Quelle Nummer 104
Rubrik 04 : PSYCHOLOGIE Unterrubrik 04.01 : POPULAERWISSENSCHAFTLICH
MEMOIREN (BUERGER-PRINZ)
HANS BUERGER-PRINZ
EIN PSYCHIATER BERICHTET
HAMBURG 1971, S.240-247, HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
001 Unter sensitiven Menschen sind seelische Zwänge
002 außerordentlich häufig. In der Fachsprache nennen wir sie
003 " Zwangserscheinungen als neurotische Symptome ". Man muß hier
004 jedoch gleich anmerken, daß " der Neurotiker " im
005 Sprachgebrauch des Alltags längst eine gänzlich unpassende
006 Inflation erfahren hat (wie überhaupt inzwischen die halbe
007 psychiatrische Fachsprache eine abenteuerliche Einebnung erfahren
008 hat. Man denke nur an den Gebrauch des Wortes " schizophren ".
009 Unlängst las ich die Überschrift: " Die Schizophrenie der
010 Gewerkschaften ". Aber man glaubt gar nicht, um wieviel
011 schwieriger noch dadurch die Verständigung über psychiatrische
012 Probleme geworden ist; bei fast jedem zweiten Begriff muß heute
013 der Arzt, außer im Kollegenkreis, überhaupt erst klären,
014 wovon die Rede ist). Herr Müller braucht nur durch igendeine
015 Hartnäckigkeit Ärger zu erregen, schon ist er ein " Neurotiker ".
016 Neurosen sind zum Synonym für auffällig an Geist oder
017 Seele schlechthin geworden. Psychiatrisch dagegen gilt gerade die
018 Neurose weitgehend nicht als Krankheit. Sondern als ein
019 Fehlverhalten des noch Gesunden. Allerdings mit einer
020 Einschränkung: Zwangsneurosen können sich steigern, können
021 gewissermaßen in einer immer enger werdenden Spirale die
022 Handlungsfreiheit eines Menschen derart eingrenzen, einschnüren,
023 daß der ganze Mensch schließlich wie in einem Panzer
024 gefangensitzt. Er führt in einem solchen Stadium ein Leben, in
025 dem er buchstäblich nicht mehr von der Stelle kommt. Eine derart
026 verschärfte Situation aber wird vom klassischen Begriff der
027 " Zwangsneurose " gar nicht mehr abgedeckt, sondern erfüllt den
028 Tatbestand einer schweren seelischen Erkrankung. Woran nichts
029 ändert, daß es hierfür noch keine spezielle Bezeichnung gibt,
030 bis jetzt. Wie entstehen Zwangsneurosen? Nun, eines weiß man
031 hier mit Sicherheit: Ihr Auslöser ist immer in Situationen zu
032 suchen, in denen ein Mensch zum erstenmal einem ganz bestimmten,
033 tiefgreifenden Erlebnis der Verunsicherung ausgesetzt war, dem
034 Schreckgespenst der Nichtbewältigung, des unberechenbar
035 Bedrohlichen, des nicht voraussehbaren Unwahrscheinlichen. Und
036 der moderne Mensch wird jetzt aufhorchen. Erstmals in unserer
037 Geschichte stehen wir generell bis in privateste Lebensdetails vor
038 zivilisatorischen Umwälzungen, die uns die Angst vor
039 Nichtbewältigungen zum täglichen Gefährten werden ließen. Nur
040 beginnen hier wieder, wie bei jeder Verallgemeinerung, die
041 spezifisch medizinischen Kategorien gleichsam aufzuweichen. Ganz
042 im Gegensatz zum psychotisch Kranken, beispielsweise, vermag der
043 Neurotiker seine Symtome, seine von Zwängen beherrschte Welt
044 sehr genau zu schildern. Mehr noch. Er verfügt sogar über eine
045 durchaus selbstkritische Einsicht in das " Sinnlose ", in das
046 Abnorme seiner Zwangshandlungen und baut sogar Sicherungen dagegen
047 auf. So daß man immer wieder versucht sein könnte zu fragen:
048 " Wenn Sie das alles so gut einsehen, warum bringen Sie dann den
049 Willen nicht auf, die unsinnigen Handlungen zu unterlassen? Es
050 hat doch wirklich keinen Zweck, zehnmal das Datum im Kalender zu
051 überprüfen. Es hat doch wirklich keinen Zweck, immer noch
052 einmal zum Wagen zurückzulaufen, um nachzuschauen, ob man ihn
053 abgeschlossen hat " usw. Sinn und Zweck hat es keinen, gewiß.
