Quelle Nummer 018
Rubrik 08 : GESELLSCHAFT Unterrubrik 08.13 : KLATSCH
JASMIN
NICHTS GEGEN MICH. ABER MEINE REICHEN FREUNDE...
(2. TEIL VON DER MARQUIS...SPRICHT UEBER ALLE
FEINEN LEUTE, DIE ER KENNT)
MARQUIS JOSE LUIS DE VILALLONGA
MUENCHEN 1970, HEFT 14, 6.7.1970, S. 114-118
001 Nichts gegen mich. Aber meine reichen Freunde (...) Die
002 Reichen, sagt Vilallonga, hängen mehr am Geld als die Armen.
003 Kein Wunder, sie haben auch mehr davon: In den Augen der
004 " Nescaf‚-Society " gelten die Pariser Rothschild als der
005 Inbegriff der Eleganz. Für mich, den zwanzig Jahre
006 Lichterstadt ganz schön verdorben haben, verhält es sich genauso.
007 " Wenn ihr kein Brot habt, müßt ihr eben Kuchen essen! "
008 soll Königin Marie Antoinette ihren verhungernden Untertanen
009 geraten haben. Ich aber sage: Wenn wir schon keine richtige
010 Aristokratie mehr haben - laßt uns die Rothschilds genießen!
011 Sie mögen uns daran erinnern, was früher einmal gute Manieren
012 waren, elegantes Auftreten, Lebenskunst. Da Frankreich ohnehin
013 das Land mit den meisten falschen Adelstiteln pro Quadratmeter ist,
014 besteht kein Grund, ausgerechnet den Adel der Rothschilds
015 öffentlich zu erörtern. Man weiß, woher sie kommen, man weiß,
016 wo sie sich bewegen, und man weiß auch, wo man sie niemals
017 antreffen wird. In Paris gibt es vier Rothschilds (es gibt noch
018 mehr, aber die sind ohne Interesse). Für uns zählen: Baron
019 Guy, auf vertrackte Weise der intelligenteste Rothschild;
020 Baron Edmond, der häßlichste und reichste von ihnen; Baron
021 Alain, der britischste und am wenigsten rothschildhafte aller
022 Rothschilds; schließlich Baron Elie, der Sportsmann in der
023 Familie (ein fabelhafter Erzähler jüdischer Witze), der sich
024 wie ein Stallknecht auszudrücken beliebt. Die Rothschilds
025 empfangen Fürsten, die keine sind, Herzöge, die es mit knapper
026 Not sind, und Könige, die es nie mehr sein werden. Die
027 Rothschilds bringen es fertig, mit einem gewissen Lächeln
028 irgendeiner obskuren Frau von Fels-Frischtz hochachtungsvoll
029 die Hand zu küssen. Ein Anblick, über den man ins Träumen
030 gerät. Wenn man wieder zu sich kommt, sieht man die Rothschilds
031 sich vor Hoheiten verneigen, deren Urgroßeltern gestorben sind,
032 ohne dem großen Rothschild in Frankfurt am Main ihre Schulden
033 beglichen zu haben. Die Rothschilds sind weiser und reicher als
034 die Bourbonen, die Habsburger und alle Mitglieder des Hauses
035 Orl‚ans zusammengenommen. Die fünf Dynastien, die Meyer
036 Amschel Rothschild (1743-1812) begründet hat, herrschen -
037 vor allem in Frankreich - immer noch durch die Macht des Geldes
038 und der Politik. Und durch das Prestige, das ihr Name ihnen
039 verleiht. Ich sagte schon, daß ich sehr viel Sympathie für die
040 Rothschilds empfinde: weil sie sympathisch sind, schön und
041 gastfreundlich; vor allem aber, weil sie reich sind. Ich habe
042 seit jeher eine Schwäche für begüterte Leute; stamme ich doch
043 aus einer Familie, deren Vermögen recht übler Herkunft ist.
