Quelle Nummer 345
Rubrik 07 : POLITIK Unterrubrik 07.11 : TAGESPOLITIK
DER SPIEGEL
NR. 26, 25.JG., 21.6.1971
S. 21- (RUBRIK "DEUTSCHLAND")
001 " Keine Sorge, Nixon ist kein Johnson ".
002 Eineinhalb Jahre nach ihrem Start driftet Willi Brandts
003 Ostpolitik in freundliche Gewässer: US-Präsident
004 Richard Nixon und der sowjetische Parteichef Leonid Breschnew
005 haben letzte Woche erkennen lassen, daß sie aus innenpolitischen
006 Gründen ihre Entspannungspolitik forcieren möchten. Beide
007 scheinen bereit, Verhandlungen über Truppenabzug und
008 Raketenabwehr mit ihren Berlin-Gesprächen und den Bonner
009 Ostverträgen zu akkordieren. Nach anderthalbstündigem
010 Politgespräch unter vier Augen zog Gastgeber Richard Nixon am
011 vergangenen Dienstag Bilanz: " Wissen Sie, Herr
012 Bundeskanzler, das ist doch eine gute Sache, wie die Dinge
013 laufen. Sie haben viel in Gang gebracht. " Dann verknüpfte der
014 Präsident Brandts Ostpolitik mit seinen Plänen zur
015 beiderseitigen Truppenverminderung in Europa (" Mutual Balanced
016 Force Reduction ", MBFR) und zur Begrenzung der
017 strategischen Waffen (" Strategic Arms Limitation Talks ",
018 Salt): " Eine Berlin-Regelung würde sich günstig auf
019 MBFR und Salt auswirken, und Fortschritte bei MBFR und
020 Salt würden sich günstig auf Berlin auswirken. " Staatsmann
021 Brandt sah es historisch: " Ich stimme Ihnen zu, Herr
022 Präsident. Wenn wir zu Rande kommen, dann haben wir mehr
023 erreicht, als unsere Vorgänger und selbst Präsident Kennedy je
024 erreicht haben. " Am selben Tag und beinahe zur gleichen Stunde
025 verkündete Nixons weltpolitischer Gegenspieler, der sowjetische
026 KP-Chef Leonid Breschnew, auf dem 8.SED-
027 Parteitag in Ost-Berlin mit ungewohnter Konzilianz seine
028 Bereitschaft zu einem Arragement: " Die Lage ist so, daß
029 jetzt im Westen realistisch denkende Kreise auf den Plan getreten
030 sind (...) Wir zollen den Regierungen der kapitalistischen Länder
031 Achtung, bei denen unser Bestreben Anklang findet (...) den Weg
032 der Entspannung (...) zu gehen. " Vor allem innenpolitische Sorgen
033 veranlassen Washington, Moskau und Bonn, so demonstrativ ihren
034 Entspannungswillen zu bekunden: Nixon braucht für die
035 Präsidentschaftswahlen im November nächsten Jahres dringend
036 einen nennenswerten außenpolitischen Erfolg, da seine
037 Administration die Probleme der Nation - Vietnamkrieg,
038 Inflation, Massenarbeitslosigkeit, Rassendiskriminierung -
039 nicht bewältigt hat; Breschnew muß die sowjetische
040 Volkswirtschaft von einer Lawine von Rüstungskosten entlasten,
041 will er seine innenpolitischen Versprechen erfüllen; Brandt ist
042 darauf angewiesen, eine befriedigende Berlin-Regelung zu
043 präsentieren, damit nicht auch noch seine Ostpolitik, wie die
044 Reformpolitik, in Anfängen und Halbheiten steckenbleibt.
045 Ersatz suchen nicht nur die USA in der Außenpolitik: (Sigle) Die
046 Sowjet-Union baut ebenfalls auf MBFR, weiß aber, daß
047 sie die USA dafür nicht zum Partner bekommt, solange sie sich
048 gegen eine dem Westen akzeptabel erscheinende Berlin-Regelung
049 sträubt. (Sigle) Die Bundesrepublik ist auf den guten Willen der
050 vier Mächte in den Berlin-Verhandlungen angewiesen und darf
051 mithin die beiden Großen nicht durch Vorbehalte gegen MBFR
052 verärgern. Allein die DDR störte bislang die Harmonie. Sie
053 kommt durch die Gespräche zwischen Nato und Warschauer Pakt
054 über Truppenreduzierung und die Viermächte-Verhandlungen
055 über Berlin der ersehnten völkerrechtlichen Anerkennung nicht
056 näher. Diese kann sie allenfalls von der gleichberechtigen
057 Teilnahme an einer Konferenz aller interessierten Staaten über
058 die europäische Sicherheit (SKE) erwarten - die
059 ursprünglich nach dem Wunsch der Russen sicherlich nicht zuletzt
060 der DDR zuliebe vor einer MBFR stattfinden sollte.
