Quelle Nummer 017
Rubrik 08 : GESELLSCHAFT Unterrubrik 08.11 : SEX
JASMIN
EROTIK IM BUERO (II): DIE UEBERSTUNDE
SUSANNE FRANZEN, CHRISTINA KARICH, PETRA SCHNITT,
HANNS DIETER DOMBROWSKI, WOLFGANG FISCHER, HANS-
RUEDIGER LEBERECHT, MICHAEL REDEPENNING
MUENCHEN 1970, HEFT 14, 6.7., S. 120-125
001 Erotik im Büro (2): Die Überstunde. Viele Frauen
002 wissen nicht, was ihre Männer den ganzen Tag tun. Hier erfahren
003 sie ein paar Einzelheiten darüber: Ich spreche aus
004 Erfahrung: Finger weg von der Sekretärin! Erich S., 49,
005 Direktor einer süddeutschen Speditionsfirma, zahlt für das
006 Liebesverhältnis mit seiner Sekretärin einen hohen Preis - in
007 bar: Ich weiß, daß ich auch mit schuld bin. Deshalb fällt
008 es Annemarie ja so leicht, mich zu (...) na ja, erpressen ist so ein
009 hartes Wort (...) ich will mal lieber sagen, nicht finanziell zu
010 schröpfen. Es gab eine Zeit, da habe ich rotgesehen, wenn ein
011 anderer Mann nur ein paar Worte mit ihr sprach. Für diese
012 Eifersucht muß ich heute bezahlen. Annemarie saß gerade drei
013 Monate in meinem Vorzimmer (Volontäre werden bei uns durch alle
014 Abteilungen geschleust), als wir den Betriebsausflug nach
015 Rüdesheim machten. Wir waren alle in ziemlich weinseliger
016 Stimmung. Annemarie hatte einen reizenden Schwips, denn mit
017 ihren sechzehn Jahren vertrug sie natürlich keinen Alkohol. Ich
018 weiß eigentlich auch nicht mehr, wie es kam, aber plötzlich hing
019 sie in rührender Naivität an meinem Hals. Sie war so lieb,
020 daß ich einen meiner eisernen Grundsätze durchbrach: nie ein
021 Verhältnis im Büro anzufangen. Das ist nun schon vierzehn
022 Jahre her. Ich richtete Annemarie eine Ein-Zimmer-
023 Wohnung ein, und sie versuchte, mir durch besondere Tüchtigkeit
024 eine Freude zu machen. Offen gesagt, ich hatte auch selten eine
025 so unermüdliche, begabte Person in meinem Vorzimmer sitzen.
026 Annemarie war glücklich, wenn sie mit mir zusammensein konnte.
027 Überstunden machten ihr nichts aus. Daß ich verheiratet war,
028 wußte sie. Meine Ehe betrachteten wir beide als tabu. In dieser
029 Beziehung habe ich ihr auch nie falsche Hoffnungen gemacht.
030 Ungefähr fünf Jahre lang ging alles gut. Annemarie übernahm
031 mit 21 den Posten der Chefsekretärin. Sie wurde unentbehrlich
032 für mich. Blitzschnell erfaßte sie geschäftliche Zusammenhänge.
033 Man konnte alles mit ihr besprechen. Und das hat mich natürlich
034 dazu verleitet, ihr alles zu erzählen. Heute könnte ich mich
035 dafür ohrfeigen. Zu ihrem 21.Geburtstag schenkte ich ihr
036 einen Kleinwagen. Als Anerkennung sozusagen. Nicht nur, weil
037 sie meine Geliebte war, sondern auch meine beste Mitarbeiterin.
038 Sonntags konnte ich mich natürlich nicht um sie kümmern. Meine
039 Ehe war ja nach wie vor sehr harmonisch. Also machte sie allein
040 Wochenendfahrten, und bei dieser Gelegenheit verliebte sie sich in
041 einen jungen Mann. Sie erzählte mir sofort davon. Und ich
042 reagierte wie ein Idiot - wie ein verliebter Idiot. Ich machte
043 ihr eine schreckliche Szene und verbot ihr jeden weiteren Umgang
044 mit dem jungen Mann. Sie hat sich tatsächlich daran gehalten.
