Kant: Briefwechsel, Brief 198, Von Friedrich Victor Leberecht Plessing. |
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Von Friedrich Victor Leberecht Plessing. | |||||||
26. Iuni 1783. | |||||||
Wohlgeborner Herr, | |||||||
Edler Gönner und Menschenfreund, | |||||||
Gestern kam ich hier in Berlin an, und Heute, da ich nur etwas | |||||||
ausgeschlaffen, sezze ich mich hin, um Ew. Wohlgeb. zu schreiben: | |||||||
Meine Verhältniße verstatteten es auf keine Weise, dies vor meiner | |||||||
Abreise aus Koniz zu thun; nur von hier aus konnte ich beikommendes | |||||||
Geld schikken. | |||||||
O vergeben Sie mir theurer, verehrungswürdiger Menschen=freund, | |||||||
daß ich Sie durch Überschikkung des beikommenden Geldes abermahls | |||||||
belästige - doch ein Mann, von Ihrer Moralischen Vollkommenheit, | |||||||
thut mehr wie andre gewönliche Menschen - | |||||||
Doch erst danke ich Ew. Wohlgeb. noch gehorsamst für die Rüksicht | |||||||
die Sie auf meine lezte Bitte genommen: ich werde den Brief | |||||||
an HE D. Biester abgeben; Noch habe ich hier keinen Menschen gesprochen, | |||||||
als meinen Wirth, Herrn Bergrath Moelter, dessen Frau eine | |||||||
alte Freundin meiner Mutter und ganzen mütterlichen Verwandtschaft | |||||||
ist, und der so gütig gewesen, meinem Vater seine Wohnung für mich | |||||||
anzubiethen. | |||||||
Ich nehme mir die Freiheit Ew. Wohlgeb. 1O8 rthlr. zu überschikken: | |||||||
Noch konnte ich der gewißen Person das ihr ausgemachte Geld | |||||||
nicht auf einmahl abbezahlen, sondern mußte ihr 25 rthlr schuldig | |||||||
bleiben, worüber sie eine Obligation von mir erhielt, die Herr Direktor | |||||||
Kanter (: der mit um die Sache wußte, von meinen andern Verhältnißen, | |||||||
die Ihnen und Ihrem Freunde nur allein bekannt sind, aber | |||||||
nichts weiß, wie auch keiner meiner Bekannten dort in Königsberg :) | |||||||
als Selbst=Schuldner unterschrieb: Ich konnte den Termin der Zahlung | |||||||
nicht halten, ließ ihr aber das Versprechen thun, daß sie gewiß abbezahlt | |||||||
werden sollte. Nun weiß ich nicht, auf welche Weise auf die | |||||||
für mich sicherste Art, diese 25 rthlr. der Person können ausgezahlt | |||||||
werden. Ich habe folgenden Vorschlag, wenn mir ihn nur Dero Güte | |||||||
ausführen hilft: Der Notarius und Iustiz=kommißarius Heße (: wohnhaft | |||||||
in eines Pelz=Händlers Hause, auf der Seite wenn man von der | |||||||
Schmiede=Brükke nach der kneiphöffschen Kirche zu den beiden Hoffpredigers | |||||||
Schulz gehen will :) hat den Vergleich, den ich damahls mit | |||||||
der Person errichtet, gemacht, wofür ich ihm über 8 rthlr, ohne die | |||||||
andern Unkosten, was ich dem Curator, den ich verordnen laßen, gegeben | |||||||
u.s.w. gegeben, sollte dieser, auf Dero Vorstellung sich nun | |||||||
wohl nicht entschlüßen, das Mensch vor sich fordern zu laßen, um ihr | |||||||
die 25 rthlr auszuzahlen, und sich meinen Revers von ihr zurükgeben | |||||||
zu laßen? Diese Angelegenheit wünschte ich, daß Ew. Wohlgeb. sie, | |||||||
gleich nach dem Empfang dieser 108 rthlr, so gütig wären in Richtigkeit | |||||||
zu bringen. | |||||||
Beiliegenden Brief, nebst 4 rthl, bitte ich an HErrn Haman zu | |||||||
übermachen, der noch 2 rthlr. von mir liegen hat, welche er, zusammen | |||||||
also 6 rthlr. an Iemand auszahlen wird, die ich baar geliehen. | |||||||
Zu meiner Sicherheit, damit der Vergleich mit der Person, desto | |||||||
mehr Kraft haben möchte, wurde mir damahls gerathen, noch jährlich | |||||||
etwas gewißes derselben auszumachen, welches ich denn auch that, | |||||||
nehmlich jedes Iahr 6 rthlr. und dies auf 12 Iahre. Ich stand in | |||||||
einiger Bekanntschaft mit Herrn Kammersekretair Iohn: HE Hippel | |||||||
rieth mir, da ich einen Vergleich mit der Person stiften wollte, mir | |||||||
einen Iuristen anzunehmen; ich sagte Herrn Referendarius Herkloz, | |||||||
den ich kannte die Sache, und durch den erfuhr sie hernach Herr Iohn: | |||||||
Nun erbot sich Herr Herkloz und Iohn hernachmahls die Caventen zu | |||||||
seyn, wegen der auf 12 Iahre jährlich ausgemachten 6 rthlr, die in | |||||||
dieser Absicht den Vergleich auch mit unterschrieben. Für diese Auslagen | |||||||
bis Michael dieses Iahrs, wie auch noch für 3 rthlr baar geliehenes | |||||||
Geld bin ich Herrn Iohn 9 rthlr schuldig: ich bitte daher | |||||||
Ew. Wohlgeb. gehorsamst, demselben 9 rthlr, nebst beikommenden Brief, | |||||||