061 Allerdings, mit dem Wechsel von Ulbricht zu Honecker könnte
062 eine flexiblere Ost-Berliner Haltung verbunden sein. Im
063 Warschauer Außenministerium bekamen westdeutsche Besucher letzte
064 Woche die Meinung zu hören, Ulbricht habe wegen Berlin gehen
065 müssen. Man wundere sich in Warschau, wie naiv die westliche
066 Presse auf den Machtwechsel in Ost-Berlin reagiert habe.
067 Für die Moskauer Absicht, in Berlin weiterzukommen, habe
068 Honecker " nicht die gleiche Größe " wie Ulbricht - es sei
069 leichter, bei ihm Moskauer Wünsche durchzusetzen. Taktvoll
070 vermied es Breschnew in Ost-Berlin daher auch, die deutschen
071 Genossen mit seinem jetzt vordringlichen Interesse an MBFR zu
072 konfrontieren. Statt dessen forderte er die DDR-Regierung
073 in seiner Parteitagsrede auf, mehr Selbstbewußtsein zu zeigen.
074 Die Angst, daß die eigenen Interessen durch einen MBFR-
075 Dialog vernachlässigt werden könnten, plagte freilich bislang
076 auch Bonn. Willy Brandt und seine Ostplaner hatten geargwöhnt,
077 die Berlin-Verhandlungen könnten durch ein MBFR-
078 Arrangement in den Hintergrund treten. Doch seit den unerwarteten
079 Fortschritten bei den Gesprächen der alliierten Experten im
080 Berliner Kontrollratsgebäude Ende Mai, spätestens jedoch seit
081 Brandts jüngstem Treffen mit US-Präsident Nixon fühlt
082 sich Bonn dieser Sorge ledig. Kanzler und Präsident waren sich
083 einig, daß es eines formellen Junktims zwischen Berlin und
084 MBFR - sowie zwischen Berlin und der SKE - gar nicht mehr
085 bedürfe. Nach menschlichem Ermessen werde eine befriedigende
086 Berlin-Regelung ausgehandelt sein, noch bevor die Ost-
087 West-Gespräche über die Truppenreduzierung in ein
088 entscheidendes Stadium treten. Nicht einmal Nixons Berater,
089 geschweige denn die westlichen Verbündeten, sind sich bislang auch
090 nur über ein Verhandlungskonzept einig, das dem Warschauer Pakt
091 unterbreitet werden könnte. Außenminister Rogers neigt dazu -
092 so des Kanzlers Sondierungsergebnisse in Washington - es bei dem
093 Angebot einer lediglich symbolischen Reduzierung der
094 Truppenstärken von nicht mehr als fünf Prozent bewenden zu lassen.
095 Alles weitere müsse vom Verlauf des Dialogs mit dem Warschauer
096 Pakt abhängig gemacht werden. Nixons Sicherheitsberater Henry
097 Kissinger hingegen, mit dem sich Bonns Ostexperte, Kanzleramts
098 -Staatssekretär Egon Bahr, traf, will die Politik der
099 kleinen Schritte überspringen und mit einem massiven Angebot auf
100 Reduzierung von mindestens zehn, höchstens 30 Prozent der
101 Truppenstärke den Entspannungswillen des Ostens testen. Die
102 Beamten von Rogers schließlich empfehlen, den Plan ihres Chefs
103 mit dem Konzept Kissingers zu verschmelzen: Schon bei
104 Verhandlungsbeginn soll dem Ostblock ein Zweistufen-Plan
105 angeboten werden, der als ersten Schritt eine symbolische
106 Truppenverminderung vorsieht, zugleich aber einen konkreten
107 Vorschlag über das Ausmaß der weiteren Truppenverdünnung
108 enthält. Der in Ostverhandlungen erfahrene Bahr riet seinem
109 Gesprächspartner Kissinger, dieser Empfehlung zu folgen. Er
110 kündigte freilich zwei Bonner Bedingungen an: Die
111 Bundesrepublik bestehe darauf, daß sich die Truppenverminderung
112 nicht auf das Gebiet der beiden deutschen Staaten beschränken
113 dürfe, sondern mindestens noch die Tschecoslowakei mit einbeziehen
114 müsse; besser sei sogar noch ein Rückgriff auf den
115 Entspannungsplan des früheren polnischen Außenministers Adam
116 Rapacki, der auch Polen einschloß. Vor allem aber müsse
117 sichergestellt sein, daß nicht nur Sowjet-Union und USA,
118 sondern auch die Bundesrepublik MBFR-Nutznießer werde.