045 Leider. Heute denke ich oft: Wenn sie nur mit ihm auf und davon
046 gegangen wäre. Aber hinterher ist man immer klüger. Eines
047 Tages verlangte Annemarie nämlich ganz kühl von mir, ich solle
048 mich scheiden lassen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Sie sagte:
049 " Ich habe dir schließlich die schönsten Jahre meines Lebens
050 geopfert. Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich längst
051 verheiratet. Statt dessen habe ich mich für deine Firma
052 aufgerieben. " Da war ja wirklich etwas Wahres dran. Ich
053 versuchte, sie zu vertrösten. Der sexuelle Reiz, den Annemarie
054 auf mich ausübte, war im Lauf der Jahre ohnehin abgeflaut.
055 Außerdem ärgerte es mich, daß sie inzwischen im Büro
056 Entscheidungen über meinen Kopf hinweg traf. Sie wurde mir ein
057 bißchen lästig und sie spürte wohl auch, daß ich sie gern
058 loswerden wollte. Ganz unvermittelt startete sie ihren ersten
059 Erpressungsversuch. Sie sagte: " Wenn du nicht mit deiner
060 Frau sprichst, gehe ich selbst zu ihr und erzähle ihr alles (...) "
061 Ich bin im ersten Augenblick wirklich blaß geworden. Mir war
062 klar, daß sie es ernst meinte. Ich saß verdammt in der Klemme.
063 Eine Skandalscheidung kann sich kein Geschäftsmann leisten.
064 Außerdem wollte ich meine Frau nicht verlieren. Schon gar nicht
065 wegen Annemarie. Was sollte ich tun? In dieser ausweglosen
066 Situation nahmen die Dinge eine überraschende Wendung. Ich habe
067 mich ziemlich geschämt damals, und dann bin ich sehr stolz gewesen
068 - auf meine Frau. Annemarie ist nämlich wirklich zu ihr
069 gegangen, aber sie mußte sehr klein und häßlich wieder abziehen.
070 Meine Frau sagte zu ihr: " Liebes Kind, ich weiß schon lange,
071 daß Sie ein Verhältnis mit meinem Mann haben. Wenn ich mich
072 scheiden lassen wollte, hätte ich es längst getan. Ich denke
073 nicht im Traum daran. " So kam Annemarie also nicht weiter. Da
074 ließ sie sich etwas Neues einfallen. Ziemlich unverblümt
075 verlangte sie eine finanzielle Sicherung ihrer Zukunft von mir.
076 Ich hätte ihre Heiratschancen verbaut, sagte sie, und da sei es
077 jetzt nur recht und billig, daß ich sie abfinde. " Und wenn ich
078 dich einfach entlasse? " fragte ich. " Dann zeige ich dich
079 wegen Steuerhinterziehung an ", antwortete sie prompt.
080 Natürlich wußte Annemarie einige Dinge aus der Firma, die den
081 Finanzbehörden unbekannt waren. Aber würde sie wirklich so weit
082 gehen und mich anzeigen? Ehrlich gesagt, ich weiß es bis heute
083 noch nicht. Ich habe ihr zwei Eigentumswohnungen gekauft unter der
084 Bedingung, daß sie die Firma verläßt und keine weiteren
085 Forderungen stellt. Vorläufig hält sie sich daran.
086 Eigentlich wollte ich auch einmal so eine Frau sein wie seine
087 Assistentin. Durch einen dummen Zufall erfuhr die Stuttgarter
088 Hausfrau Renate a., 44, Mutter von drei Kindern, warum ihr
089 Mann zweimal, dreimal in der Woche Überstunden machte:
090 Ein ganz normaler Tag. Der Postbote brachte mir ein
091 Päckchen, ein Einschreiben an Frau Renate A.. Absender:
092 ein Hotel in München. In Seidenpapier eingewickelt fand ich ein
093 schmales Kettenarmband mit einem winzigen Goldplättchen am
094 Verschluß. Dazu eine Karte mit besten Empfehlungen der
095 Direktion und dem Zusatz: " Ihre Übernachtung vom (...) Wir
096 erlauben uns, Ihnen das sicher schon vermißte Armband
097 zurückzusenden. Es wurde beim Aufräumen gefunden. " Ich war
098 an jenem Tag nicht in München. Ich habe auch kein Kettenarmband.
099 Mein Mann war in München, auf einer Geschäftsreise. Mit
100 einem Vergrößerungsglas entzifferte ich die Widmung auf dem
101 Goldplättchen: " W. A. " - die Initialen meines
102 Mannes - und ein Datum, das drei Monate zurücklag. Ich stand
103 in unserer Wohnung, die Schürze vorgebunden, und starrte auf
104 Brief und Kettchen. Der Frühstückstisch war noch nicht
105 abgeräumt, eine halbe Zigarre lag noch im Aschenbecher. Er
106 macht unser Leben kaputt, dachte ich, meines und das der Kinder.
