wintertemperatur auf. In der Übergangszone von
212 Land zu Wasser zwischen der mittleren Hochwasserlinie
213 und Niedrigwasserlinie - im sog. Pendelmilieu - lebt eine
214 artenreiche Mikrofauna. Sie bildet die Nährungsgrundlage einiger
215 Entenarten und Stelzvögel, die hier insgesamt etwa 30 % der
216 Wintergäste des gesamten Deltagebietes ausmachen. Die Vielfalt
217 der beinahe 650 Organismen unter ihnen z. B. 150 Arten von
218 Algen, davon fast 80 verschiedene Kieselalgen und über 350
219 verschiedene Arten von Wassertieren (70 Fischarten) läßt
220 erkennen, wie sehr dieses Wassermilieu das Wachstum der
221 Organismen begünstigt. Besiedlung und Landgewinnung.
222 In Seeland hat die Bevölkerung immer in enger Verbindung mit dem
223 Meer gelebt. Vermutlich entstanden die ersten Siedlungen schon in
224 prärömischer Zeit. Urkundlich lassen sich Siedlungen,
225 vorwiegend ringförmig angelegte Burgdörfer aber erst aus
226 frankischer Zeit und Wurten aus dem hohen Mittelalter nachweisen.
227 Über die ältesten Deichanlagen ist aus Urkunden nichts bekannt.
228 Erstmals aus dem Jahre 1205 wird der Deichbau zwischen Rodenburg
229 und Oostburg (seeländische Flandern) erwähnt. Nach der
230 Abriegelung einiger Teile des Festlandes gegenüber dem
231 unmittelbaren Einfluß des Meeres verließen die Bauern die
232 Wurten und besiedelten den neuen Küstenstreifen. Soweit die
233 Dünen keinen natürlichen Schutz boten, war das Land auch
234 weiterhin der offenen See preisgegeben. So geschah es, daß
235 zwischen 1300 und 1500 die Gemeinden Wevelswale und Boterzande,
236 Ten Hamer und Hugevliet bei IJzendijke in Seeländischen
237 Flandern mit ihrer gesamten Bevölkerung vom Meer überflutet
238 wurden. Durch die Anlage von Deichen wurden Landanschwemmungen
239 auf der Seeseite begünstigt. Dies wiederum ermöglichte die
240 spätere Neulandgewinnung (Polder), indem neue Deiche im Meer
241 angelegt wurden. Man nimmt an, daß die ältesten Einpolderungen
242 Seelands in Seeländisch Flandern vorgenommen wurden. Aus dem
243 Grundriß von Cades-zand (Cadzand) ist erkenntlich, daß
244 hier einst (um 1150) ein Wallsystem bestanden hat, durch das ein
245 Grodenabschnitt nach dem anderen eingedeicht und eingepoldert werden
246 konnte. Nach heutigen Maßstäben muß dies als ein sehr
247 bescheidener Landgewinn bezeichnet werden. 1138 wurde zum ersten
248 Mal das Wort " polre " (Polder) in einer Urkunde erwähnt,
249 die sich auf den " Sudhpolra " bei Ramskapelle bezieht. Die
250 Abriegelung der Küstenstreifen zog neue Siedler aus dem
251 Hinterland an. War bei der Besiedlung des Altlandes und der
252 frühmittelalterlichen Eindeichungen in ganz Seeland das Ringdorf
253 vorherrschend, so ist die einem Rechteck gleichende Dorfanlage
254 für das Neuland kennzeichnend, Beispiele dafür sind Kats,
255 Colijnsplaat in Nordbeveland, St. Philipsland und Bruinisse.
256 Dörfer, deren Wohngebäude und Wirtschaftsgebäude
257 entlang der Wege aufgereiht sind, finden sich sowohl auf Altland,
258 z. B. St. Laurens in Walcheren und Driewegen in
259 Südbeveland als auch auf Neuland (Rapenburg und Nieuwvliet in
260 Seeländisch Flandern). Den wesentlichen Grund für die
261 Verschiedenheit der Siedlungsformen bildeten wohl die
262 wasserbaulichen Verhältnisse bei der Erschließung des Gebietes:
263 Das Altland wurde zuerst besiedelt und dann eingedeicht,
264 während das Neuland zuerst eingedeicht und dann besiedelt wurde.
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