Quelle Nummer 210
Rubrik 11 : LITERATUR Unterrubrik 11.04 : VERSCHIEDENES
UEBER ILLUSTRIERTE
PETER KAUPP
DIE SCHLIMMEN ILLUSTRIERTEN
LESERSCHAFT, INHALT UND WIRKUNG DER NEUEN REVUE
MASSENMEDIEN UND DIE KRITIK IHRER KRITIKER
ECON VERLAG, DUESSELDORF, WIEN 1971
S. 93-105
001 Die Grenzen der Beeinflussung. Den Illustrierten
002 werden heute von ihren Kritikern die schlimmsten Vorwürfe gemacht.
003 " Was man ihnen mit Recht zum Vorwurf machen kann ", schreibt
004 z. B. Rudolf Joerden, " ist die Zerstörung jeder
005 Urteilskraft durch das wirkungslose Durcheinander mit einer
006 deutlichen Bevorzugung des Sensationellen, d. h. nur
007 Interessierenden, im Grunde aber völlig Belanglosen. "
008 Eberhard Stammler glaubt, daß Millionen von Illustriertenlesern,
009 vor allem die Jugendlichen unter ihnen, nicht so reif,
010 kritikfähig und gefestigt sind, um die Eindrücke aus
011 Illustrierten in ihre Wertordnung richtig einzufügen. " Unter
012 dieser breiten Schicht aber gewinnen diese modernen Massenmedien
013 eine geradezu magische Autorität. Das gilt in besonderer Weise
014 auch für die Illustrierten ". Angesichts dessen dürfte es
015 " nicht mehr zu bestreiten sein, daß die Illustrierten in eminentem
016 Maß Macht ausüben (...) Sie nehmen auf die tiefsten Schichten des
017 Menschen Einfluß und steuern ihn ohne daß es ihm (...) bewußt wird. "
018 Ähnlich spricht auch Hans-Albert Walter von " der kaum
019 zu überschätzenden Wirkung der Illustrierten ". Die
020 Millionenumsätze der großen Illustrierten " prägen nicht nur
021 Vorbilder und Leitbilder für unsere Jugend, sondern
022 weitgehend auch das öffentliche Bewußtsein (...) Schamlos wird dem
023 Jugendlichen der Blick in die Welt der Erwachsenen erlaubt, ohne
024 daß er dafür schon vorbereitet ist. " Adolf Steiner spricht
025 einer gerissenen Massenpresse in Form von Illustrierten, Comics
026 oder Romanen sogar die Kraft zu, " ihre Leser zu Sklaven zu
027 machen (...) Sie macht sich den Leser hörig und öffnet damit die
028 Tore, um an ihn auch Dinge einer fragwürdigen Moral
029 heranzutragen, die er von der genossenen Erziehung her im Grunde
030 genommen ablehnen würde. " In diesen und anderen Kritiken wird
031 ein Mensch konstruiert, der seine Kommunikationsbedürfnisse mit
032 der Welt ausschließlich aus einem Massenmedium, den
033 Illustrierten, bezieht. Mit Recht hat Franz Mösslang darauf
034 hingewiesen, daß das ein Mensch sei, " der keine Eltern hat und
035 keine Lehrer, der keine Zeitung liest und auch kein Buch, der
036 nie mit Freunden spricht und auch mit keinem Arbeitskameraden,
037 kurz ein Mensch, den es nicht gibt ". Vielleicht kann man aber
038 auch " den Teufel so lange an die Wand malen, bis er aus dem
039 Gemäuer heraustritt, einen beim Genick nimmt und zu seinem
040 Diener macht ". Der Soziologe Ren‚ König hat damit
041 plastisch umschrieben, was sein amerikanischer Kollege Robert K.
042 Merton in einer Theorie der sogenannten " self-fulfilling
043 prophecy " entwickelt hat. Danach können bestimmte stereotype
044 Verhaltenserwartungen das ihnen entsprechende Verhalten auslösen,
045 auch wenn diese Erwartungen von Personen gehegt werden, die einer
046 anderen Kategorie angehören als die Personen, die sie erfüllen.
