Kant: Briefwechsel, Brief 338, Von Iohann Christoph Berens. |
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Von Iohann Christoph Berens. | |||||||
Berlin den 25 Oct. 1788. | |||||||
Für die freundschaftliche Expedition nach Hamburg bin ich um | |||||||
so vielmehr verbunden, da sie die gütige Zuschrift von Ihnen verehrungswürdiger | |||||||
F[reund] an mich veranlasset hat. - HE. Br: | |||||||
erhält den Auftrag von mir, die dabey gehabte Auslage mit 3 xx zu | |||||||
berichtigen. Es hat sich in meiner Heymath in Ansehung meiner | |||||||
Verhaltnisse noch nicht hinlänglich aufgeklärt zu einer Rückreise, die | |||||||
ich erst im nächsten Sommer anstellen werde. Der Auffenthalt in | |||||||
Berlin ist mir vorzüglich angenehm, weil ich hier unbemerkt und ohne | |||||||
allen Zwang leben kan. Selbst die gelehrte Bekantschaften mache ich | |||||||
nur gelegentlich. Mein litterarischer Freund ist hier HE Leuchsenring, | |||||||
der in allen Fächern helle sieht. Wir wünschen beyde sehnlich Ihre | |||||||
Moral, die noch in der Welt gefehlet hat. Sie thun recht, Ihren sich | |||||||
selbst gebahnten Weg in der spekulativen Phylosophie zu machen, ohne | |||||||
sich von Ihrem schönen Lauf, durch Nachhinkende, die anderes Interesse | |||||||
als die Warheit haben, aufhalten zu lassen. Aberinsonderheit sind | |||||||
Sie der Mann, der uns das Kleynod der Denckfreyheit bewahren | |||||||
müste, wenn sie angefochten werden dürfte. Der vormalige Ministre | |||||||
de la parole de Dieu hat als jetziger Relligions Minister in Politick | |||||||
gepfuschert. Sein Edict ist aber nicht von dem geringsten Effect. | |||||||
Spalding und Teller haben freyer wie jemals von der Cantzel geredet | |||||||
und ihre Predigten drucken lassen. Diedrich hat neulich ein Kind | |||||||
nach einem freyen Ritual, getauft, wobey der Minister Wöllner Gevatter | |||||||
war. Der Pastor Riem der Secretair bey der Accademie der | |||||||
Künste geworden, der über die Aufklärung deklamiret, läßt mit einem | |||||||
besseren Gehülfen ein gutes Journal für Aufklärung hier drucken | |||||||
darin ist ein Auszug aus Luthers Schriften über Denkfreyheit in | |||||||
Glaubens Sachen - unter andern "die Iuncker Bischöfe und Fürsten | |||||||
sind Narren, die sich in Glaubens Sachen was anmassen" Man | |||||||
könnte zum pendant aus des Königs Schriften ähnliche Stellen ziehen | |||||||
ich habe dazu gerathen. Aus diesen Schriften wird man den grossen | |||||||
Sterblichen erst recht kennen lernen - die Warheit in der Geschichte | |||||||
die Rechtschaffenheit in der Staats Klugheit, wird zugleich unendlich | |||||||
daraus gewinnen - ich fürchte Sie werden eine Zeitlang Ihre Speculationen | |||||||
liegen lassen, wenn Ihnen diese Werke in die Hände fallen. | |||||||
Von den neuen MeßSchriften, bin ich am begierigsten die von Garve | |||||||
über die Verbindung der Moral mit der Politick zu lesen - er wird | |||||||
tiefer in diese Materie gedrungen seyn, als der neue Coadjutor von | |||||||
Maintz, der sich bey seinem hiesigen Auffenthalt, als einen sehr liebenswürdigen | |||||||
Mann bekandt machte, der wie er sagte - weniger wie jemals | |||||||
an die Menschheit verzweifelte. Die Geschichte der Vervollkomnung | |||||||
des menschlichen Geschlechts von Weishaupt hat mir gefallen - er | |||||||
scheint Sie in dieser Materie besser zu verstehen und nachzuarbeiten, | |||||||
als in der Methaphisik. Ich werfe hier so viele Lieblingsmaterien | |||||||
hin, um einen recht langen Brief darauf zu veranlassen, nicht für | |||||||
mich, das wäre zu gut dazu, sondern für Ihren Freund den D Biester. | |||||||
Ich habe diesem lieben Mann versprochen, Ihnen etwas Z. E. über | |||||||
Denckfreyheit etc. für seine MonathsSchrift abzulisten. Es liegen in | |||||||
Ihrem Schreibpult Entwürfe. Wenn Sie uns davon auch nur eine | |||||||
kleine Notiz gäben. Sie haben jetzt nicht Muße auszuarbeiten. | |||||||
aber in einem Schreiben nur so hingeworfen, würde ich davon, ohne | |||||||
daß es die Absicht gewesen [zu] seyn scheinen müste, zur Freude der | |||||||
Leser und Herausgeber der MonathsSchrift, Gebrauch machen dürfen. | |||||||
Ich wollte mich hier nicht umsonst gerühmt haben, in dem Cabinet | |||||||
Ihres Geistes einigen Eingangs. Mit mehrerem Recht haben meine | |||||||
Frau und ich, sich bei aller Gelegenheit gerühmet, bey dem größten | |||||||
Phylosophen, den schönsten rothen Wein getrunken zu haben, den wir | |||||||
auf der ganzen Reise nicht wieder gefunden haben. Wir empfehlen | |||||||
uns beyde Ihnen Verehrungswürdiger Freund und dem damaligen | |||||||
lieben Gesellschafter bey der schönen Mahlzeit. Sie Sehen - ich bin | |||||||
mit Leib und Seele | |||||||
Ihr verbundenster I. C. Berens. | |||||||
Ihr Freund wird wohl dechifriren müssen. Er hat schon eine | |||||||
schlechte Schrift von mir lesenswehrt gemacht. Die beyden Keyserhöfe | |||||||
werden sehr in ihrem Cultur Plan von einem Theil von Europa gestöhrt | |||||||
- Der Kriegsoperations Plan war aber auch im Divan beßer | |||||||
wie in Wien gemacht. Preussische Regimenter waren beordert nach | |||||||
Holstein, wenn die Dänen sich nicht aus Schweden zurückziehen | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 552 ] [ Brief 337a ] [ Brief 339 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |