Quelle Nummer 201
Rubrik 13 : GESCHICHTE Unterrubrik 13.03 : TEILGEBIETE
OSTMISSION
ERICH WEISE
DIE AMTSGEWALT VON PAPST UND KAISER UND DIE OST-
MISSION
BESONDERS IN DER 1. HAELFTE DES 13. JAHRHUNDERTS
J.G.HERDER-INSTITUT, MARBURG/LAHN 1971, S.100-
001 Wir können nun zusammenfassen: Nach kanonischem Recht ist
002 Heidenkampf immer nur die ultima ratio, wenn unbekehrte
003 Heiden oder Apostaten Christen und Neubekehrte angreifen. Auf
004 die Mission wirkt Heidenkampf nur indirekt, auch insofern als er
005 die Möglichkeit schafft, sie wieder aufzunehmen und zu Ende zu
006 führen. Mission an unbekehrten, gutwilligen Heiden besteht
007 allein in der Predigt, predicacio, evangelizacio. Davon
008 zu unterscheiden ist das Zurückholen von Apostaten oder
009 verstockten Heiden. Auch dies kann auf freundlichem Wege erreicht
010 werden durch exhortacio. Wenn diese allein nicht fruchtet,
011 ist tribulacio anzuwenden. Die drei Mittel steigern sich
012 sozusagen zum Compellere intrare, dem direkt wirkenden
013 geistigen Druck. Heidenkampf ist physische Gewalt und steht zur
014 Mission nur in indirekter Beziehung. Bekehrung, auch bei
015 geistiger Nötigung, soll erst nach aufrichtiger contricio
016 durchaus als freiwilliger Entschluß erfolgen. Wer beim
017 Bekehrungswerk anders vorgeht, verstößt gegen kanonisches Recht
018 und dogmatische Lehre. Dieser Vorwurf kann gegen den Deutschen
019 Orden in Preußen nicht erhoben werden. Dies Ergebnis entspricht
020 auch der Auffassung von H.-D. Kahl über das
021 Compellere intrare. Nur in einem Punkte ist eine Abweichung
022 anzumerken: Bei der Anwendung von Compellere intrare
023 gegenüber Apostaten setzt Kahl es gleich mit debellare.
024 Das verstößt gegen die Forderung von H. Beumann nach einer
025 " sauberen Scheidung " der Begriffe depressio und
026 conversio, die auch in der Bulle von Rimini einander
027 gegenübergestellt werden. Die depressio entspricht dem
028 debellare und ist das Mittel der Abwehr und des Schutzes.
029 De bellare und de primere sind beides Kampfhandlungen
030 defensiver Art. Bei Apostaten kann man sie auch gleichzeitig als
031 Strafe ansehen, und das tut wohl Kahl, wenn er sie mit
032 Compellere intrare zusammenbringt. Aber als Strafe allein
033 sind sie doch wohl niemals angewendet worden. Deshalb kann man sie
034 nicht völlig zum Compellere intrare rechnen. Man hat zwei
035 getrennte Vorgänge zu unterscheiden, von denen erst das
036 debellare eingetreten sein muß, ehe das compellere zum
037 Zuge kommen kann. Der Hergang, den Kahl behandelt, ist wohl so
038 zu sehen: Nach der Niederwerfung der Ljutitzen, meint Brun von
039 Querfurt, muß eine sehr intensive seelsorgerische Tätigkeit bei
040 ihnen einsetzen, eben eine compulsio, die jedes irgend
041 erlaubte geistige Druckmittel anwendet. Man möchte
042 annehmen, daß Brun unterscheidet: Bei den wieder unterworfenen
043 Ljutitzen ist exhortatio oder tribulatio am Platze,
044 während bei den Preußen, mit deren Bekehrung er selbst gerade
045 beginnt, bloße predicatio das Gegebene ist, da sie ja
046 Heiden sind, die von der christlichen Lehre noch nichts wissen.
047 Die Ljutitzen dagegen sind Apostaten und deshalb kirchenrechtlich
048 strafbar. Die gewählten Beispiele zeigen sämtlich, daß aus dem
049 Gegensatz zwischen Christen und Heiden das Schwert nicht
050 wegzudenken war. Man muß ihm nur die richtige Stelle zuweisen.
