Quelle Nummer 200
Rubrik 13 : GESCHICHTE Unterrubrik 13.03 : TEILGEBIETE
GESCHICHTE DER PHYSIK
BRUNO HELLER
GRUNDBEGRIFFE DER PHYSIK IM WANDEL DER ZEIT
FRIEDR.VIEWEG U.SOHN GMBH,BRAUNSCHWEIG 1970,S.82-86
001 Der Atombegriff bis zum Beginn der Neuzeit. Die
002 christliche Wendung des Denkens im frühen Mittelalter hat die
003 Naturphilosophie kaum gefördert; der Atomismus erschien den
004 Kirchenvätern als rein materialistische, heidnische Theorie, die
005 wenig diskutiert und im ganzen verworfen wurde. Immerhin blieb der
006 Atombegriff bekannt, und Isidor von Sevilla (gest. 636)
007 sowie der an ihn anknüpfende irische Mönch Beda Venerabilis
008 (gest. 735) gaben ihn weiter. Doch für die folgenden
009 Jahrhunderte gibt es kaum so etwas wie eine korpuskulare Theorie
010 der Materie, und es mußte erst eine grundsätzliche
011 Neuorientierung des Denkens erfolgen, ehe der Atomismus einen
012 geeigneten Boden im Bereich abendländischer Wissenschaftlichkeit
013 finden konnte. Die Neuorientierung geschah durch den Einfluß der
014 Araber, durch ihre empirischen naturwissenschaftlichen
015 Kenntnisse und ihre Auseinandersetzung mit der Physik des
016 Aristoteles. Zwar war Aristoteles von dem Grundsatz ausgegengen,
017 die Natur mache keine Sprünge; außerdem hatte er die
018 Existenz des Leeren geleugnet, das doch im Raum zwischen
019 isolierten Atomen herrschen müßte, hatte also die Stetigkeit des
020 Raumes auf die Materie übertragen und so die Atomistik in
021 grundsätzlicher Weise anfechten können. Doch gerade darum
022 bemühten sich die arabischen Philosophen des sog. Mutakallimum,
023 den Raum selbst als Diskontinuum einzelner Punkte zu
024 interpretieren und auf diese Weise eine Denkvoraussetzung fur den
025 Atomismus zu schaffen. Ihre Lehre konnte sich zwar nicht
026 durchsetzen, regte aber Diskussionen an, die für die Neubelebung
027 korpuskularer Theorien entscheidend wichtig wurden, nicht zuletzt
028 im Zusammenhang mit dem mathematischen Kontinuumsproblem, das in
029 der Scholastik zu der Behauptung führte, auch im stetigen Raum
030 gebe es reelle, unteilbare Einzelpunkte. So haben die Araber den
031 Aristotelismus keineswegs wortgetreu nach Europa gebracht; die
032 Uninterpretationen, die sie vornahmen, wirkten sich in Richtung
033 auf ein unmittelbares Naturverständnis aus - vor allem im Rahmen
034 der Medizin. Dort hatte sich die von Asklepiades aus Bithynien
035 stammende Auffassung erhalten, der menschliche Körper sei aus
036 unzähligen Teilchen zusammengesetzt, zwischen denen sich feine
037 Kanäle (poroi) befinden; sie sind in gewissem Sinne " leer ",
038 und dieser " Porismus " wurde zur Erklärung der
039 verschiedensten Körpervorgänge herangezogen. Hier ergab sich die
040 Möglichkeit, atomistische Vorstellungen anzusetzen, und in
041 diesem Zusammenhang kam auch die aristotelische Lehre von den
042 " minima naturalia " zu neuen Ehren, d. h. von den
043 " elachista ", über die sich vor allem Simplikios geäußert hatte
044 und die u. a. Averroes (1126-1198) wieder aufgriff.