054 Aber der Zwangskranke kann nicht anders. Um keinen Preis. Er
055 vermag bei aller Einsicht nur ebensooft zu wiederholen, daß er
056 dies alles eben trotzdem tut. Denn eben in diesem von keinerlei
057 Logik besiegbaren Zwang minifestiert sich das Neurotische.
058 Unseren Studenten führte ich einmal einen jungen Mann vor, der
059 schon Patient unserer Klinik war und hier zunächst weiter ganz
060 simpel und drastisch solche Zwänge manifestierte. Zahllose Male
061 täglich in der Klinik mußte er sich vergewissern, daß sich da
062 und dort ein Ausgang befindet, daß hier die Fahrstühle sind,
063 daß sie wirklich funktionieren und so weiter und weiter. Er war
064 sogar ein ausnehmend intelligenter junger Mann, der dann in ganz
065 verblüffend überlegener Manier über seine Zustände sprach -
066 ohne im entscheidenden Moment auch nur mit einer Silbe anders
067 antworten zu können als: " Ich kann nicht anders. Ich muß
068 hingegen und nachsehen. Ich werde sonst einfach so unruhig, so
069 ängstlich, daß ich es nicht mehr aushalte. " Freilich nützte
070 es auch gar nichts, wenn eine Schwester ihm sagte, er solle jetzt
071 einmal schön ruhig in seinem Zimmer bleiben, seine Zeitung
072 weiterlesen, sie werde für ihn die Aufzüge kontrollieren und ihm
073 Bescheid geben. Er machte sich trotzdem selbst auf den Weg.
074 Schon bevor er zu uns in die Klinik kam, hatte sich seine
075 Unsicherheit zu einem alles beherrschenden Ohnmachtsgefühl
076 gesteigert. Keiner Aufgabe glaubte er mehr gewachsen zu sein.
077 Folge: Innerhalb der letzten Monate wechselte er nicht weniger
078 als zehnmal seine Stellung, in der er sein Studium verdiente. In
079 einem mag jetzt allerdings ein falscher Eindruck geweckt sein. Das
080 " Ich kann nicht anders " muß beileibe nicht immer so lauten.
081 Es muß sich keineswegs immer in der schlichten Feststellung des
082 Unvermögens, anders zu handeln, erschöpfen. Es läuft nur im
083 letzten immer darauf hinaus. Doch kann man es sehr wohl erleben,
084 daß vor allem der geistig Hochbegabte für seine Zwänge mit
085 motivationen aufwartet, bei denen man als Arzt zwar immer noch gut
086 erkennen mag, daß sich dahinter eine klare Zwangsneurose verbirgt.
087 Bei denen aber im übrigen sogar der " Philosoph von Fach "
088 nicht mehr abzustreiten vermag, daß es sich bei diesen
089 Motivationen zumindest außerdem (!) auch noch um ein echtes
090 Problem im philosophischen Sinne handelt. Was schrecklich
091 übertrieben klingt, vielleicht. Nur sind hier eben wieder das
092 Leben und der Mensch Lieferant von Fällen, denen gegenüber
093 bloße Phantasie sich als ein ärmlich Ding erweist. Eines Tages
094 war ein sehr begabter Maler als Patient zu mir gekommen, weil er
095 immer wieder in Zustände geriet, in denen ihn seine Zwänge bis
096 an die Grenze der Lebensfähigkeit einklammerten. Grundlegender
097 Bestand seiner Zwangsneurose war ein ganz tiefgehender Zweifel,
098 ein ganz tiefes Mißtrauen gegenüber aller Realität. Ist alles
099 wirklich so, wie es uns erscheint? Ist alles wirklich so, wie
100 wir es in unserer Sprache wiedergeben? Die Möglichkeit, in
101 diesem Sinne einer fortwährenden Täuschung zu unterliegen,
102 beunruhigte ihn unausgesetzt. Man mag schon hier mit der Frage
103 einspringen, was ein solcher Mensch beim Arzt zu suchen habe?