051 Das Evangelium bringt zweimal die schmerzerfüllte Prophezeiung
052 Christi vom unvermeidlichen Kommen des Schwertes. Einmal sagt er:
053 Nolite arbitrari, quia pacem venerim mittere in terram.
054 Non veni pacem mittere, sed gladium, " Ihr sollt nicht
055 wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde.
056 Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert ",
057 Matth. 10,34. Ein andermal richtet er an seine
058 Jünger die Mahnung: Vendat tunicam suam et emat gladium,
059 " Wer aber nichts hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein
060 Schwert ", Luc. 22,36. Gemeint sind die
061 unausbleiblichen Verfolgungen der Christen durch die Heiden. Sie
062 sollen die Jünger nicht wankend machen. Dazu bedürfen sie des
063 Schwertes, des materiellen wie des geistigen, d. h.
064 kämpferischen Widerstandes, der für die eigene Person auch ein
065 leidender sein kann. Der mittelalterliche Ritter dagegen darf für
066 seine Brüder kämpfen. Die Kirche aber muß das geistliche und
067 weltliche Schwert zur Bestrafung einsetzen, das materielle eben
068 durch ihren weltlichen Arm, den Imperator Romanus. Wenn also
069 das Compellere intrare, wir wir sahen, mit Zwangsmission
070 durch Kampf sicher nichts zu tun hat, so bedarf doch seine
071 Beziehung zur Kirchenstrafe noch einer Erläuterung. Sie hat
072 grundsätzlich mit friedlicher Mission nichts zu tun, da sie gegen
073 Heiden nicht anwendbar ist, nur gegen Sektierer und Apostaten,
074 aber auch gegen lässige Christen, deren Verhalten nahe an Abfall
075 grenzt. Eben dieses ist bei Neubekehrten die größte Sorge.
