Quelle Nummer 299
Rubrik 06 : RECHT Unterrubrik 06.13 : INLAENDISCHES
JUSTIZREFORM
RUDOLF WASSERMANN
RICHTER, REFORM, GESELLSCHAFT
BEITRAEGE ZUR ERNEUERUNG DER RECHTSPFLEGE
VERLAG C.F. MUELLER, KARLSRUHE 1970, S.49-
001 Programm zeitgemäßer Justizreform. Vorschläge
002 für eine durchgreifende Erneuerung der Rechtspflege. Die
003 zunehmende Unruhe, die gegenwärtig in der Justiz zu beobachten
004 ist, hat ihre tiefere Ursache in der Statusunsicherheit, die die
005 Richter angesichts der sozialen und politischen Wandlungen der
006 Gegenwart erfaßt hat. Da die Öffentlichkeit vornehmlich
007 spektakuläre Besoldungsforderungen aus der Richterschaft
008 registriert hat, ist - nicht zuletzt im Zusammenhang mit der
009 bekannten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Main)
010 zur Richterbesoldung - vielfach der Eindruck entstanden, die
011 Richter betrachteten die Anpassung der Justiz an die
012 Verhältnisse der modernen Industriegesellschaft vorwiegend oder
013 gar ausschließlich als ein finanzielles Problem. Viele Richter
014 wehren sich gegen diese Unterstellung, und das aus gutem Grund.
015 Es wäre eine schreckliche Vereinfachung, wenn sich die Ansicht
016 festsetzte, mit der finanziellen Besserstellung der Richter wären
017 alle justizpolitischen Probleme gelöst. Außer Frage steht,
018 daß die Unabhängigkeit der Richter gerade in der modernen
019 Gesellschaft eines materiellen Rückhalts bedarf. Die Anpassung
020 der Justiz an die neuen Wirklichkeiten erschöpft sich jedoch nicht
021 darin, daß die Richter besser bezahlt werden, als dies zur Zeit
022 der Fall ist. Was nottut, ist weit mehr, nämlich eine
023 gründliche Erneuerung unseres Rechtslebens, die auch vor
024 verfestigten Strukturen und eingewurzelten Gewohnheiten nicht
025 haltmacht. Das Unbehagen in der Justiz, das für
026 denjenigen, der die Verhältnisse in der Justiz kennt, keineswegs
027 überraschend aufgekommen ist, trifft auf ein noch tiefer sitzendes
028 Unbehagen an der Justiz, das so alt ist, daß man sich an
029 seine Existenz schon gewöhnt zu haben scheint. Fragt man, worauf
030 sich die anhaltende Mißstimmung gründet, so stößt man auf seit
031 langem bekannte, in der Diskussion über die Justizreform immer
032 wieder erörterte Phänomene. Man mag darüber streiten, ob
033 unsere Rechtspflege sich in einer Dauerkrise befindet oder nicht.
034 Außer Frage steht jedoch, daß sie hinter den Anforderungen
035 zurückbleibt, die in einem modernen Staatswesen an sie gestellt
036 werden müssen. Wenn es beispielsweise sechs Jahre dauert, bis
037 ein mittelschwerer Verkehrsunfall rechtlich durch alle Instanzen
038 abgewickelt ist, so bedeutet das kein Ruhmesblatt - weder für
039 die Justiz noch für die Öffentlichkeit, die diesen Zustand
040 hinnimmt, statt auf seine Beseitigung zu dringen. Die
041 Unübersichtlichkeit des Gerichtsaufbaues, die Kompliziertheit
042 der verfahrenstechnischen Regelungen, die Schwerfälligkeit und
043 Langsamkeit des Verfahrens auf der einen, das Verharren in
044 antiquierten Mentalitäten und überlebten Gewohnheiten auf der
045 anderen Seite rufen beim Bürger weniger Zuneigung und Vertrauen
046 hervor als vielmehr Abwehr und Mißtrauen. Man kann auch nicht
047 übersehen, daß die Justiz in der Bundesrepublik nicht so stark
048 und unangefochten ist, wie sie das nach der Verfassung eigentlich
049 sein sollte. Was das Grundgesetz seinerzeit proklamiert hat, um
050 die rechtsprechende Gewalt zu einem Eckpfeiler der modernen
051 Demokratie zu machen, ist in entscheidenden Teilen nicht
052 Realität geworden, sondern Versprechen geblieben. Nur das
053 Bundesverfassungsgericht hat es verstanden, den durch das
054 Verfassungsgesetz geweckten Erwartungen gerecht zu werden. Was
055 die übrigen Gerichte angeht, so ist leider deren besondere
056 Funktion im Staatsgefüge noch nicht genügend erkennbar. Da die
057 Organisationsstruktur der Justiz der der Verwaltung ähnelt und
058 Abhängigkeit des Obrigkeitsstaats, sprich:
059 Exekutivstaats kultiviert, begreift der Bürger kaum, daß er es
060 nicht mit Behörden zu tun hat, wenn er auf Gerichte stößt. Er
061 hält die Gerichte weniger für eine unabhängige dritte Gewalt
062 unseres Staates als vielmehr für einen Zweig der staatlichen
063 Verwaltung. Verhaltensgewohnheiten innerhalb der hierarchisch
064 gegliederten Richterschaft selbst begünstigen dieses
065 Mißverständnis. Viele Richter gerieren sich kaum anders als
066 Beamte, die definitionsgemäß Glieder anonymer Behörden sind.
067 Zu selten wird das persönliche Engagement deutlich, das den
068 Richter auszeichnen sollte. Der Bürger erlebt infolgedessen vor
069 Gericht weniger den " Richter " als vielmehr den " Apparat ".
070 Kann es da Wunder nehmen, wenn sich Bürger unseres Staates
071 immer wieder an Spitzen der staatlichen Exekutive und der
072 Justizverwaltung - Bundespräsident, Ministerpräsident,
073 Justizminister, Gerichtspräsident - mit der Aufforderung
074 wenden, in die Angelegenheiten der Rechtsprechung einzugreifen,
075 um dort Remedur zu schaffen - kaum anders als zu Zeiten
076 Friedrich 2.und des Wassermüllers Arnold? Die
077 Diskrepanzen, die in dieser Weise zwischen dem Anspruch seines
078 Amtes und dessen Wirklichkeit bestehen, aber auch zwischen den
079 Anforderungen seitens der Gesellschaft und dem Unvermögen, sie
080 zu erfüllen, spürt der Richter in seiner persönlichen Stellung
081 wie in seiner beruflichen Tätigkeit. Liest er das Grundgesetz,
082 so kann ihm nicht verborgen bleiben, daß das Richteramt darin
083 herausgehoben ist wie nie zuvor in der deutschen Geschichte.