104 Auch Kant sei von derartigen Zweifeln geplagt gewesen. Und wie
105 könnte denn die Beschäftigung mit solchen Problemen die
106 Lebensfähigkeiten schmälern? Läßt der Mann oft sein Essen
107 unberührt? Schläft er wenig? Die Lebenswege der Größten
108 stehen voller nichtgegessener Mahlzeiten und laufen durch zahllose
109 nichtgeschlafene Nächte. Das aber sei doch etwas ganz anderes.
110 Oder verweigere der Mann die Nahrung, weil er an der so gearteten
111 Realität von Beefsteak zweifle? Eben dies. Nur darf man jetzt
112 wiederum nicht folgern, der Herr gehöre überhaupt schleunigst
113 hinter " Schloß und Riegel ", er sei total wahnsinnig. Wie
114 auch der Philosoph den Finger heben mag zum Hinweis, daß das
115 Realitätsproblem, auch so gesehen, durchaus nicht zu verachten
116 sei. Doch nehmen wir den Fall selbst: Jener Maler mit seinen
117 Realitätszweifeln führte unter anderem ständig ein dickes
118 Notizbuch bei sich. Die Seiten des Buches waren mit
119 Eintragungen dicht übersät. Doch handelte es sich nicht um
120 Aufzeichnungen schriftlicher Natur. Eben das nicht: lauter zum
121 Teil winzige, aber gut erkennbare Bilder. Die Bildchen besaßen
122 keinerlei künstlerischen Wert und waren in keiner derartigen
123 Absicht - etwa als Skizze - angefertigt. Es ging um ganz
124 anderes. So hatte er zum Beispiel an einem Tag einen ganz
125 bestimmten Bahnhof aufgezeichnet, daneben eine Uhr, deren Zeiger
126 auf Zwölf standen. Darunter war ein Chƒteau abgebildet und
127 hierunter noch eine Schüssel mit einem gebratenen Hähnchen. Das
128 Ganze bedeutete: um zwölf Uhr Abfahrt vom Bayerischen Bahnhof
129 in L. zur einladung auf dem Gutshof der Familie S. zum
130 Mittagessen. Also eine informative Gedächtnisstütze, wie sie
131 sich warlich einfacher mit wenigen Stichworten hätte hinschreiben
132 lassen. Warum schrieb er es nicht hin? Eben! Sein Mißtrauen
133 gegen die Realität gipfelte in einer unüberwindlichen Aversion
134 wider die von Menschen geschaffenen künstlichen
135 Informationssysteme; also Wort und Schrift. Mißtraute er dem
136 Anschein der Dinge, so erst recht der abstrakten Aussage über
137 sie. Zumal ja das geschriebene Wort sogar einen doppelten
138 Umsetzungsprozeß im Abstrakten darstellt. Wieder mögen einem
139 Zweifel kommen. Oder auch Neugierde. Die künstlerische
140 Begabung dieses Zwangskranken stand außer Zweifel. Desgleichen
141 seine Intelligenz. Dennoch konnte man fragen, ob speziell in den
142 Problemstellungen, in denen sich seine Zwänge manifestierten,
143 gedankliche Qualitäten lagen, die auch einen Philosophen im
144 strengen Sinne herauszufordern vermochten? Oder bescheidener
145 angesetzt: was überhaupt würde passieren, konfrontierte man
146 diesen Mann mit Philosophen vom Fach? Nun, es geschah nicht
147 nur mit diesem Patienten. Etliche andere, zum Beispiel auch
148 Probanden mit zentralen Prachstörungen (Aphasien) kamen auf
149 meine Bitte mit ins philosophische Seminar meines Freundes Arnold
150 Gehlen, damals junger Privatdozent bei Driesch in Leibzig. Es
151 zeigte sich, daß eine von Zwängen ausgerichtete und genötigte
152 Intelligenz dem Professional ein hochinteressanter
153 Gesprächspartner sein kann. Hohe Grade immer vorausgesetzt,
154 vermag eine solche Intelligenz im Umgang mit dem Abstrakten eine
155 Art produktiver Spitzfindigkeit zu entwickeln, eine Art
156 Akrobatik, wie man sie jetzt durchaus ohne die leicht negative
157 Beteutung dieser Bezeichnung verstehen darf. Realiter: An die
158 Stelle des Geständnisses " Ich weiß, das ist Unsinn " mit
159 dem Zusatz " Aber ich kann nicht anders " rückt bei Menschen
160 entsprechender Begabung nicht selten eine Sinn-Behauptung.