047 " Indem man das Gespenst einer allwirksamen Propaganda zeichnet,
048 versucht man, neben dem Gefühl der Hilflosigkeit die Furcht vor
049 den Möglichkeiten der eigenen Reaktionen zu wecken und damit jene
050 Lähnung zu erreichen, in deren Schutz sich dann die eigentliche
051 politische Aktion vollziehen kann. " Die Erkenntisse der
052 Massenkommunikationsforschung deuten jedoch darauf hin, daß dieser
053 Versuch wenig Erfolg haben wird. Die Illustrierten allein sind
054 kaum in der Lage, " den Geschmack und das Weltbild eines breiten
055 Publikums und einen guten Teil der öffentlichen Meinung " zu
056 prägen. Dieser Befürchtung bzw. Hoffnung derKulturkritiker
057 und Pädagogen, Bildungsstrategen und Werbestrategen
058 ist eines gemeinsam: die meisten von ihnen überschätzen die
059 Einflußmöglichkeiten der Massenmedien. Sie glauben, daß eine
060 Masse isolierter Individuen passiv und sozusagen als " tabula rasa "
061 den negativen bzw. positiven Einflüssen der Massenmedien
062 gegenübersteht. Die Funktion und Bedeutung der Gruppe in
063 jedem sozialen Prozeß, also auch im Kommunikationsprozeß, ist
064 zumindest in der amerikanischen Kommunikationsforschung seit C.H.
065 Cooley (1864-1929) nie außer acht gelassen worden.
066 Die Behauptung von der Allmacht der Medien und der Ohnmacht der
067 Publikums ist durch die Massenkommunikationsforschung und
068 Kleingruppenforschung seit dem Zweiten Weltkrieg als Legende
069 entlarvt worden. Schon Paul F. Lazarsfeld, Bernard B.
070 Berelson und Hazel Gaudet haben die Entzauberung der angeblich
071 omnipotenten Massenmedien eingeleitet. Aber noch 25 Jahre später
072 spricht man von " geheimen Verführern " (F. Packard)
073 " anonymen Miterziehern unserer Jugend " (F. Kempe),
074 Bewußtseinsindustrie " (H. M. Enzensberger), "
075 geheimen Miterziehern unserer Jugend " (U. Beer) und "
076 Meinungsmachern " (R. Fabian). Heute wissen wir es besser: "
077 Der Rezipient - in einer Vielzahl von Gruppenbeziehungen
078 verklammert - steht nicht hilflos einem überlegenen technischen
079 Apparat gegenüber; er ist nicht passiv aufnehmendes Einzelwesen
080 in der Gewalt anonymer Manipulatoren, weil immer die
081 persönlichen Erfahrungen, Haltungen, Meinungen und Kenntnisse
082 die Rezeption von Inhalten steuern. Die individuell
083 verschiedenen Rezipienten unterscheiden sich in der Aufnahme
084 gleicher Aussagen. " Über die Wahrnehmungsmechanismen der
085 Rezipienten von Massenmedien weiß die Wissenschaft keineswegs "
086 wenig ", wie es Ralf Zoll und Eike Hennig noch 1970 in
087 Unkenntnis einer umfangreichen einschlägigen Literatur behaupten,
088 sonder bereits seit einigen Jahrzehnten eine ganze Menge. Die von
089 J. T. Klapper in mühevoller Kleinarbeit zusammengestellten
090 und systematisierten Ergebnisse der amerikanischen
091 Kommunikationsforschung haben bis heute nichts an Gültigkeit
092 verloren und dürften sich, zumindest im Prinzip, auch auf
093 deutsche Verhältnisse (und hier auf den Einfluß von
094 Illustrierten) übertragen lassen. Die für unsere Zwecke
095 wichtigsten sind folgende Ergebnisse: Ohne die Massenmedien
096 (Rundfunk, Fernsehen, Film und Presse) ist unsere
097 hochzivilisierte pluralistische Gesellschaft nicht funktionsfähig.