076 Deshalb werden Kirchenstrafen für unzuverlässige Neophyten schon
077 1249 in der Christburger Sentenz vorgesehen. Jene Zeit wußte
078 genau, daß die Neubekehrten nicht mit gleichem Maße zu messen
079 seien wie Menschen, die gläubig aufgewachsen sind. Gerade in
080 dieser Periode verinnerlichter Frömmigkeit sind die Gegensätze
081 vielfach recht schroff. Bei den neubekehrten Preußen, wenigstens
082 einer bestimmten Gruppe unter ihnen, mußte man immer mit innerer
083 Gleichkültigkeit, alteingewurzelter Furcht vor den Naturgewalten,
084 die bisher als Gottheiten durch Opfer versöhnt werden sollten,
085 und der Anfälligkeit gegenüber Verlockungen unabhängig
086 gebliebener Stammesgenossen außerhalb des Ordensgebietes rechnen,
087 die ungestraft, wie es schien, dem Christengott durch ihr ganzen
088 Verhalten Hohn sprachen. Noch im Jahre 1312 äußert sich der
089 Prior des Zisterzienserklosters Falkenau in Livland im mehrfach
090 zitierten Zeugenverhör des päpstlichen Untersuchungsrichters
091 Franciscus de Moliano: Neophiti fidelibus nec in fide nec in
092 moribus sunt conformes, " Neubekehrte sind den Gläubigen
093 weder im Glauben noch in den Sitten gleich geartet ". Sie
094 verlangten also in Livland noch über ein Jahrhundert nach Beginn
095 der Mission besondere Beachtung und Behandlung. Zum vollen
096 Verstandnis der Christburger Entscheidungen muß man die
097 Entwicklung seit 1231 berücksichtigen, die sich in ziemlich
098 raschen Tempo vollzogen hatte. In der Bulle von Rimini hatte
099 Kaiser Friedrich 1226 noch angenommen, daß es späterhin im
100 Ordenslande auch subiecti in sua superstitione degentes
101 geben werde, also noch unbekehrte Heiden neben solchen, die
102 Christen geworden waren. Er rechnet anscheinend sogar mit einer
103 größeren Zahl Unbekehrter, da von omnes alios die Rede
104 ist, von " allen anderen ". Der Orden hatte von Anfang an den
105 Bekehrten die von der Kirche garantierte persönliche Freiheit
106 gewährt. Aber die mit der Bekehrung verbundenen sozialen
107 Vorteile gehörten in den Augen der Brüder keinesfalls zu den
108 " Ermutigungen ", die Escobar beim Bekehrungswerk für zulässig
109 hält. Der Orden hat zweckgerichtete Bekehrungen systematisch
110 unterbunden und sich dadurch den Unwillen Bischof Christians
111 zugezogen, der ihn deswegen sogar beim Papste verklagt hat. Von
112 Zwang zur Taufe durch den Orden kann schon deshalb keine Rede
113 sein. In den 15 Jahren bis 1245, als die zur Christburger
114 Entscheidung führende Klage von den neubekehrten Preußen bei der
115 Kurie angestrengt wurde, hatte sich die Lage grundlegend
116 verändert: Die bereits besetzte westliche Hälfte des
117 Preußengebietes, d. h. der breite Küstenstreifen zwischen
118 Weichsel, Nogat und Pregel, die Landschaften Pomesania,
119 Warmia et Natangia, war so gut wie durchgängig christianisiert.
120 Jedenfalls fühlten sich die neubekehrten Bewohner dieses Landes
121 stark genug, als Prozeßgegner gegen ihren Landesherrn aufzutreten.
122 Gegenstand der Klage war der Zwang von Neubekehrten zu harten
123 Frondiensten (duris servitutibus), insbesondere dem
124 notwendigen Burgenbau. Der Orden tat das gezwungenermaßen und
125 konnte einfach wegen Mangel an Arbeitskräften niemand von der
126 Heranziehung zum Burgenbau ausnehmen. Aber die Neubekehrten
127 faßten es so auf, daß der Orden damit gegen die verbürgte
128 persönliche Freiheit verstieß. Der fundamentale Unterschied
129 zwischen Rimini und Christburg ist nun der, daß die Kirche jene
130 Duldung nicht mehr üben wollte, die der Kaiser " den in ihrem
131 Aberglauben Verharrenden " noch vermeinte gewähren zu können.
132 In der Sentenz von 1249 wurde festgesetzt, daß Apostaten ihre
133 Freiheit verlieren sollten. Erwachsene, die sich trotz
134 befristeter, nachdrücklicher Mahnung hartnäckig weigerten, die
135 bis dahin versäumte Taufe nachzuholen, damit also dicht in die
136 Nähe von Apostaten rückten, sollten " nackt im Hemde ", d.h.
137 ohne jeden persönlichen Besitz, aus dem christlichen
138 Wohngebiet ausgestoßen werden. Auch Eltern, die innerhalb
139 gesetzter Frist die bisher nicht vorgenommene Taufe ihrer Kinder
140 nicht vollziehen ließen, sollten enteignet werden. Es handelt
141 sich offenbar um besonders schwierige Fälle, an denen bereits alle
142 Mittel der Güte erschöpft waren. Ebenso darf wohl angenommen
143 werden, daß hier nur eine Minderzahl in Betracht kam; denn eine
144 Massenaustreibung, wäre bevölkerungspolitisch der Selbstaufgabe
145 von Land und Mission gleichgekommen und hätte den heidnisch
146 verbliebenen östlichen Teil der Preußen gefährlich verstärkt.