161 " Ich kann nicht anders, weil (...)! " Und dem folgen nun
162 Motivationen, deren originelle Aspekte nur die eine Seite sind.
163 Die andere: sie sind auch im Philosophischen mitunter derart
164 durchdacht, daß die Akademiker mehr als einmal - in Bezug auf
165 diese Diskussionen darf man es wohl so ausdrücken - ihren hellen
166 Spaß, ihr hohes professionales Interesse und Vergnügen daran
167 hatten. Und nicht ohne Staunen ging man solchen
168 " zwangsinspirierten " Motivationen bis in ihre äußersten
169 Verästelungen und Konsequenzen nach. Es gab da Gedankengebäude
170 von beträchtlicher philosophischer Qualität, in ihrer
171 Architektur zwar oft von skurriler Statik, aber dennoch keineswegs
172 so leicht oder überhaupt zum Einsturz zu bringen. So daß man
173 manches Mal statt einem " Ich kann nicht anders " unversehens
174 einem in sich theoretisch gleichsam bis zum i-Tüpfelchen
175 gerechtfertigten " Man darf gar nicht anders " gegenüberstand.
176 Eine der besten Proben lieferte darin eben jener Maler. Seine
177 philosophischen Zweifel an den abstrakten Systemen - schon vom
178 Ansatz her unwiderlegbar - verfocht und rechtfertigte er glänzend
179 und " fehlerfrei ". Wodurch eben besonders gut herauskam, wie
180 der " Fehler " beim Zwangskranken sowieso und immer ganz woanders
181 liegt: im Verhalten. Denn ein logisch noch so gut motiviertes
182 Zwangsverhalten bleibt selbstverständlich ein Fehlverhalten. Wie
183 sehr immer Zweifel an Sprache und Schrift berechtigt sein mögen,
184 der von Zwängen freie Mensch handelt nach der Erfahrung, daß er
185 beide Systeme im Alltag braucht und auch ruhig gebrauchen kann.