119 Der unter permanenter Finanznot leidenden sozialliberalen
120 Koalition müsse die Chance geboten werden, auch die Bundeswehr
121 zu verkleinern. Ein Kanzlerberater: " Sonst bauen die beiden
122 Großen ab, und die Bundeswehr ist die größte Militärmacht in
123 Europa. Wir wollen auch einmal eine für uns günstigere
124 Verteilung der Lasten. " Doch anders als im Sommer 1966, als
125 Nixon-Vorgänger Johnson den CDU-Bundeskanzler Ludwig
126 Erhard mit unnachsichtigen Maximalforderungen nach westdeutschen
127 Stationierungskosten erpreßt und so an seinem unrühmlichen Ende
128 mitgewirkt hatte, waren die Amerikaner diesmal bereit, politische
129 Rücksichten zu nehmen. Noch vor Brandts Ankunft signalisierten
130 sie erstmals ihre Bereitschaft, das Brandt/Nixon-
131 Gespräch wenigstens nicht mit dem neuerlichen Streit um
132 Truppenkosten zu belasten. Die US-Botschaft in Bonn ließ
133 das Kanzleramt wissen: " Keine Sorge, Nixon ist kein Johnson. "
134 Die Herren widmeten sich den Themen, bei denen sie eine
135 gleiche Interessenlage verbindet. Erleichtert stellte der Kanzler
136 nach dem Rendezvous im Weißen Haus fest: " In der
137 Beurteilung der Berlin-Verhandlungen und der Ostpolitik hat
138 sich eine nahtlose Übereinstimmung der Auffassungen ergeben. "