147 Es besteht kein Anlaß, die Strafdrohungen übermäßig hart zu
148 finden. Diese Ansicht wäre unhistorisch. Jene Zeit hielt
149 Rechtlosigkeit von Nichtchristen nur für Gerechtigkeit gegenüber
150 den treuen Gläubigen: Gleichberechtigt wurde ein Ungläubiger
151 erst, wenn er Christ geworden war. Fiel er ab vom Glauben,
152 verlor er die Gleichberechtigung. Die Strafen werden vom Papste
153 durch seinen Stellvertreter festgesetzt, sind also fraglos
154 Kirchenstrafen, obwohl sie sich im zivilen Sektor auswirken.
155 Dies Zusammenfallen kennzeichnet wiederum das Ordensland als
156 Missionsstaat. Es fragt sich nun, ob diese Strafen auch als
157 Compellere intrare aufgefaßt werden dürfen, als geistige
158 Nötigung zum Glauben. Das wird man unbedenklich bejahen können.
159 Die derart Bedrohten haben wegen der Terminsetzung Zeit, ihren
160 Sinn zu ändern, und es werden wohl die meisten, wenn nicht alle,
161 Betroffenen positiv reagiert haben. Jede Strafe, auch die bloß
162 angedrohte, hat eine schützende und abschreckende Wirkung. Die
163 schützende wird in der Sentenz ausdrücklich angegeben: Die
164 Ungetauften sollen das Land verlassen, " um nicht die guten
165 Sitten der anderen durch verworfene Reden zu verderben ". Die
166 abschreckende Wirkung war eben die, welche " zum Eintreten
167 nötigte ". Der Deutsche Orden aber hat mit diesen Strafen
168 nichts zu tun: Er war nur Partei in diesem Prozeß, und es
169 wäre völlig abwegig, diese Strafandrohungen der Kirche dem
170 Orden als " Zwangsmission " anzulasten. Man möchte
171 vielmehr Glauben, daß hier ein ganz besonders gut passendes und
172 aufschlußreiches Beispiel des Compellere intrare vorliegt.
173 Das Versagen besserer Lebensbedingungen bei versäumter
174 Rückkehr zur Kirche paßt durchaus in das System Escobars von
175 den Arten geistiger Nötigung zum Besten der gefährdeten Seelen.
176 Religion und gesicherte Existenz sind keine Gegensätze. Auch
177 das Vaterunser kennt die Bitte ums tägliche Brot. Man darf also
178 die Auslegung des Compellere intrare ziemlich weit fassen,
179 sofern man sich nur immer bewußt bleibt, daß es sich um ein bloß
180 geistiges Druckmittel handelt, nicht um physische Gewalt. Den
181 solcherart Beeinflußten muß immer noch ein gewisses Maß von
182 freier Entscheidung übrig bleiben. Zur Christburger Sentenz
183 wäre nur noch ergänzend hinzuzufügen, daß von den
184 Dienstleistungen (durae servitutes, onera servilia)
185 darin nicht mehr die Rede ist, obwohl sie den Anlaß zum
186 Prozeß gegeben hatten. Offenbar hatten die Preußen eingesehen,
187 daß der Orden nur verlangte, was unumgänglich nötig war. Die
188 neu erbauten Burgen kamen doch auch den Untertanen selbst zugute,
189 weil sie ihnen bei feindlicher Bedrohung eine Zuflucht boten. Das
190 Einverständnis damit ist auch die stillschweigende Voraussetzung,
191 daß die Preußen sich zum Bau einer großen Anzahl von Kirchen
192 bereit erklärten. Auch diese wurden gleichzeitig als Wehrbauten
193 und Zufluchtsstätten errichtet. Schon aus dem, was über die
194 geistigen Druckmittel der Mission ermittelt werden konnte, war
195 deutlich erkennbar, daß selbst harte Worte der Quellen oft eine
196 milde, christliche Auslegung zulassen. Immer wieder trat als
197 Grundmotiv der Glaubenspredigt die Caritas hervor, die
198 christliche Nächstenliebe. Darüber waren sich auch die Gegner
199 im Konstanzer Traktatenstreit klar. Nur daß eben Paulus
200 Wladimiri dem Deutschen Orden zu Unrecht den Vorwurf machte,
201 gegen diesen Grundsatz verstoßen zu haben. Vielmehr stand schon
202 ganz am Beginn seines Einsatzes in Preußen der Ausdruck der
203 Toleranz, der Duldung unterworfener preußischer Heiden, welche
204 die Taufe nicht angenommen hatten. Der Hochmeister hatte sie in
205 der Bulle von Rimini durch Kaiser Friedrich auch bestätigen
206 lassen. Tolerantia aber ist auch eine Art Caritas.