186 Ob sie im höheren Sinn zweifelhafte Instrumente darstellen,
187 steht eben auf einem anderen Blatt, dessen Postulate nicht für
188 den Kauf von ein paar Brötchen gelten. Erst der Zwang führt zu
189 solchen " hyperlogischen ", pedantischen Transaktionen von
190 Übergeordnetem auf Untergeordnetes, von Abstraktem auf
191 Konkretes. Diese Klippen können auch dem " Zwangsphilosophen "
192 sehr wohl bewußt sein. Jener Maler war sogar eines durchaus
193 ironischen Verhältnisses zu seiner Philosophie fähig. Um die
194 Reichweite seiner Vorstellungen noch zu verdeutlichen, schrieb er
195 in Gehlens Seminar folgendes an die Tafel: " Der Rock ist
196 grün. " Und darunter schrieb er: " Dies ist ein Satz mit
197 einem Punkt. " Dazu meinte er: " Wenn ich jetzt den unteren
198 Satz vom oberen abziehe, erhalte ich den Sinn. " Er verfügte
199 also zusätzlich über einen höchst hintergründigen, amüsanten
200 Umgang mit seiner Krankheit. Und man kann sich unschwer
201 vorstellen, zu welch köstlichen Disputen es zwischen ihm und den
202 jungen Philosophiestudenten kam. Gut. Bis hierhin hört sich das
203 alles recht unterhaltsam und orginell an. Die Kehrseite: Was
204 macht ein Mensch, der sich nun nachgerade nicht mehr aus dem Haus,
205 nicht einmal mehr an die Arbeit wagt, bevor er nicht in der vom
206 Zwang vorgeschriebenen Weise über jedes Detail von jedem Schritt
207 derart " reale Gewißheit " erreicht hat? Um eine Vorstellung
208 zu erlangen, wie es im Innern eines solchen Zwangskranken aussieht,
209 muß man sich nur klarmachen, daß es ja leider auch in unserer
210 vertrauten Alltagsumwelt Ordnungssysteme genug gibt, in denen die
211 Ordnung selbstzweckhaft alles überwuchert. Zwangskranke sind nach
212 diesem gleichen Prinzip Menschen mit einer sozusagen maßlos
213 übersteigerten Bürokratie ihres Innendaseins. Wo andere zügig
214 und frei entscheiden, haben sie jeden Gedanken zu einem Entschluß
215 gleichsam einem ganzen Ministerium intellektueller
216 Kontrollinstanzen in sich vorzulegen. Das eine kontrolliert das
217 andere und so fort bis ins Unendliche; sprich: bis zur totalen
218 Entschlußunfähigkeit, möglicherweise. Jörg Hansen bei uns
219 hat übrigens ähnliche Symptome auch bei dem genialen Maler Paul
220 Klee und anderen aufgezeigt. Paul Klee war ein minuziöser
221 Archivar seiner selbst; ein Mensch, der jede Minute seines
222 Lebens unter Kontrolle haben wollte. Wobei die Unmöglichkeit
223 einer befriedigenden Durchführung solcher " Programme "
224 natürlich schwerste Konflikte auslöst. (Inwieweit das speziell
225 bei Klee der Fall war, ist mir allerdings nicht bekannt.) Ein
226 weltberühmter, heute noch lebender amerikanischer Schriftsteller
227 schrieb eine ganze Abhandlung über seine Bemühungen, ein
228 praktikables System zu entwickeln, das ihm gestatten sollte,
229 buchstäblich von Augenblick zu Augenblick ein genaues Stichwort
230 -Tagebuch seines Lebens zu führen. Auch dies ein Zwang zur
231 pausenlosen Selbstvergewisserung und Selbstfixierung. Wobei man
232 sich nicht täuschen lassen darf: auch die künstlich
233 außerordentlich eindrucksvolle Motivation für dieses Vorhaben zur
234 größtmöglichen Annäherung an die eigene Wirklichkeit stellt nur
235 den Vorwand für das Zwangsverhalten dar. Ein von Zwängen
236 freier Künstler würde ein derart minuziös fixiertes Leben
237 allenfalls zum Objekt seiner Kunst machen, es zum Beispiel in
238 einem Roman beschreiben; aber niemals ein solches systematisch
239 belauschtes Leben selbst zu führen versuchen. Auch bei
240 Kierkegaard, bei Strindberg und in gewissem Sinne auch bei Kafka
241 finden sich Züge einer ausgesprochen neurotischen Verunsicherung
242 gegenüber der Realität. Solche Risse oder Sprünge im bisher
243 selbstverständlichen Bezug und Reagieren zur Wirklichkeit
244 entstehen meist kurz vor, während oder in den Jahren nach der
245 Pubertät. Also in der Zeit, in der dem Menschen seine
246 Stellung zur Umwelt, die Notwendigkeit einer Stellungnahme zur
247 Wirklichkeit bewußt wird und er in dieser Bewußtheit erstmals mit
248 der Übernahme echter Lebensaufgaben Entscheidungen zu treffen hat.
249 Erst mit dieser Bewußtheit wird der Mensch im eigentlichen
250 Sinne " konfliktreif ".
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