107 Ich werde auch alles kaputtmachen. Dann habe ich geheult und alles
108 auf den Boden geschmissen, Teller, Tassen, nur die Kanne nicht,
109 da war noch Kaffe drin. Am Schluß saß ich vor den Scherben
110 und glotzte vor mich hin. Eigentlich, dachte ich, wolltest du
111 auch einmal eine solche Frau sein. Eine elegante, mit der ein
112 Mann verreist, sich heimlich trifft. Eine Geliebte, der man ein
113 Datum ins Armband gravieren läßt. Dann kehrte ich die Scherben
114 zusammen. Wolfgang betrügt mich, dachte ich, ich müßte ihn
115 auch betrügen, ich müßte ihm auch so weh tun können. Aber als
116 ich mich im Spiegel sah - hochrot, verweint, ungepflegt,
117 zipfliges Kleid unter der Schürze, ausgetretene Schuhe - da
118 habe ich diesen Gedanken gleich wieder aufgegeben. Ich bin zu
119 meiner Mutter gefahren und habe ihr alles erzählt. Zuerst mußte
120 sie lachen (" Den Jähzorn hast du von deinem Vater! "),
121 dann sagte sie ernst: " Wirf dieses Kettchen weg oder gib es mir,
122 ich werfe es weg. Er liebt dich. Das andere geht vorüber. "
123 Am Ende entwarfen wir gemeinsam einen Schlachtplan, um ihm seine
124 Flausen auszutreiben. Meine Mutter, geschult in sechsunddreißig
125 Ehejahren, wußte nach ein paar Fragen schon ziemlich genau, wo
126 die Gefahr herkam: Zwei Monate vor dem eingravierten Datum
127 hatte Wolfgang eine Assistentin bekommen. " Laß uns doch eine
128 Party geben für deine Kollegen ", sagte ich nach meiner
129 Rückkehr zu meinem Mann. Er war perplex. " Du bist doch jetzt
130 Verkaufschef, da mußt du den Leuten doch einmal zeigen, wie du
131 privat lebst. Natürlich war " sie " auch dabei. Ich merkte es
132 daran, wie ihr mein Mann aus dem Weg ging. Eine sympathische
133 Person, jünger als ich und ungeheuer selbstbewußt. " Deine
134 Assistentin ist aber besonders nett ", sagte ich zu ihm. "
135 Hoffentlich verdreht sie dir nicht den Kopf! " " Dazu gehören
136 zwei ", antwortete er kurz und agressiv. " Um so besser, wenn
137 du das weißt ", sagte ich, " dann kann sie sich im Büro keine
138 plumpen Vertraulichkeiten herausnehmen. " " Das würde sie nie
139 tun ", verteidigte er sie. Ich schaltete auf Stufe 2 meines
140 Plans: Ich lud sie zum Abendessen ein. " Die Männer
141 arbeiten nur und denken nie an uns Frauen ", begründete ich mein
142 Verhalten. Bestimmt war ihr das alles unheimlich. Aber sie
143 spielte mit - sie war wirklich unverschämt selbstsicher. Der
144 Abend wurde für mich ein voller Erfolg, obwohl ich mehr Zuhörer
145 als Teilnehmer war. Die beiden sprachen nur über den Betrieb,
146 und das war kein Theater. Ich wiederholte die Einladung am
147 nächsten Wochenende. Ich merkte mir Namen und Ereignisse.
148 Bald wußte ich, was ein Abteilungsleiter vom anderen hielt und
149 warum in bestimmten Zeiten der Umsatz zurückging. Ich besorgte
150 mir Fachbücher über die Branche meines Mannes, und plötzlich
151 redete ich mit. Mein Mann kam nun immer früher nach Hause.