098 Jedoch spiegeln die Massenmedien die sozialen Normen, Zustände
099 und Veränderungen innerhalb einer Gesellschaft in der Regel eher
100 wider, als daß sie neue Situationen schaffen. Die
101 Massenmedien alleine üben keinen oder nur sehr geringen Einfluß
102 aus. Dieser Einfluß besteht nur im Zusammenwirken mit anderen
103 meinungsbildenden Faktoren, vor allem mit den Gruppen. Einen
104 viel stärkeren Einfluß als die Massenmedien hat die Gruppe, der
105 sich der einzelne anschließt oder der er sich verbunden fühlt
106 (Elternhaus, Schule, Kirche, Nachbarschaft, Freunde,
107 Kollegen usw.). Dabei neigen die Menschen dazu, nur solche
108 Informationen aufzufangen, die den Normen der von ihnen
109 bevorzugten Gruppe entsprechen. In der Gruppe wiederum übt
110 der " Meinungsführer " (opinion-leader) den stärksten
111 Einfluß aus, weil er sich häufiger und intensiver den
112 Informationen aussetzt als die Gruppenmitglieder. Er gibt die von
113 ihm auf seine Weise interpretierten Infromationen weiter. Damit
114 kommen jedoch die Massenmedien über die " Meinungsführer
115 " wieder zum Zuge. Auf Meinungsänderung und
116 Haltungsänderung abzielende Massenkommunikation führt bei den
117 Lesern, Zuschauern und Zuhörern eher zur Verstärkung als zur
118 Änderung oder gar zum Umschwung bereits bestehender Meinungen und
119 Haltungen. In Zusammenhang damit steht die Neigung des
120 Menschen, sich nur solchen Informationen auszusetzten, und daraus
121 wiederum nur solche Ausschnitte wahrzunehmen und zu behalten, die
122 ihm " sympathisch " sind, ihn befriedigen und mit denen er sich "
123 identifizieren " kann. Im übrigen werden bei Informationen, die
124 auf Meinungsänderung abzielen, oft nur die Fakten aufgenommen,
125 ohne daß damit eine Haltungsänderung bzw. ein
126 Meinungsumschwung verbunden ist. Diese Gründe haben dazu
127 geführt, daß die empirische Massenkommunikationsforschung die
128 Möglichkeiten einer Massenbeeinflussung heute erheblich
129 relativiert. " Vor allem als Katalysatoren des sozialen
130 Wandels haben sie geringe Chancen; ihr Wirkekreis liegt vielmehr
131 in der Verdoppelung und Verfestigung des schon Bestehenden.
132 Den Befürchtungen der Kulturkritiker betreffend Manipulierung
133 der Individuen durch die Massenmedien ist - so die von der
134 empirischen Medienforschung gerne gezogene Konsequenz -
135 grundsätzlich mit großer Skepsis zu begegnen. " Hinzu kommt,
136 daß Menschen - bewußt oder unbewußt - ganz einfach
137 wählerisch sind. Das Publikum wählt sich den Stoff nach den
138 Erfordernissen seiner sozialen und psychologischen Situationen. "
139 Das Publikum sucht die Nahrung ", schreibt Elisabeth Noelle
140 -Neumann, " die bestimmte Funktionen zu erfüllen vermag -:
141 für den eigenen Interessenstandpunkt Argumente liefern,
142 Vorurteile bestätigen, unterhalten, d. h. die Gefühle
143 konsequenzlos beschäftigen, Unsicherheit beseitigen,
144 Verwirrungen auflösen usw. ". Oder, wie es Othmar Ernst,
145 der den Realitätsgehalt von Illustrierten untersucht hat,
146 formuliert: " Man liest die Zeitschrift, welche den
147 Ausschnitt und die Färbung der Wirklichkeit bietet, die man (in
148 einer bestimmten Situation oder habituell) sucht. " Die
149 Kulturkritikern, Theologen und Pädagogen meist schrankenlos
150 erscheinenden Einflußmöglichkeiten der Illustrierten werden vor
151 allem dadurch gebrochen, daß auch ihre Leserschaft allen anderen
152 Massenmedien, besonders den Tageszeitungen und dem Fernsehen,
153 ausgesetzt ist. Der Umgang mit den Massenmedien - Radio,
154 Kino, Fensehen, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften - ist
155 heute - jedenfalls in den modernen Industriestaaten - für die
156 meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Die Massenmedien
157 konkurrieren demnach nicht nur miteinander, sie ergänzen sich auch.
158 Man sieht das Abendprogramm des Fernsehens, hört beim
159 Frühstück die Nachrichten im Radio, liest während der Fahrt
160 zum Arbeitsplatz die Morgenzeitung und am Wochenende die
161 Illustrierte. Massenkommunikationsmittel können heute als
162 tägliche Konsumgüter bezeichnet werden. " Es ist für den
163 Bereich der Industrienationen zur Selbstverständlichkeit geworden,
164 daß mehrere Massenkommunikationsmittel nebeneinander benutzt
165 werden: der Radiohörer ist Zeitungsleser, Fernseher und
166 Kinogänger in einer Person. " Erstaunlich dabei ist, daß -
167 selbstverständlich mit dem Alter, Geschlecht, sozio-
168 ökonomischer Schichtzugehörigkeit und individuellen Interessen
169 bedingten Akzentverlagerungen - die neuen Massenmedien (z.B.