045 Zwar wurden die Minima naturalia z. T. nur im Sinne
046 kleinster biologischer Struktureinheiten beim lebenden Körper
047 angesehen, aber diese Auffassung ließ sich verallgemeinern und
048 führte zu der Vorstellung, alles Stoffliche habe eine unterste
049 Existenzgrenze und sei demnach nicht bis ins Unendliche teilbar
050 (Albert v. Sachsen, 1316-1390). Besonders im
051 Kreis der Nominalisten Frankreichs (Buridan, v. Jandun)
052 erfreuten sich solche Ansichten großer Beliebtheit; Nikolaus
053 von Autrecourt entwickelte sogar eine eigene Atomlehre, wurde aber
054 1348 genötigt, sie zu widerrufen. Die Zeit war für einen
055 Atomismus in physikalischen Sinne noch nicht reif, solange das
056 aristotelische Weltbild im ganzen unangetastet blieb. Dennoch
057 zeigen die Gedankengänge der Averroisten und Nominalisten, wie
058 nahe man bereits im 14.und 15.Jahrhundert der
059 Atomvorstellung war. So lehtte J. C. Scaliger
060 (1484-1558), feine und grobe Stoffe unterscheiden sich
061 voneinander durch die Größe ihrer Minima naturalia; sind diese
062 Minima eng gepackt, so ist ein Stoff dicht; liegen sie weiter
063 auseinander, so ergeben sich Lücken (also Poren!) und der
064 Stoff ist dünn. Man muß demnach zwischen Größe und Packung
065 der Minima unterscheiden, um die stofflichen Formen erklären zu
066 können, und Scaliger eröffnete sogar einen Weg, die
067 Aggregatzustände klar zu interpretieren. Hier knüpfte etwa 50
068 Jahre später von Goorle an, als er erläuterte, beim Verdampfen
069 werde nicht aus dem Element Wasser das Element Luft, sondern
070 veränderten sich nur die Abstände der Wasser-Minima. Doch
071 blieb auch hier die Grundhaltung solcher Lehren im Banne des
072 Aristotelismus; erst die Neuzeit, vor allem das 17.
073 Jahrhundert, nahm den Atombegriff der Antike konsequent auf und
074 machte ihn zu einer naturwissenschaftlichen Grundannahme.
075 Die Wendung zur mechanistischen Atomlehre des 17.Jahrhunderts
076 Die Anregungen zum atomistischen Denken der Neuzeit kamen zu
077 einem guten Teil aus der praktischen Beobachtung materieller
078 Prozesse, wie sie die Chemiker untersuchten. So meinte z.B.
079 van Helmont (1577-1644), Wasser und Gas seien
080 in ihren Zuständen als verschiedenartige Anordnungen der Elemente
081 Mercurius, Sulphur und Sal zu verstehen, also als
082 unterschiedliche Atomgruppierungen derselben Grundsubstanzen, und
083 er gebrauchte den Atombegriff ohne besondere philosophische Skrupel,
084 um praktisch festgestellte chemische Vorgänge erklaren zu können.
085 Hier mußte das 17.Jahrhundert weiterführen. Die
086 Korpuskulartheorie der Materie brauchte in erster Linie eine
087 wissenschaftliche Mechanik mit exakt formulierbaren
088 Bewegungsgesetzen, und hier leistete Galilei entscheidende
089 Vorarbeit für eine mechanistische Atomlehre; parallel dazu
090 begannen die Versuche, dem Atombegriff einen präzisen, auch dem
091 neuzeitlichen Denken gegenüber haltbaren Sinn zu geben. Einen
092 wichtigen Gedanken steuerte Giordano Bruno (1548-1600)
093 zu dieser Aufgabe bei. Hatte man bisher die Atome als letzte
094 Stufen der Körperzerlegung aufgefaßt, d. h. als Minima,
095 so drehte Bruno diesen Gedanken um: Die Atome sind nicht das
096 Letzte, sondern das Erste; sie sind die fundamentalen Einheiten
097 des Seienden, aus denen sich alles zusammensetzt. Er nannte sie
098 daher " Monaden ": ein Begriff, der ursprünglich die Einheit
099 als Grundlage der Zahlen bezeichnet. Weil es ein erstes Maß
100 alles Meßbaren geben muß, muß es auch Atome geben; hier tritt
101 an die Stelle des analytischen ein synthetischer Atombegriff.