139 Noch bei seinem letzten Besuch in Washington im April 1970 hatte
140 Brandt deutliche Reserve der Nixon-Administration gegenüber
141 seiner neuen Ostpolitik registriert. Diesmal erntete er
142 freundschaftlichen Zuspruch. Brandt-Intimus Conrad Ahlers
143 deutete den Sinneswandel der Amerikaner: " Die haben jetzt die
144 Ostpolitik entdeckt, man könnte auch sagen, sie haben sie von uns
145 übernommen. " Zwei Tage später entdeckte Brandts DDR-
146 Kollege Willi Stoph vor dem SED-Parteitag in Ost-
147 Berlin die Westpolitik der Sowjet-Union. Ähnlich wie vor
148 ihm Breschnew bekannte sich nun auch der SED-
149 Ministerpräsident zu einer Berlin-Regelung, " die den
150 Interessen aller Verhandlungspartner entsprechen " soll.
151 Steuerreform.. Entscheidender Vorteil.. Für
152 ihren Sonderparteitag im November hat die SPD ein eigenes
153 Konzept zur Steuerpolitik entwickelt. Anders als die
154 sozialliberale Koalition will die SPD die mittleren und höheren
155 Einkommen steuerlich mehr belasten. Beim größten
156 Reformvorhaben des SPD/FDP-Kabinetts droht den
157 Koalitionspartnern der größte Konflikt. Zehn Tage nachdem die
158 Regierung Brandt/Scheel " Eckwerte und Grundsätze "
159 (Doppelminister Schiller) der Steuerreform 1974 verabschiedet
160 hatte, beschloß die Steuerreformkommission der SPD nach knapp
161 einjähriger Beratung in insgesamt 19 Sitzungstagen am vergangenen
162 Wochenende ein anderes Konzept. Der mühsame Kompromiß, den
163 Sozialdemokraten und Freidemokraten in in einer
164 Mammutsitzung des Kabinetts am Freitagmorgen vorvergangener Woche
165 für die Koalition gefunden hatten, gerät in Gefahr. Anders als
166 die Ministerrunde, die verabredet hatte, daß eine Änderung des
167 Steuersystems nicht zu Mehreinnahmen des Staates führen solle,
168 hatten sich die Steuerreformer der SPD nach dem letzten
169 Parteitag in Saarbrücken von vornherein auf höhere Steuern
170 festgelegt. Unter Vorsitz des linken Flügelmannes im Kabinett,
171 Entwicklungshilfeminister Erhard Eppler, wollten die
172 Steuerexperten der Partei empfehlen, " wie der höhere Bedarf
173 der öffentlichen Hände durch ein gerechteres Steuersystem zu
174 befriedigen sei " (Eppler). Dieser Auftrag beschnitt den
175 SPD. Steuerkommissaren freilich die Chance, die Bezieher
176 unterer Einkommen nachhaltig zu entlasten. Denn mehr öffentliche
177 Mittel für " Kindergärten und Schulen, Krankenhäuser und
178 Hallenbäder, Straßen und den Umweltschutz " können auch nach
179 Meinung von Mitgliedern der Reformkommission nicht so beschafft
180 werden, " daß der kleine Mann gar nichts und der große Mann
181 alles zahlt ". Chef-Reformer Eppler: " Wir machen keine
182 Aktion Volksbeglückung. " Folgerichtig schloß sich der
183 sozialdemokratische Reformzirkel den Plänen des Kabinetts an,
184 das auf Vorschlag des SPD-Rechten Karl Schiller den
185 Grundfreibetrag für Arbeitnehmer von 1680 lediglich auf 2040 Mark
186 erhöhen und den Eingangssteuersatz auf 20 Prozent festlegen will.
187 Schiller-Vorgänger Möller hatte den Arbeitern und
188 Angestellten einen Freibetrag von 2400 Mark versprochen und sich
189 mit 16 Prozent als unterster Steuerstufe begnügen wollen. Beim
190 Kindergeld allerdings schlügen die Steuerkommissare der Partei
191 eine sozialere Lösung vor als die Regierung. Für das erste und
192 zweite Kind sollten 60 Mark gezahlt werden, für jedes weitere
193 aber zwischen 80 und 120 Mark. Das Kabinett hatte dagegen
194 Steigerungsbeträge abgelehnt. Kommissionsvorsitzender Eppler
195 behauptet, daß sein Plan vorzugsweise den armen Kinderreichen
196 zugute käme, und preist seinen Familienlastenausgleich als
197 Korrektiv für die mageren Reformen bei den Steuersätzen:
198 " Da liegt bei uns der entscheidende Vorteil für den kleinen Mann. "
199 Der Sozialdemokrat ist sogar sicher, daß die Bezieher kleiner
200 Einkommen mit den geringen Entlastungen, die ihnen eine rein
201 sozialdemokratische Steuerreform bringen würden, zufrieden sind.