170 das Fernsehen) die alten (z. B. Lesen und Radio)
171 keineswegs verdrängt haben. Dieses Verhalten bestätigt eine "
172 alte Erfahrung aus der Geschichte der gesellschaftlichen
173 Kommunikation. Selten hat das Aufkommen neuer
174 Kommunikationsmittel die schon vorhandenen Medien entbehrlich
175 gemacht ". Vielmehr sprechen alle Umfrageergebnisse dafür, daß
176 die einzelnen Massenmedien unterschiedliche, auch einander
177 ergänzende Funktionen erfüllen und deshalb (und zwar keineswegs
178 wahllos) nebeneinander benutzt werden. Schon deshalb dürften
179 die allerwenigsten Illustriertenleser, selbst wenn sie in ihren
180 Blättern ausschließlich Unterhaltung und Entspannung such und
181 finden, den Kontakt zur Wirklichkeit nicht verlieren.
182 Zahlreiche Umfragen bestätigen, " daß das Publikum sich nicht
183 ausschließlich zu einem Publikationsinstrument bekennt, zumindest
184 nicht auf die Dauer, sondern daß die Fernsehzuschauer zugleich
185 Radiohörer bleiben so wie die Teilnehmer des Rundfunks überhaupt
186 durch all die Jahrzehnte hindurch Leser von Zeitungen und
187 Zeitschriften geblieben sind ". 1965 wurde in einer Umfrage
188 ermittelt, daß sich die ausschließliche Informationsaufnahme der
189 Befragten nur bei 14 Prozent auf die Tageszeitung, nur bei 12
190 Prozent auf das Fernsehen und nur bei 5 Prozent auf den Hörfunk
191 beschränkt. Das bedeutet, daß über zwei Drittel der
192 Bevölkerung über 15 Jahre täglich mit mehr als einem
193 Massenmedium in Kontakt kommen. Als zweite, dritte oder vierte
194 Informationsquelle wurde gleich nach der Tageszeitung (zwischen 72
195 und 79 Prozent) die Unterhaltung mit Familienangehörigen oder
196 Kollegen (zwischen 66 und 70 Prozent) angegeben. Vor die Wahl
197 gestellt, entweder nur noch die Zeitung oder eine Illustrierte
198 lesen, fernsehen oder Rundfunk hören zu dürfen, entschieden sich
199 bei einer Umfrage der Wickert-Institute (Juni/Juli 1971)