102 Solange man Atome nur als Endprodukte von Teilungen ansieht,
103 muß offen bleiben, ob man sie überhaupt jemals erreicht; sieht
104 man aber in ihnen das Erste aller Zusammensetzungen, so werden sie
105 denknotwendig. Zwar blieb Giordano Bruno bei diesem
106 erkenntnistheoretischen Ansatz stehen und zog daraus keine
107 physikalischen Konsequenzen, jedoch regte er die philosophische
108 Bemühung um das Einheitsproblem wesentlich an und wurde zu einem
109 direkten Vorläufer für die Monadenlehre eines Leibniz. Man
110 kann ohnehin für die Folgezeit die metaphysisch orientierte
111 Atomistik von einer mehr an die praktischen Bedürfnisse der
112 Physiker und Chemiker angeschlossenen unterscheiden; die
113 Korpuskulartheorie entstand also auf der Grenze zwischen
114 Philosophie und Physik, in enger Verbindung mit dem Problem der
115 mathematischen Punkte und des Diskontinuums; noch bei Leibniz
116 machte sich diese Verflechtung bemerkbar, wenn er Monadenlehre und
117 Infinitesimalrechnung miteinander verknüpfte. So wurde zumal im
118 Laufe des 17.Jahrhunderts die aristotelische Denkweise immer
119 mehr durch naturwissenschaftlich-mechanistische Gesichtspunkte
120 zurückgedrängt (so z. B. an der Pariser Universität),
121 und in diesem Rahmen entstand ein erster echt physikalischer
122 Atomismus, vor allem durch die Arbeiten von Sennert, Basso und
123 van Goorle während der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Die
124 demokritische Lehre wurde dabei mit der Minima-naturalia-
125 Auffassung Auffassung zusammengeführt, so daß beides schließlich als
126 einheitliche Korpuskulartheorie erschien. Hinzu kamen
127 Gesichtspunkte aus der chemischen Arbeitspraxis: Die Frage, ob
128 Elemente in ihren Verbindungen bestehenbleiben oder sich verändern,
129 wurde mit Hilfe des Atombegriffs im Sinne der Elementenkonstanz
130 beantwortet, da sich Elemente immer aus ihren Verbindungen
131 zurückgewinnen lassen, ihre Atome sich also lediglich mischen oder
132 wieder trennen; dabei gibt es (nach Daniel Sennert,
133 1576-1637) die " prima mista " als Minima jeder Verbindung
134 - gewissermaßen Atome zweiter Art bzw. Moliküle im heutigen
135 Sinne - und die absoluten Atome der Elemente selbst.
136 Vereinfachend kann man sagen: Der Molekülbegriff stammt aus der
137 ursprünglich aristotelischen Minima-naturalia-Lehre, der
138 Atombegriff geht auf Demokrit zurück. Aber nicht nur chemische
139 Prozesse erklärte Sennert atomistisch; genauso verfuhr er bei
140 den physikalischen Vorgängen der Verdampfung bzw. Kondensation
141 sowie bei denen der Auflösung von salzartigen Stoffen in Wasser.
142 Immer geht es dabei um ein Trennen oder Zusammentreten kleinster
143 Korpuskel ohne stoffliche Veränderungen, und damit wurde der
144 Atomismus auch zu einer sinnvollen physikalischen Hypothese. Ganz
145 bewußt knüpften die Gelehrten des 17.Jahrhunderts an die
146 Lehren der antiken Atomisten an und sahen sich keineswegs als
147 Schöpfer des Atombegriffs; nur gegenüber den aristotelischen
148 Anschauungen über Stoff und Form verteidigten sie ihre
149 Originalität und lehnten es ab, weiterhin von substantialen
150 Formen der Natur zu reden. Für sie war das Letzte der Dinge
151 das räumliche, unteilbare Korpuskel mit seinen Eigenschaften der
152 Ausdehnung, Undurchdringlichkeit und Bewegtheit, ohne daß
153 bereits näher geklärt war, ob solche Elementarteilchen nur
154 geometrische oder auch physische Körper sind, wie sie in
155 Wechselwirkung treten können, ob sie sich im leeren Raum befinden,
156 wodurch sie sich überhaupt vom Raum unterscheiden usw. Die
157 Atomisten des beginnenden 17.Jahrhunderts hielten sich
158 zunächst an unmittelbar anschaulische Vorstellungen; die
159 philosophische Durchdringung der Korpuskulartheorie mußte erst
160 noch geleistet werden, und dies geschah in den Lehren eines
161 Gassendi, eines Descartes und bei Robert Boyle innerhalb der
162 zweiten Jahrhunderthälfte. Piere Gassendi (1592-
163 1665) hielt sich dabei eng an Demokrits und Epikurs Vorstellungen,
164 versuchte jedoch, sie vom Anhauch des Materialismus zu reinigen
165 und die Atome als Schöpfungen Gottes erscheinen zu lassen; er
166 machte damit dem Atomismus " salonfähig " (K. Laßwitz).