084 Vergleicht er damit die Daten seiner sozialen und wirtschaftlichen
085 Existenz, so sieht er sich hinter beamteten Studienkollegen
086 zurückgesetzt, die es verstanden haben, die Aufblähung der
087 Verwaltung … la Parkinson für ihre Karriere zu nutzen. Und
088 er beobachtet weiter, daß Aufwendungen des Staatshaushaltes für
089 die Justiz regelmäßig ganz erheblich hinter dem zurückbleiben,
090 was anderen staatlichen Aufgabenbereichen zufließt. Die
091 wirtschaftliche Situation des Richters wie die Ausstattung seines
092 Arbeitsplatzes ist aber kein individuelles, sondern ein
093 staatspolitisches Problem. Daß nicht, wie in der Vorstellung
094 der Altliberalen, schon die Gesetze den Rechtsstaat verwirklichen,
095 ist heute, bei zunehmender soziologischer Betrachtungsweise,
096 fast ein Gemeinplatz. Realität wird der Rechtsstaat erst durch
097 seine Effektivität, mithin im Konfliktsfall durch die
098 Rechtsprechung der Gerichte. Wie kann unter diesen Umständen
099 ein Rechtsstaat glaubwürdig sein, wenn der Fortschritt an seiner
100 Rechtspflege vorübergeht? Wenn seine Justiz materiell
101 unzureichend ausgestattet, finanziell benachteiligt ist, wenn sie
102 des frischen Luftzuges der Ideen entbehrt und nicht zu
103 Kontroversen herausgefordert wird, wenn sie nach Prinzipien des 19.
104 Jahrhunderts lebt, obwohl wir uns schon im letzten Drittel des
105 20.befinden? Diese Frage, über die man bisher mit einem
106 mehr oder weniger verlegenen Achselzucken hinweggegangen ist,
107 können wir nicht länger ignorieren, weder innerhalb noch
108 außerhalb der Justiz. Einer der Gründe dafür, weshalb der
109 Justiz die Anpassung an die moderne politische und soziale
110 Entwicklung so schwerfällt, ist in letzter Zeit häufig beim
111 Namen genannt worden: die konservative Geisteshaltung der
112 Richter, die nicht nur funktional, sondern auch sozial bedingt ist.
113 Sie gestattet ihnen selten, politischen und sozialen
114 Veränderungen anders als mit großem zeitlichem Abstand zu folgen.
115 Ein anderer Grund liegt in der fehlenden Bereitschaft der
116 Regierungsressorts, kühne, ausgreifende Pläne vorzulegen, ein
117 weiterer in dem mangelnden Interesse der politischen
118 Öffentlichkeit. Die Justiz wird zwar oft und gern kritisiert,
119 aber seitens der politischen Öffentlichkeit ist bisher nicht genug
120 getan worden, um ihr zu helfen, ihrer Rolle in der demokratischen
121 Gesellschaft gerecht zu werden. Von Ausnahmen wie dem politischen
122 Strafrecht, der ungesühnten Nazijustiz und den Prozessen gegen
123 die Gewaltverbrecher der Nazizeit abgesehen, hat die
124 Öffentlichkeit der Rechtspolitik und Justizpolitik
125 bisher vergleichsweise nur geringe Beachtung gewidmet. Immer
126 wieder war vermeintlich Wichtigeres zu tun: Wirtschafts
127 politik, Sozialpolitik, Kulturpolitik,
128 auch Gesundheitspolitik. Die Sorge um ein besseres Recht und
129 eine bessere Rechtspflege blieb auch dort ephemer, wo man sie in
130 Festreden beschwor, weil die Taten in keinem angemessenen
131 Verhältnis zu den Worten standen. Man ließ die Fachleute
132 gewähren, ohne zu fragen, ob deren Anschauungen oder
133 Begriffsmechanismen vordemokratisch waren oder nicht. Es ist
134 bezeichnend, daß der Rechtspolitische Kongreß, den die
135 Sozialdemokratische Partei Ende März 1965 in Heidelberg abhielt,
136 ein Novum im deutschen Parteienstaat war. Bisher kam man wohl
137 zu Konferenzen oder Studientagungen zusammen, in denen man sich,
138 meist aus Anlaß bestimmter Gesetzesvorhaben, mit
139 rechtspolitischen Fragen befaßte. Die Notwendigkeit, nicht nur
140 sozialpolitische, wirtschaftspolitische und
141 kulturpolitische Programme, sondern auch ein rechtspolitisches
142 Konzept zu entwickeln und vor der Öffentlichkeit darzulegen,
143 wurde entweder nicht empfunden oder nicht als dringlich anerkannt.
