Kant: Briefwechsel, Brief 293, Von Iacob Friedrich Abel.

		Kant: Briefwechsel, Brief 293, Von Iacob Friedrich Abel.


		Von Iacob Friedrich Abel.

		16. April 1787.

		Wohlgebohrner Herr,
		Verehrungswürdigster Herr Professor,
		die Critik der reinen Vernunft, mit welcher Euer Wohlgebohrn die
		Philosophie bereichert haben, hat auch meine Bewunderung und Aufmercksamkeit
		bis zu einem solchen Grade auf sich gezogen, daß sie
		lange der vorzüglichste Gegenstand meiner Beschäftigung gewesen.
		Diese Aufmercksamkeit hat in mir verschiedene Zweifel erregt, die
		wahrscheinlich bei genauerer Erörterung von selbst wegfallen, die
		ich aber dennoch aufgelößt zu sehen, mit gröster Sehnsucht wünsche.
		Lange hatte ich den Plan Euer Wohlgebohrn diese Zweifel schriftlich
		mitzutheilen und mir dero Belehrung auszubitten; aber theils die
		Furcht eine indiscretion zu begehen, theils der öffentliche Aufruf
		von Ewer Wohlgebohrn an die Gelehrten, ihre Zweifel bekannt zu
		machen, bewogen mich Ihnen die meinigen vielmehr gedruckt mitzutheilen.
		Meine äussere Lage nöthigte m[ich] meinen Namen nicht
		zu nennen, aber desto mehr legte ich mir das Gesez a[uf] die
		anonymitaet nicht zu misbrauchen u. niemals die Ehrfurcht zu verlezen,
		die jeder seinem Lehrer schuldig ist. Um gleicher Ursache
		willen nannte ich auch meinen Namen mehreren Personen und bin
		so frei, auch Ihnen selbst verehrungswürdiger Mann, die Schrift
		unter meinem Namen zuzusenden.

		Mein ganzer Zweck ist erreicht wenn Ewer Wohlgebohrn oder

		einer Ihrer Freunde meine Zweifel einer Beantwortung würdig achten
		und durch dieselbe mich und das Publicum belehren mögen.

		Ich bin voll Empfindungen der reinesten Hochachtung

				Ewer Wohlgebohren
				gehorsamster Diener
		Stuttgardt d. 16. Apr.		J. F. Abel, Professor
		1787.		bei der hohen Schule
				in Stuttgardt



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