167 Vor allem entwickelte er einen dem Atom angemessenen Raumgegriff:
168 Bereits vor der Schöpfung Gottes gab es das Leere, einen
169 einzigen, absoluten, unendlichen Raum, in dem sich nun die Atome
170 bewegen, und dieser Raum ist weder Substanz noch Akzidenz,
171 sondern - wie die Zeit - eine besondere Art des Seins. Die
172 Atome dagegen sind als " prima materia " körperliche,
173 natürliche bzw. physische Gebilde, mit den Eigenschaften der
174 Schwere, Bewegtheit und mit endlich vielen geometrischen
175 Formmöglichkeiten versehen. Diese Unterscheidung von leerem
176 Raum und soliden, substantiellen Atomen gab der
177 Korpuskulartheorie einen einfachen, fruchtbaren Boden und
178 ermöglichte ihre mechanistische Durchgestaltung, so wenig sie sich
179 zwar von einem noch recht naiven Realismus lößte. Die Atome
180 waren für Gassendi lediglich das raumerfüllende Substrat der
181 Bewegung, substanzhafte Individuen, die durch Druck und Stoß
182 in Wechselwirkung stehen; hier ergab sich jedoch die Möglichkeit
183 einer streng kinetischen Atomistik, und Huygens konnte wenig
184 später den Atombegriff Gassendis mit der Bewegungslehre Galileis
185 verbinden. Vom philosophischen Standpunkt aus hatte Gassendis
186 Zeitgenosse Ren‚ Descartees (1596-1650) die
187 Atomistik wesentlich tiefergehend begründet, obwohl sie sich
188 eigentlich mit seinem System wenig vertrug. Gemäß seiner
189 Auffassung, Grundbestimmung alles Stofflichen sei die räumliche
190 Ausdehnung (Materie als res extensa) mußte für ihn die
191 Köprerwelt eine stetige Struktur besitzen, d. h. bis ins
192 Unendliche teilbar sein. Wenn er dennoch von Atomen sprach, so
193 mit Hilfe eines eigentümlichen Bewegungsbegriffs. Gibt es in
194 einem lückenlosen Kontinuum von Gegenständen räumliche
195 Vorgänge, dann nur im Sinne von Verlagerungen, wobei ein Ding
196 an die Stelle des anderen tritt und ganze Zyklen von
197 Plarzvertauschungen entstehen; die Grundform materieller
198 Bewegung ist demnach eine Art Wirbel, und Descartes
199 identifizierte minimale Wirbelbildung mit dem, was Gassendi die
200 Atome genannt hatte. Dadurch verband er Gesichtspunkte der
201 Atomistik mit Begriffen der Bewegungslehre; ein individuelles
202 Raumteilchen sollte sich durch seine besondere Bewegungsstruktur zu
203 einem physischen Körper konkretisieren, und dieser Gedanke konnte
204 für die mechanistische Korpuskulartheorie durchaus fruchtbar werden.