202 Eppler: " Der kleine Mann muß nur sehen, daß diejenigen,
203 die mehr leisten können, auch mehr leisten müssen. " Die
204 Kommission entschied, daß die gewünschten Steuer-
205 Mehreinnahmen bei Beziehern mittlerer und höherer Einkommen
206 kassiert werden sollen, für die im Kabinett Freidemokraten und
207 unternehmerfreundliche Sozialdemokraten mehrfach Schonung
208 durchgesetzt hatten. So verlangen die Steuerreformer der Partei,
209 die Begünstigung der Spitzenverdiener durch das sogenannte
210 Ehegatten-Splitting solle begrenzt werden. Danach könnten
211 nur noch Einkommensbezieher bis zu 40000 Mark die Hälfte des
212 Geldes bei der Ehefrau versteuern lassen und so der Progression
213 wie bisher entgehen. Bei Einkommen ab 40000 Mark soll der
214 Splitting-Vorteil ständig geringer werden. Ab 80000 Mark
215 Jahreseinkommen schließlich planen die SPD-Reformatoren,
216 die maximale Steuerersparnis durch Splitting auf 5000 Mark im
217 Jahr einzufrieren. Vor allem wollen die sozialdemokratischen
218 Steuerreformer mit den zahlreichen Sondervergünstigungen
219 aufräumen, die den Spitzenverdienern und Unternehmern zugute
220 kamen. Beispielsweise schlugen sie vor, den Paragraphen 6b des
221 Einkommensteuerrechts ersatzlos zu streichen, nachdem bislang
222 Verkaufserlöse steuerfrei sind, wenn sie wieder investiert werden.
223 Überdies sollen staatliche Investionshilfen für Unternehmen
224 nicht mehr durch unübersichtliche und kostspielige
225 Steuerfreibeträge, sondern nur noch durch offene
226 Zuschußzahlungen geleistet werden, um so den Spitzenverdienern
227 die Möglichkeiten der legalen Steuerumgehung wie etwa nach dem
228 Zonenrandförderungs-Steuergesetz. oder
229 Entwicklungshilfe-Steuergesetz zu versperren. Bei der
230 Vermögensteuer und Erbschaftsteuer will die Eppler-
231 Kommission die Reichen stärker belasten, als es die Regierung
232 mit Rücksicht auf die FDP bislang wagte. Zwar schlagen die
233 Partei-Kommissare wie die Regierung eine wesentliche
234 Erhöhung der Freibeträge vor, den 100-Millionen-Erben
235 aber, die mit dem Erblasser " direkt " verwandt sind, wollen sie
236 40 statt 30 Prozent des unverdienten Vermögens konfiszieren.
237 Großgrundbesitzer sollen durch eine Besteuerung der
238 nichtrealisierten Gewinne gezwungen werden, die Wertsteigerung
239 ihrer Grundstücke mit dem Fiskus zu teilen. Wo die Regierung
240 mittlere und höhere Einkommen begünstigen wollte - etwa durch
241 die Beseitigung der Doppelbesteuerung der Aktie -, sperren sich
242 die Reformer der SPD. Das sei nicht dringend und koste nur
243 Geld. Vor extremen Sätzen in der Einkommensteuer und
244 Körperschaftsteuer wollen die Sozialdemokraten Großverdiener und
245 Unternehmen noch bewahren. Der Spitzensatz von 56 Prozent
246 (statt der ursprünglich erwogenen 60 Prozent) ist allerdings an die
247 Bedingung geknüpft, daß mit der Steuerreform 1974 auch die
248 gesetzliche Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer eingeführt wird.
249 Auf ihrem Sonderparteitag im Herbst dieses Jahres in Bonn muß
250 die SPD zwischen ihrem eigenen Konzept und dem Kabinettsplan
251 wählen. SPD-Kommissions-Chef Eppler der dem
252 Regierungskompromiß zustimmte, versucht den Konflikt schon jetzt
253 zu entschärfen. " Eine gute Sache ", so Eppler über das
254 Steuermodell des Kabinetts, ist nicht deshalb schlecht, weil
255 jemand sagt, sie könnte noch besser sein: " Sein progressives
256 Kontrastprogramm interpretiert er vorsorglich so: " Was der
257 Parteitag beschließt, ist sozialdemokratische Steuerpolitik über
258 1973 hinaus. " CDU-Vorsitz. Kampf im Herbst
259 Rainer Barzel und Helmut Kohl sind an den Start gegangen.
260 Gerhard Schröder will sich nur dann am Rennen um den CDU-
261 Vorsitz beteiligen, wenn dabei die Vorentscheidung über die
262 Kanzlerkandidatur fällt. Kurt Georg Kiesinger bereitet
263 einen großen Abgang vor. Am 5.Juli will der Vorsitzende der
264 Christlich-Demokratischen Union vor den 40 Mitgliedern des
265 erweiterten Parteivorstands mit großer Geste seinen Verzicht auf
266 den Vorsitz bekanntgeben. Der Ex-Kanzler weiß, daß seine
267 Zeit als Parteiführer vorbei ist. Bei vielen Gesprächen mit
268 Parteifreunden im ganzen Land mußte er erkennen, daß seine
269 neuerliche Kandidatur für den Parteivorsitz auf dem
270 Saarbrückener Parteitag im Herbst dieses Jahres mit einer
271 schmerzlichen Niederlage enden könnte. Ein rechtzeitiger
272 Verzicht hingegen, so hofft Kiesinger, könnte ihm das
273 Wohlwollen des Parteivolks eintragen und damit eine günstige
274 Ausgangslage für die neue Position schaffen, die er nun anstrebt:
275 Der schwäbische Landesfürst a. D. will 1974 als
276 Nachfolger Gustav Heinemanns in die Bundespräsidenten-Villa
277 Hammerschmidt einziehen. Für einen solchen Auftritt aber schien
278 ihm die Sitzung der neun CDU-Präsidialen am Tag der
279 deutschen Einheit, dem Donnerstag letzter Woche, nicht der
280 repräsentative Rahmen.
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