144 Dabei haben rechtspolitische und justizpolitische Fragen
145 in unserer Zeit keine geringere Bedeutung als die anderen großen
146 Probleme unseres Staatslebens und Gesellschaftslebens.
147 Je mehr die Macht der Apparate wächst, um so notwendiger ist es,
148 die Freiheit des Bürgers zu stärken und seinen Rechtsschutz
149 wirksamer zu gestalten. In der veränderten Rolle der Gerichte
150 wird dieser Trend besonders deutlich: Ehedem konnte man die
151 Aufgabe der Rechtsprechung dahin definieren, individuelle
152 Streitfälle zwischen den Bürgern zu entscheiden und die
153 Gesellschaft vor Rechtsbrechern zu schützen. Heute wird von den
154 Gerichten verlangt, daß sie darüber hinaus sozialstaatliche
155 Rechte gewährleisten, die Staatsgewalt kontrollieren und
156 Interessenkonflikte in beinahe allen Bereichen des
157 gesellschaftlichen Lebens ausgleichen. Sie sollen, wie es für
158 französische Verhältnisse der Club Jean Moulin
159 ausgedrückt hat, ein Organ werden, welches das friedliche
160 Miteinanderexistieren widerstrebender sozialer, wirtschaftlicher
161 und politischer Kräfte sichert. Der Pragmatismus, mit dem sich
162 die Machthaber auf der politischen Szene - von Ausnahmen wie der
163 kleinen Strafprozeßreform abgesehen - meistens begnügt haben,
164 ist in dieser Lage keine zureichende Methode. Es bringt nur
165 Stückwerk zuwege, eine Änderung der Fassade, während im
166 Grunde alles beim alten bleibt. Bedenklich wäre es allerdings
167 auch, sich bei Reformdebatten Richterutopien zu verschreiben.
168 Man muß den Richter sehen, wie er ist. Ebensowenig sollte man
169 der Magie der kleinen Zahl verfallen. Wer sich an dem Idealbild
170 eines " Richterkönigs " berauscht oder sich dem Traum einer
171 elitären Richteraristokratie hingibt, verfehlt die Wirklichkeit
172 der Verhältnisse, in denen die Reform durchgesetzt werden muß.
173 Not tut neben der nüchternen Einsicht in die Ursachen der Misere
174 die Entwicklung einer Strategie der Veränderung. An deren
175 Anfang steht eine Erkenntnis, zu der die verfahrene Situation
176 einfach zwingt. Ohne in die Zukunft weisende Leitideen, an denen
177 sich die aktuellen Entscheidungen orientieren können, ist auch
178 Rechtspolitik nicht viel mehr als das Ergebnis eines Spiels
179 blinder Kräfte. Wenn das anders werden soll, müssen jenseits
180 der Unverbindlichkeit politischer Allgemeinplätze und utopischer
181 Ideen Programme mittlerer Reichweite entwickelt werden, etwa für
182 die 70er Jahre, die die Probleme der Erneuerung von
183 Rechtsordnung und Rechtspflege zukunftsträchtigen Lösungen
184 zuführen. Justizpolitik ist keine Sache der Richter allein und
185 ebensowenig eine Angelegenheit nur der Justizverwaltungen; sie
186 geht die gesamte Gesellschaft an. Deshalb muß sie aus ihrer
187 Esoterik heraus. Eine zeitgemäße Justizreform verlangt die
188 Zusammenarbeit von Politikern, Fachleuten und Bürgern. Die
189 politischen Konsequenzen aus dem, was die Fachleute für notwendig
190 halten, können nur die Politiker ziehen, und umgekehrt müssen
191 die Fachleute beachten, welche Anforderungen die Neugestaltung
192 des Verhältnisses von Staat und Bürger in der sozialen
193 Demokratie an die Rechtspflege stellt. Wie nun müßten die
194 Grundlinien eines solchen Aktionsprogramms und
195 Reformprogramms aussehen? Weder das Interesse eines Standes
196 noch die Sicht des Rechtspflegeapparats können die Ziele der
197 Reform bestimmen. Maßgebend muß eine umfassendere Perspektive
198 sein, nämlich die des Bürgers in einem Staat, der nicht nur ein
199 Rechtsstaat schlechthin, sondern ein demokratischer und sozialer
200 Rechtsstaat sein will. Wenn man aber nicht von den Bedürfnissen
201 des Rechtspflegeapparats und seiner Angehörigen, sondern vom
202 Bürger und von der Gesellschaft ausgeht, dann ist es
203 unerläßlich, das soziale Elemente von Recht und Gericht und
204 seine Bedeutung für jedermann in den Vordergrund zu stellen. Das
205 heißt einmal, daß der Rechtsstreit als Fall sozialer Not und
206 der Rechtsgang als staatliche Wohlfahrtseinrichtung (Franz
207 Klein) erkannt werden müssen. Zum anderen drängt sich die
208 Einsicht auf, daß die Rechtspflege, unbeschadet ihres sozialen
209 Charakters, dem Bürger fremd ist. Die Justiz ist heute eine im
210 wesentlichen für Eingeweihte (" Fachleute ") bestimmte und
211 verstehbare Einrichtung. Sie wird, wie Eugen Schiffer
212 schon in den zwanziger Jahren gesagt hat, nicht als ein innerhalb
213 der Schranken des Menschen zuverlässiges Mittel empfunden, die
214 Wahrheit festzustellen und zu verwirklichen, sondern als ein
215 formalistischer Apparat in der Hand formal geschulter
216 Rechtstechniker zur Erzielung formaler Ergebnisse. Will man sich
217 damit nicht abfinden, dann muß die Justiz in ein engeres
218 Verhältnis zur Gesellschaft und zum Bürger gebracht werden. Es
219 ist nicht einfach dieses Postulat zu erfüllen. Das Recht wurde
220 in Deutschland bisher vorwiegend vom Apparat, nicht vom Menschen
221 her gedacht. Es hat weniger der Freiheit als der Macht gedient.