044 Zeit meines Lebens war ich von mehr oder weniger großem Komfort
045 umgeben, und sicher werde ich dereinst ganz in der Nähe des
046 Schweizerischen Bankvereins sterben. Denn seit die Jugend sich
047 damit befaßt, schreiten die gesellschaftlichen Reformen nur sehr
048 langsam fort. Die Rothschilds kennen keinen Dünkel. Sie
049 laden sogar die Burtons zum Essen ein: Der Klub der Reichen
050 ist eine geschlossene Gesellschaft. Sie sprechen ihre eigene
051 Sprache. Sie heiraten untereinander, immer in denselben Vierteln,
052 ja in denselben Straßen. Sie sind viel herumgekommen. Die
053 Welt hat ihnen ihre schönsten Fleckchen überlassen: das Hotel
054 " Plaza " in Paris, das " Savoy " in London, das " Gritti "
055 in Venedig, das " Palace " in St. Moritz. Die Reichen
056 kennen viele Leute. Die Rockefellers kennen die Chases, die
057 Chases kennen die Agnellis, die Agnellis kennen den Papst, der
058 Papst kennt Niarchos, Niarchos kennt - doch hier schließt sich
059 der endlose Kreis. Das Weltbild der Reichen, kann man sagen,
060 ist recht ausgedehnt. Die Reichen haben mehr Achtung vor dem
061 Geld als die Armen. Ihre Moral - wie die Moral von General
062 Motors - wird an der Börse notiert. Zum selben Kurs wie Gold.
063 Das führt zuweilen zur Besessenheit. In Cannes, erzählt man
064 sich, aalte sich ein Goulandris am Strand des " Carlton " in
065 der Sonne. Neben ihm lag ein Livanos. " Schau doch ", sagte
066 der eine, " das Meer steigt. " " Kaufen! " sagte der andere.
067 Ich schreibe Romane, und schon aus diesem Grund fesseln mich
068 die Reichen. Sie sind mein Zirkus. Ich schaue ihnen zu, höre
069 ihnen zu. Aber in meinen Romanen tauchen sie niemals auf. Ich
070 schreibe nämlich recht gute Romane. Zurück zu den Rothschilds.