207 Schon die Kirchenväter kannten sie. Das kanonische Recht hatte
208 sie übernommen. Im 13.Jahrhundert allerdings wird solche
209 Nachsicht eher Ungläubigen gegenpber geübt als bei Sektierern,
210 Ketzern, Schismatikern und Apostaten. Ich sehe trotzdem keinen
211 Grund, weshalb man die tolerantia des 13.Jahrhunderts
212 nicht bereits als eine Vorstufe der Toleranz im " neuzeitlichen
213 Sinne " auffassen sollte, wenn man das Wort einfach als
214 " Duldung Andersgläubiger " definiert, ohne dabei zu vergessen,
215 daß damals Heidentum als absolut irrig und verwerflich galt und
216 tolerantia gegen Heiden nur ausnahmsweise und vorläufig in
217 Betracht kam, auf jeden Fall aber eine Schonung ihres Lebens,
218 unter keinen Umständen eine Ausrottung bloß um des Heidentums
219 willen bedeutete. Kaiser Friedrich selbst braucht in der Urkunde
220 von Rimini den Ausdruck Tolerantia nicht; aber er übt
221 sie, wie bereits wiederholt gestreift, praktisch, wenn er das
222 Verbleiben Unbekehrter im Lande des Ordens dulden will. Er ist
223 sogar bereit, ihnen Rechtsschutz zu gewähren. Der 4.Art.
224 beginnt mit den Worten: " Wir gewähren ihnen darüber hinaus,
225 Richter und Vorsteher zu wählen, die das ihnen unterworfene Volk
226 [der Preußen ], und zwar sowohl die, welche bekehrt sind als
227 auch alle anderen, die in ihrem Aberglauben verharren, gerecht
228 richten und lenken sollen ". Dabei ist keineswegs gesagt, daß
229 diese Richter und Vorsteher nicht auch aus dem Kreis der Preußen
230 gewählt werden können. An die deutsche Einwanderung ist noch
231 nicht gedacht. Die unbekehrt verbliebenen Preußen also wären
232 Beispiele für die in den Traktaten so oft herangezogenen
233 " Ungläubigen, welche die Oberhoheit von Kirche und Kaiser
234 anerkennen ", die auch ein Recht auf Besitz und persönliche
235 Freiheit haben. Solche Ausnahmen sind nichts Ungewöhnliches in
236 der Heidenmission des Mittelalters: H.-D. Kahl
237 berichtet schon für die Zeit vor dem Wendenkreuzzug von 1147,
238 daß im heutigen Ostholstein und in der Mark Brandenburg " unter
239 der Herrschaft christlicher Fürsten selbst heidnische
240 Kultstätten unversehrt erhalten blieben " und daß " im
241 dänischen und schwedischen Missionszeitalter Heidenmenschen unter
242 christlicher Obrigkeit ganz offiziell im Lande geduldet worden "
243 seien, " freilich gegenüber den Christen in geminderter
244 Rechtsstellung ". Noch 1156 herrschten deutsche Herren auch
245 über heidnische Wagrier. Die Bulle von Rimini geht, wie
246 gezeigt, noch weiter, indem sie bekehrten und unbekehrten Preußen
247 ganz offenbar doch Gleichheit vor dem Gesetz zuerkennt. Die
248 Duldung entspricht der Bereitschaft, auch Apostaten, wenn sie
249 sich reumütig zeigen, Verzeihung und Wiederaufnahme zu gewähren.
250 Wenigstens lassen sich gewisse Stellen aus der Chronik
251 Heinrichs von Lettland so auffassen: Das Kreuzheer Bischof
252 Bertolds von Livland im Jahre 1198 hat die ihm entgegentretende
253 Besatzung von Burg Holme vor dem Kampfe recht scharf als
254 Apostaten beschimpft; und doch lesen wir bei Heinrich, daß
255 schon am ersten Tage nach dem Siege zu Holme 50 getauft wurden.
256 Das sind aller Wahrscheinlichkeit nach dieselben Apostaten gewesen,
257 denen man verziehen hat. Die Taufe mußte erneuert werden, weil
258 sie die erste symbolisch durch ein Bad in der Düna abgewaschen
259 hatten. Von Kirchenstrafen ist in der Chronik nicht die Rede.
260 Aber ganz ohne solche wird es nicht abgegangen sein. Vielleicht
261 konnten sie auch glaubhaft machen, daß sie sich nur gezwungen den
262 Aufständischen angeschlossen hatten.
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