222 Das ist auch der tiefere Grund, weshalb im Verfahrensrecht nicht
223 selten das Interesse des Bürgers weniger gilt als das
224 Funktionsinteresse des Rechtspflegeapparates. Nicht hoch genug
225 kann veranschlagt werden, daß das Grundgesetz mit dieser
226 obrigkeitsstaatlichen Tradition gebrochen hat, indem es nicht den
227 Staat, sondern den Menschen in das Zentrum seines Wertsystems
228 gestellt hat. Der Rechtsstaat des Grundsgesetzes ist jedoch kein
229 Besitz, sondern ein Auftrag, der ausgeführt, eine Aufgabe,
230 die verwirklicht werden muß. Es wird noch erheblicher
231 Anstrengungen bedürfen, bis der dadurch inaugurierte Wandel in
232 der Rechtspraxis Wirklichkeit geworden ist. Die erste Aufgabe,
233 deren Inangriffnahme die neuen politischen und gesellschaftlichen
234 Wirklichkeiten von der deutschen Justiz verlangen, ist die
235 Überwindung der obrigkeitsstaatlichen Verhaltensgewohnheiten
236 und Denkgewohnheiten, die in der Justiz bewußt und unbewußt
237 noch wirksam sind. Ein Stilwandel also, der mit dem Grundsatz
238 Ernst macht, daß der Mensch nicht um des Staates willen,
239 sondern der Staat um des Menschen willen da ist. Für den
240 Richter geht es darum, sich endgültig und unwiderruflich vom
241 Verhaltenstyp des Staatsjuristen alter Prägung zu lösen, die
242 freiheitliche Verfassung mit ihren Grundrechten und dem Prinzip
243 der Menschenwürde in das gerichtliche Verfahren hineinzunehmen und
244 in dem Bürger, der vor Gericht steht, nicht mehr das Objekt von
245 Herrschaftsausübung und Machtausübung, sondern den
246 Mitmenschen zu sehen, dem in einem fairen Verfahren sein Recht
247 werden soll. Das ist keine leichte Aufgabe angesichts der
248 Beharrungskraft, die den Gewohnheiten eines Standes - noch mehr
249 als individuellen Sitten - eigen ist. So muß, um nur
250 Beispiele zu nennen, der militärische Kommandoton aus den
251 Sitzungssälen der Justiz verschwinden, die fatale Ausdrucksweise
252 einer geborgten Autorität, die vorzugsweise dort gepflegt wird,
253 wo es an einer eigenen mangelt. Die automatenhafte, unpersönliche
254 Sprache der Urteilsbegründungen muß einer persönlichen Sprache
255 weichen. Im Angeklagten des Strafprozesses ist nicht nur in der
256 Theorie, sondern auch in der Verfahrenspraxis der Mensch zu sehen,
257 dessen Schuld vor seiner Verurteilung nicht feststeht.
Zum Anfang dieser Seite