200 von 4087 Bundesbürgern über 16 Jahre 66 Prozent für die
201 Zeitung, 15 Prozent für das Fernsehen, 12 Prozent für eine
202 Zeitschrift und nur 7 Prozent für den Hörfunk. Es wäre jedoch
203 falsch, in diesen Zahlen einen Beleg mehr für die nivellierende
204 Beeinflussung durch Presse und Fernsehen zu sehen. Voraussetzung
205 dafür wäre, das Zeitungsinhalte und Fernsehsendungen einen hohen
206 Erinnerungswert aufweisen. Alphons Silbermann und Ernest Zahn
207 haben jedoch festgestellt, " daß (...) sich Fernsehzuschauer in
208 erster Linie an Sendungen unterhaltenden Charakters zu erinnern
209 vermögen, während Zeitungsleser vornehmlich Nachrichten aus dem
210 aktuellen Tagesgeschehen in der Erinnerung behalten ". Auch eine
211 Analyse von etwa 200 Untersuchungen über die Rolle der
212 Massenmedien im Prozeß der Meinungsbildung ergab, daß deren
213 Einflußmöglichkeiten bei weitem überschätzt werden. " Im
214 Prozeß der Meinungsbildung und des Meinungswandels spielen die
215 Massenmedien lediglich eine sekundäre, eine nebengeordnete Rolle.
216 Daher kann (...) von einer absoluten Meinungsbeeinflussung nur dort
217 die Rede sein, wo autoritär geführte Staaten alle Massenmedien
218 zu lenken in der Lage sind. " In einem freiheitlichen
219 Rechtsstaat prägen die Massenmedien mit einer Fülle von
220 informierenden und meinungsbildenden, unterhaltenden und
221 entspannenden Inhalten die publizistische Landschaft. In
222 diesem Konzert der Massenmedien spielen die aktuellen deutschen
223 Illustrierten nur einen, sicher aber nicht den unwichtigsten Part.
224 Fazit: Besser als ihr Ruf. Im " Kampf am
225 Kiosk " hat die Neue Revue mit einer verkauften
226 Inlandauflage von über 1,5 Millionen gegenüber den drei
227 anderen Konkurrentinnen um die Gunst des Lesers, die Bunte,
228 Stern und Quick, ihren Platz behauptet. Kritiker
229 innerhalb und außerhalb der Branche erklären diesen " Erfolg
230 " vorzugsweise mit einer skrupellosen Anpassung in Text und Bild an
231 die " primitiven " (vor allem sexuellen) Bedürfnisse der "
232 Massen " sowie einer bewußten Manipulation zu politischer
233 Abstinenz und intensivem Konsum. Ein Blick auf die Leserschaft
234 der Neuen Revue zeigt, daß hier - verglichen mit den
235 anderen Illustrierten - die Jüngeren (d. h. unter
236 30jährigen), die (Fach) Arbeiter sowie die Leser mit
237 Volksschulbildung dominieren. Zwar lesen im Verhältnis zur
238 Gesamtbevölkerung mehr Männer als Frauen die Neue Revue,
239 jedoch gilt das auch für Quick und Stern
240 Jede Nummer dieser Illustrierten wird von mehr als 6,5
241 Millionen gelesen. Die tatsächliche Reichweite dürfte eher
242 höher als niedriger sein. Da es sich bei der Neuen Revue
243 um keine ausgesprochene " Prestige-Zeitschrift " handelt,
244 leugnen viele - vor allem Intellektuelle - bei entsprechenden
245 Umfragen, " so etwas " zu lesen. Das hindert jedoch zahlreiche "
246 Gebildete unter ihren Verächtern " nicht daran, den "
247 verheerenden Einfluß " derartiger " Machwerke " auf breite
248 Schichten der Bevölkerung lautstark anzuprangern.
249 Illustrierte sind heute - wie andere Waren auch - markenartikel,
250 deren Marktchancen und Marktanteile Experten mit den Mitteln
251 der angewandten Sozialforschung ständig sorgfältig verfolgen. In
252 beiden Fällen haben nur diejenigen Produkte Chancen gekauft zu
253 werden, die den Wünschen breiter Käuferschichten entsprechen.
254 Inhaltsanalysen und Leserumfragen bestätigen, daß das
255 redaktionelle Angebot der Neuen Revue den Wünschen der
256 Leserschaft weitgehend entgegenkommt. Verglichen mit anderen
257 aktuellen Illustrierten heißt das: mehr anspruchslose
258 Unterhaltung, Berichte über Schicksale einfacher Menschen,
259 Sex und Erotik, Rat und Hilfe fürs Leben, Aufklärung,
260 Liebesprobleme und Eheprobleme, Humor und Witze -
261 weniger: Berichte über Politik, Krieg und Revolution sowie
262 Wirtschaft, Wissenschaft und Weiterbildung. Angesichts der
263 Belastungen durch den Arbeitsprozeß und der Monotonie des
264 Alltags spielen Entspannung, Erholung und Unterhaltung auch
265 heute noch eine entscheidende Rolle. Im Zuge der wachsenden
266 Freizeit werden sich diese Bedürfnisse eher verstärken als
267 verringern. Diesen Bedürfnissen angemessener zu entsprechen,
268 zählt gleichermaßen zu den legitimen Funktionen der Presse wie
269 Information und Meinungsbildung. Das reichhaltige
270 Unterhaltungsangebot der Neuen Revue äußert sich einmal
271 in der Akzentverlagerung von einer schwer zugänglichen fernen
272 Realität (z. B. Skandale und Affären um Prominente)
273 in eine leichter zugängliche Realität (Probleme und
274 Schicksale von " Menschen wie du und ich ") sowie als
275 Befriedigung elementar-menschlicher Bedürfnisse wie Neugier
276 und Klatsch.
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