071 Die Pariser Rothschilds wickeln ihre Stadt um den Finger. Es
072 sind die letzten Pariser, die noch Feste zu geben wissen. Sie
073 sind die Erfinder des " Kleinen Abendessens mit anschließendem
074 Ball ". Ungefähr hundert Gäste werden zum Essen gebeten;
075 dreihundert weitere zum Ball, der dann beginnt, wenn die
076 Teilnehmer des Abendessens gerade Kaffee trinken. Kurioserweise
077 hat von den jeweils dreihundert, die für " nachher " eingeladen
078 waren, keiner jemals die Einladung ausgeschlagen. Mit Ausnahme
079 jenes Unbekannten, der seine Visitenkarte schickte, auf deren
080 Rückseite trocken vermerkt war: " Ich bin untröstlich, Ihrer
081 Einladung nicht folgen zu können, aber ich pflege meinen Kaffee
082 da zu trinken, wo ich gegessen habe. " Von allen Häusern der
083 Pariser Rothschilds wird dasjenige des Barons Guy am höchsten
084 geschätzt. Er ist schon ein sehr charmanter Mann, der Baron
085 Guy. Silbernes Haar, blaue Augen, starres und ein ganz klein
086 wenig verächtliches Lächeln. Stets wie aus dem Ei gepellt,
087 hält er es wie weiland Kaiser Karl 5.: Er spricht
088 Französisch mit den Damen, Englisch mit seinem Haushofmeister
089 und Deutsch zu seinen Pferden. Baron Guy de Rothschild gibt
090 seine Feste - " Kleines Essen mit anschließendem Ball " -
091 stets zu Ehren eines im Exil weilenden Königs oder eines
092 amtierenden Präsidenten; gelegentlich auch - aber dann ist es
093 wirklich nur ein ganz kleines Essen und ein ganz kleiner Ball -
094 für einen Finanzmagnaten, der natürlich sehr viel weniger reich
095 ist als der Gastgeber. Sollte sich in Paris gerade einmal weder
096 König noch Präsident noch Finanzgröße finden, greift man auf
097 den Herzog von Windsor zurück. Man mag ihn ganz gern, trotz
098 seiner abscheulichen Angewohnheit, den wunderschönen Lafite
099 (roter Bordeaux von den Weingütern der Rothschilds), den man im
100 einschenkt, mit Mineralwasser zu verschneiden. Verglichen mit den
101 Bällen, die seine Vettern geben, sind die Einladungen des
102 Barons Edmond de Rothschild - des unternehmungslustigsten der
103 vier Barone - beinahe volkstümliche Tanzbelustigungen. Es gibt
104 niemand, den man dort nicht antreffen kann. Ehemalige Skilehrer,
105 die inzwischen mit südamerikanischen Erbinnen verheiratet sind,
106 berühmte Coiffeure - und sogar Coiffeusen - Immobilienmakler,
107 die sich rechtzeitig aus Algerien abgesetzt haben, Schauspieler
108 und auch Leute, die zu Unrecht behaupten, sie seien Juden. Das
109 alles wäre bei den anderen Baronen ganz undenkbar. Elie und
110 Alain, genau wie Guy, empfangen nur die CrŠme der Pariser
111 Gesellschaft. Sie ist chemisch rein von Leuten aller Art, die
112 ihr Geld anders als durch Bankmanöver oder inzestuöse Heiraten
113 verdienen müssen. Nun gut, man trifft bei Baron Guy mitunter
114 auch Schauspieler. Aber dann sind es stets Schauspieler, die als
115 gesellschaftliches Gütezeichen mindestens eine Million Dollar auf
116 dem Konto haben. Die Burtons, zum Beispiel. Es ist ein
117 eleganter Spaß, Richard Burton von dem walisischen Bergwerk
118 plaudern zu hören, in dem sein Vater geschuftet hat, und ihm
119 dabei zuzusehen, wie er mit dem Ich-weiß-nicht-wieviel
120 -Karäter " La Peregrina " am Hals seines treuen Weibes
121 spielt. Die gesellschaftliche Liberalität des Barons Guy hat
122 schon zu den allerliebsten Peinlichkeiten geführt. So einmal im
123 letzten Winter, als mein Freund Rex Harrison als einer von
124 dreihundert Gästen eingeladen worden war, " nachher " noch ein
125 wenig zu tanzen. Ich sehe die unvergeßliche Szene noch ganz genau
126 vor mir: Harrison betrat den großen Prunksaal in der Rue de
127 Courcelles, rechts stützte ihn seine Frau, links ein Freund.
128 Er schwankte vor und zurück wie eine alte, sturmgeschüttelte
129 viktorianische Jacht. Mit etwas vorstädtischer Eleganz gewandet,
130 bewegte er sich auf die Dame des Hauses zu, wirren Blicks, die
131 Seele umnebelt von großem Bordeaux, den er woanders genossen
132 hatte. Auf halbem Weg flüsterte ihm der Freund, der ihn am Arm
133 führte, ins Ohr: " Achtung, rechts von dir, auf dem Sofa
134 dort, der Herzog von Windsor mit seiner Alten! " Wie es sich
135 für einen ehemaligen britischen Staatsbürger gehört, hielt
136 Harrison inne, drehte sich mühselig auf den Absätzen und nahm
137 Kurs auf seinen abgedankten Souverän. Als er vor ihm stand,
138 verbeugte sich Sexy Rexy ganz langsam, wie in einem Historienfilm,
139 fixierte den alten Mann, der einmal der Herr des britischen
140 Empire gewesen war, und lallte: " Na, wie geht's, Sie
141 komischer alter König? " Die Herzogin von Windsor, noch an
142 den Folgen ihrer letzten Schönheitsoperation leidend, brachte den
143 Mund nicht auf. Der alte Herzog, ausschließlich mit seinem