205 Allerdings verzichtete Descartes darauf, die Ergebnisse der
206 Galileischen Physik in sein System aufzunehmen, da sie ihm als zu
207 einseitig erschienen; die spätere Mechanik ist dementsprechend
208 über Descartes hinweggegangen. Für seine Zeit hatte er jedoch
209 einen großen Einfluß und half, atomistische Vorstellungen in
210 Physik und Chemie zu verbreiten. Ihre vielleicht konsequenteste
211 Ausbildung erfuhr die Korpuskulartheorie des 17.Jahrhunderts
212 bei Robert Boyle (1626-1691). Er war seiner
213 methodischen Einstellung nach durchaus Empiriker und wandte sich
214 sowohl gegen die aristotelischen Lehren von substantialen Formen
215 als auch gegen die aus den Kreisen der Alchemisten bzw.
216 Iatrochemiker stammende Auffassung von einer beseelten Natur und
217 deren immanenten Kräften. Für ihn konnte nur eine klar
218 durchgeführte mechanistische Theorie die Naturerscheinungen
219 wirklich erklären, und so knüpfte er an die Korpuskularlehren
220 Gassendis und Descartes' an: Es gibt in der Welt nur bewegte
221 Stofflichkeit, atomare Einzelteile sind durch Größe, Gestalt,
222 Lage (situs) und Reihenfolge (ordo) gekennzeichnet. Die
223 Materie ist ihrer Natur nach einheitlich und besteht aus unzählig
224 vielen Korpuskeln, die sich aber kraft ihrer verschiedenen
225 geometrischen Gestalten miteinander verknüpfen können, z.B.
226 aneinanderhaken oder miteinander verschlingen. So entstehen
227 ursprüngliche oder primäre " Konkretionen ", die den
228 Grundbausteinen der chemischen Elemente entsprechen und eine
229 " Textur " aufweisen, d. h. einen bestimmten inneren Aufbau.
230 Solche primären Konkretionen können sich jedoch ihrerseits
231 wieder mischen und bilden dann die zusammengesetzten Körper oder
232 Mixturen, also Verbindungen höherer Ordnung, wie sie bereits
233 Sennert beschrieben hatte, die gleichsam den Molikülen der
234 heutigen Chemie entsprechen. In der Mixtur sind heterogene
235 Teilchen miteinander verknüpft; sie bilden einen rein
236 mechanischen Zusammenhang, und von dieser Position aus entwickelte
237 Boyle seine Kritik an dem metaphysischen Formbegriff der
238 Aristoteliker. So wie verschiedenartige Strukturen der
239 Materiekorpuskeln das chemische Verhalten der Stoffe erklären,
240 so sollte in physikalischer Hinsicht die Bewegung der Atome
241 ausreichende Erklärungsursache sein, und Boyle wandte diesen
242 Grundsatz in erster Linie auf die Physik der gasförmigen Stoffe
243 an, nachdem ihm bereits die Untersuchungen Guerickes bekannt
244 geworden waren. Er fand Ansätze zu einer kinetischen Gastheorie,
245 auch in Bezug auf die Wärmebewegung der Moleküle, und wurde
246 somit ein wichtiger Vorläufer Daniel Bernoullis. Boyles
247 Position in der Naturwissenschaft des 17.Jahrhunderts ist aber
248 vor allem durch seinen Versuch gekennzeichnet, die experimentellen
249 Befunde durch die einfachste Theorie zu erklären: Diese konnte
250 für ihn nur die mechanistische Atomlehre sein. Philosophische
251 Spekulation lag ihm fern und war ihm verdächtig; das drückt sich
252 bereits im Titel seines Hauptwerkes aus: " The Sceptical
253 Chemist " (1661). So ist für Boyle das Problem des Vakuums
254 auch keine Sache metaphysischer Betrachtungen zum " leeren Raum ",
255 sondern eine schlichte Empirikerangelegenheit. Hier machte
256 sich die Wirkung der Guericke-Versuche besonders deutlich
257 bemerkbar. Seitdem die Existenz des Vakuums experimentell
258 bewiesen worden war, brauchten auch die Korpuskulartheoretiker
259 keine Skrupel mehr zu haben, davon zu reden und den Raum zwischen
260 den Atomen als leer anzusehen, und damit tat die
261 Korpuskulartheorie einen weiteren Schritt zu ihrer Lösung aus
262 philosophischen Zusammenhängen und zur Eingliederung in die reine
263 Naturwissenschaft.
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