152 Zwischen Tagesschau und Wetterkarte begann er schon von seinen
153 Problemen zu erzählen. Und eines Abends sagte er allen Ernstes: "
154 Muß das denn sein, daß wir jedes Wochenende deine
155 Freundin bei uns haben? " Beinahe hätte ich geantwortet: Es
156 ist doch deine Freundin. " Aber dann habe ich meinen Sieg lieber
157 still genossen. Bei Vera lernte ich etwas kennen, was mir
158 meine Frau nie geboten hat. Werner L., 42, Direktor in
159 einer Maschinenfabrik, gibt zu, daß sich seine " Büro-
160 Liebe " mit seiner Frau nicht messen kann. Trotzdem (...).
161 Wenn jemand meine Frau kennt, und dann Vera sieht, kommt er
162 bestimmt nicht auf die Idee, daß ausgerechnet diese unscheinbare
163 Person meine Geliebte ist, oder Freundin, oder wie Sie es
164 nennen wollen. Vera ist Hauptbuchhalterin in unserer Firma,
165 positionsmäßig mir als Abteilungsdirektor durchaus ebenbürtig.
166 Es ist gar nicht so einfach zu erklären, was mich an ihr reizt.
167 Wenn ich es mir genau überlege - äußerlich kann es nichts sein.
168 Ihre Beine sind zu kurz, und der Busen ist für ihren
169 Oberkörper viel zu klein. Sexuell? Eigentlich auch nichts
170 Außergewöhnliches. Ehrlich gesagt, meine Frau ist nicht nur
171 hübscher, sondern auch die bessere Geliebte. Trotzdem könnte
172 ich Vera nicht mehr aufgeben. Ich weiß noch genau, wie es
173 zwischen uns angefangen hat: Ich brauchte eine Auskunft über
174 einen zahlungsunfähigen Kunden und ging in die Hauptbuchhaltung.
175 Veras Angaben waren präzis, sachlich, und ihre Stimme gefiel
176 mir. Ich stand neben ihr, und plötzlich ertappte ich mich dabei,
177 daß ich gar nicht mehr hörte, was sie sagte, sondern wie sie es
178 sagte. Es vergingen aber noch Wochen, bis wir uns näher
179 kennenlernten. Es war an dem Tag, als ihr fester Freund
180 überraschend mit ihr Schluß gemacht hatte. Vera, unsere immer
181 so beherrschte Buchhalterin, verlor zum ersten Mal die Fassung.
182 Es war kurz nach Büroschluß, und sie hatte nicht damit gerechnet,
183 daß noch jemand in ihr Zimmer kommen würde. Sie tat mir
184 wirklich leid. Ich habe sie instinktiv in die Arme genommen, um
185 sie zu trösten. Dann brachte ich sie nach Hause. Von diesem
186 Tag an brachte ich sie öfter heim, und so beim vierten oder
187 fünften Mal ist es dann passiert. In dieser Nacht habe ich etwas
188 kennengelernt, was mir weder meine Frau noch meine zahlreichen
189 Freundinnen geboten hatten: Diese sachliche, intelligente,
190 perfekte Hauptbuchhalterin entpuppte sich als hundertprozentige
191 Frau. Sie überließ sich ganz mir. Nichts mehr war zu spüren
192 von dieser kühlen Überlegenheit, mit der sie im Büro so viele
193 Männer verscheucht hat. Ich habe mich schon lange nicht mehr so
194 (...) so zufrieden gefühlt wie in der ersten Nacht mit Vera. Und
195 das ist bis heute so geblieben. Unser Verhältnis dauert jetzt
196 drei Jahre. Dabei kann ich mich nur wenig um Vera kümmern. Die
197 Sonntage, die Feiertage und die Ferien gehören meiner Familie.
198 Ich liebe meine Frau immer noch und ich liebe meine Kinder. Eine
199 Scheidung käme für mich nie in Frage. Aber ich würde gern
200 einmal längere Zeit mit Vera zusammen sein, sagen wir vier
201 Wochen im Urlaub. Ein einziges Mal haben wir es gewagt und sind
202 miteinander in die Schweiz gefahren, nach Interlaken.
203 Ausgerechnet dort trafen wir einen wichtigen Kunden von uns. Wir
204 wissen nicht, ob er uns gesehen und erkannt hat. Ein scheußliches
205 Gefühl. Beruflich hat sich zwischen uns nichts geändert. Vera
206 will, daß wir weiterhin " Sie " zueinander sagen. Im Büro
207 ist sie sehr auf Distanz bedacht. Ich habe sie übrigens noch nie
208 gefragt, ob ihr das eigentlich reicht - meine seltenen Besuche,
209 dieses bißchen Sex nach Büroschluß. Irgenwie sagt mir ein
210 Gefühl, daß es besser ist, wenn ich sie nicht daran erinnere.
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