Kant: Briefwechsel, Brief 38, An Moses Mendelssohn.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Moses Mendelssohn.      
           
  7. Febr. 1766.      
           
  Mein Herr.      
           
  Es giebt keine Umschweife von der Art wie sie die Mode verlangt      
  zwischen zwey Persohnen deren Denkungsart durch die Ähnlichkeit der      
  Verstandesbeschaftigungen und die Gleichheit der Grundsätze einstimmig      
  ist. Ich bin durch Dero gütige Zuschrift erfreuet worden und nehme      
           
  Ihren Antrag wegen künftiger Fortsetzung der Correspondenz mit      
  Vergnügen an. HE. Mendel Koshmann hat mir den jüdischen      
  Studenten Leon zusammt Dero Empfehlung zugeführt. Ich habe ihm      
  sehr gerne meine Collegien und andere Dienstleistungen zugestanden.      
  Allein vor einigen Tagen ist er zu mir gekommen und hat sich erklärt      
  daß er sich der Gelegenheit welche die itzigen pohlnischen Zufuhren      
  geben bedienen wolle um eine kleine Reise zu den seinigen zu      
  thun von da er um Ostern allhier wieder einzutreffen gedenkt. Es      
  scheint daß er sich bey der hiesigen jüdischen Gemeinde durch einige      
  Vernachläßigung in der Observantz ihrer gesetzmäßigen Gebräuche nicht      
  gänzlich zu seinem Vortheile gewiesen habe und da er ihrer nöthig      
  hat so werden Sie ihm deswegen künftig die gehörige Vorschrift geben      
  in Ansehung welcher ich ihm schon zum voraus einige Erinnerung die      
  die Klugheit gebeut habe merken lassen.      
           
  Ich habe durch die fahrende Post einige Träumerey an Sie      
  überschickt und bitte ergebenst nachdem Sie beliebet haben ein Exemplar      
  vor sich zu behalten die übrige an die Herren: Hofpred: Sack. Oberconsist:      
  R: Spalding. Probst Süsmilch: Prof: Lambert: Prof. Sultzer      
  u. Prof. Formey gütigst abgeben zu lassen. Es ist eine gleichsam      
  abgedrungene Schrift, und enthält mehr einen flüchtigen Entwurf von      
  der Art wie man über dergleichen Fragen urtheilen solle als die Ausführung      
  selber. Dero Urtheil in diesen und andern Fällen wird mir      
  sehr schätzbar seyn. Gelehrte Neuigkeiten ihres Orts und eine      
  Bekanntschaft durch Dero Vermittelung mit den guten Köpfen ihrer      
  Gegend wird mir nützlich und angenehm seyn. Ich wünschte daß ich      
  meiner Seits etwas zu ihrem Vergnügen ausrichten könte und bin      
  mit wahrer Hochachtung,      
           
  Mein Herr      
           
  Königsb: Dero      
  d: 7. Febr: ergebenster Diener      
  1766. I. Kant      
           
           
           
     

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