144 Cognac beschäftigt, hatte nichts gehört. Sexy Rexy machte sich
145 abermals auf den Weg zur Gastgeberin. Als er über die Hand der
146 Baronin sank, glaubte sie, man wolle sie zum Tanz bitten, und
147 aus diesem Mißverständnis entwickelte sich der unbestritten
148 komplizierteste Walzer der Saison. Eines Abends erlebte ich bei
149 Guy de Rothschild die perverseste Lektion in Regie, die ein
150 Schauspieler sich nur wünschen könnte. Ich war zum Essen
151 eingeladen, Rue de Courcelles 10, punkt acht Uhr. Ein paar
152 Meter vor der Haustür stand ein herrschaftlicher Wagen, innen
153 hell erleuchtet. Ich war neugierig, ging auf den Wagen zu und sah
154 die schöne Gräfin de Ribes. Sie lehnte sich lässig gegen gelbe
155 Lederkissen und las " France-Dimanche ". Sie trug ein
156 Kleid von Balenciaga und war mit Brillianten und Smaragden
157 behängt. Sie winkte mir lächelnd zu, ich grüßte sie ebenso und
158 entfernte mich auf Zehenspitzen, überzeugt, daß sie auf jemand
159 wartete. Ehrengast der Rothschilds war an jenem Abend Fürst
160 Paul von Jugoslawien, der ehemalige Regent. Nach dem Protokoll
161 mußten sich alle Gäste eine halbe Stunde vor dem Eintreffen der
162 Hoheit auf ihren Plätzen befinden. Als Fürst Paul sich über
163 die Hand der Baronin Rothschild neigte, glänzte Jacqueline de
164 Ribes durch Abwesenheit. Die losen Zungen gerieten in Bewegung.
165 ältere Leute vermuteten, sie habe sich vielleicht das Bein
166 gebrochen. Die Jungen, optimistischer, meinten, daß sie -
167 nein, das kann man nicht schreiben. Tatsache bleibt, daß eine
168 geraume Zeit lang jedermann über die Gräfin sprach, über ihre
169 Schönheit, ihre künstlerischen Bestrebungen, ihre Liebhaber,
170 ihre Eleganz, ihr Geld, ihre Garderobe, ihren Mangel an
171 Hemmungen jeglicher Art. Und eben dies hatte die schöne
172 Jacqueline beabsichtigt. Plötzlich stand sie da, ein wenig
173 atemlos, aber strahlend. Sie absolvierte einen perfekten
174 Hofknicks vor dem Fürsten und sagte: " Ich bin untröstlich,
175 Monsigneur, aber ich mußte meinen Wagen für ein Kind zur
176 Verfügung stellen, das genau vor mir von einem Lastwagen
177 angefahren worden war. " Sie entdeckte mich unter den Gästen,
178 blinzelte mir zu und nahm vergnügt den Kelch mit rose *n farbenem
179 Champagner, den der Butler des Barons ihr auf silbernem Tablett
180 reichte. Im Sommer zieht mein Zirkus um und richtet sich an der
181 Küste ein. An der Mittelmeerküste natürlich. Die baskische
182 Küste bleibt dem Familienleben vorbehalten. Sie ist ein bißchen
183 arg spanisch und schrecklich provinziell. Die Halle des " H“tel
184 de Paris " in Monte Carlo ist unter allen vergleichbaren
185 Orten der beste, wenn man etwas erleben will. In der Halle des
186 " H“tel de Paris " kann Ihnen einfach alles passieren.
187 Sie können in ein paar Minuten ein Geschäft mit ein paar
188 charmanten, aus Athen herübergekommenen Herren abwickeln, und
189 der einzige, der bei diesem Geschäft verliert, sind Sie.
190 Es ist gar nicht so schwer, Onassis übers Ohr zu hauen. Sie
191 können, wenn Sie jung, schön und - was das Wichtigste ist -
192 arm sind, binnen einer Woche die Ehe mit einer fünffachen Witwe
193 eingehen, die niemals erfahren hat, was Liebe ist. Dann freilich
194 erwartet sie von Ihnen Heldentaten, die Sie geradewegs einem
195 vorzeitigen Tod entgegenführen. Sie können, wie es mir
196 geschehen ist, in den Falten ihres Polstersessels eine Kette aus
197 Rubinen finden. Versuchen Sie ja nicht, sie zu verkaufen. Die
198 Steine sind immer falsch. Die echten ruhen in den Tresoren des
199 Bankhauses Hensch in Genf. An der Bar können Sie
200 farbenfreudige Cocktails trinken. Ellbogen an Ellbogen mit
201 Leuten namens Savoyen und Karageorgewitch, mit Bourbonen, die
202 sich auf dem absteigenden Ast befinden, mit Coburg-Gothas und
203 mit Braganzas, die nichts gegen die Demokratie hätten, wäre sie
204 nur ein wenig luxuriöser. Sie können auch, falls Sie sein
205 Freund sind, Aristoteles Onassoglou auf den Rücken klopfen.
206 In feinen Kreisen ist er bekannter unter dem Namen Ari Onassis.
207 Durch Onassis kam Herr C. einmal auf einen Einfall.
208 Gestatten Sie, daß ich Ihnen Herrn C. vorstelle. Er ist
209 türkischer Abstammung, klein, ungepflegt, weder jung noch alt,
210 er schielt, hat eine fahle Gesichtsfarbe und ewig feuchte Hände.
211 Eines Nachmittags wartete er in der Halle des " H“tel de
212 Paris " auf Onassis. Kaum erblickte er ihn, sprach er ihn auch
213 schon an: " Lieber Herr Onassis, Sie kennen mich nicht. Ich
214 heiße C.. Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Ein
215 einziges Wort von Ihnen, und mein Leben kann eine völlig neue
216 Wendung nehmen. "
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