zu übermachen. | |||||||
Als ich Königsberg verließ, war es unumgänglich nothwendig, | |||||||
daß ich einen theil meiner Schulden baar bezahlte, wenn meinem | |||||||
äußern Ruf dadurch nicht der größte Nachtheil widerfahren sollte. Es | |||||||
glükte mir, von Herrn Wolff Friedländer 100 rthlr auf einen gestellten | |||||||
Wechsel zu leihen, und zwar auf folgende Weise. Ich stellte | |||||||
diesen Wechsel, so, daß ihn der Buchhändler Wagner als Selbst=schuldner | |||||||
unterschrieb, an HErrn Wagner stellte ich wieder einen Wechsel aus, | |||||||
und zwar auf ein halbes Iahr, diesen unterschrieb Herr Kammersekretair | |||||||
Iohn als Selbst=Schuldner. Dieser Wechsel ist nun zur Bezahlung | |||||||
fällig, und ich würde mich gewißermaßen großer Gefahr aus | |||||||
sezzen, wenn ich die Bezahlung deßelben weiter verzögerte. | |||||||
Ich habe alle in meinen Verhältnißen mir mögliche Mittel, die | |||||||
mir Ehre und Gewißen erlaubten, herausgedacht und sie angewendet, | |||||||
um meine Schulden in Königsberg zu berichtigen: wie sehr mir dies | |||||||
geglükt ist, hievon haben Sie selbst Gelehgenheit gehabt sich zu überzeugen. | |||||||
Doch war es mir nicht möglich alles auf einmahl zu überwinden, | |||||||
daher konnte ichs nach allen möglichen angewendeten Versuchen | |||||||
nicht dahin bringen, diese auf Wechsel schuldige 100 rthlr ganz auf | |||||||
einmahl izt herbei zu schaffen, und bin daher nur im Stande 70 rthlr | |||||||
auf diese 100 rthlr. abzuschikken. Allein die Einlösung dieses Wechsels | |||||||
ist, wie Ew. Wohlgeb. dies selbst einsehen werden, doch so unumgänglich | |||||||
nöthig - O so nehme ich denn in dieser Verlegenheit noch mahls | |||||||
meine Zuflucht zu Ihrem in Liebe und Wohlwollen nie zu erschöpfenden | |||||||
Herzen: Lesen Sie beiliegenden Brief an Ihren herrlichen Freund, | |||||||
meinen großmütigen Wohlthäter; ich bitte ihn, seine Güte gegen mich | |||||||
zu vollenden, und der Bemühung die Krone aufzusezzen, die er nebst | |||||||
Ihnen, edler Gönner, angewendet hat, meinem Schicksaal eine andre | |||||||
Gestalt zu geben, nehmlich, mir zu Einlösung dieses Wechsels die noch | |||||||
fehlenden 33 rthlr (: nehmlich 3 rthlr. zu Bezahlung der halbjährigen | |||||||
Zinsen a 6 proC :) so lange vorzuschießen, bis in beßern Umständen, | |||||||
in welche versezt zu werden, ich gegenwärtig Hoffnung habe - ich ihm | |||||||
diese Schuld abzutragen [vermag]. Kann die Betrachtung über das Ganze | |||||||
meiner Verhältniße und meiner Lage, Sie nun wohl bestimmen, noch | |||||||
hier zum lezten mahle sich für mich zu verwenden, und Ihrem edlen | |||||||
Freunde diese Sache vorzutragen? Sie sezzen dadurch dem, was Sie | |||||||
für mich gethan, die Krone auf. Ihr Charakter ist so reich an moralischer | |||||||
Vollkommenheit, daß er in sich selbst allgenugsam an Bestimmungen | |||||||
zur Ausübung des Edlen und Vortreflichen ist: Ich sezze | |||||||
daher nichts hinzu, um Ihren Sinn gegen mich rege zu machen, als | |||||||
daß ich die tiefgefühlte Überzeugung in meinem Herzen trage: daß ich | |||||||
in Ihnen einen Mann kenne, desgleichen ich nie auf Erden gefunden | |||||||
und auch nie finden werde; Und Ihnen dies mein Herz gegen Sie | |||||||
beseelende Gefühl in aller Kraft auszudrükken und darzustellen, dies | |||||||
soll eine meiner innigsten Bemühungen, in meinem zukünftigen fernern | |||||||
Leben seyn. | |||||||
Unter den Nachrichten und Briefen die ich hier in Berlin fand, schrieb | |||||||
mir auch mein Vater, daß, ich vielleicht Bibliotekarius in Wer[nigerode] | |||||||
(: eine Stelle von 300 rthlr :) werden könne, ohne aber dabei mein | |||||||
Vorhaben, mich dem akademischen Lehrstande zu widmen, aufzugeben, | |||||||
indem ich bei diesem Amte, eine mir zuertheilende fixirte Stelle als | |||||||
würklicher akademischer Lehrer, abwarten könnte, weil es keine Schwürigkeiten | |||||||
kosten würde, daßelbe alsdenn niederzulegen. | |||||||
Wie freue ich mich, daß Sie Neigung uud Intreße gegen meinen | |||||||
theuren Vater gefaßt haben: ia, gewiß es ist auch einer der besten | |||||||
und würdigsten Menschen auf Erden. | |||||||
Da es so unendlich zur Beruhigung meines Herzens gereicht, | |||||||
wenn ich aufs baldigste den Erfolg Ihrer für mich angewendeten Bemühungen | |||||||
erfahre, so bitte ich Sie gehorsamst, die Nachricht hievon | |||||||
an Herrn Martin Scheller Kauff= und HandelsHerrn in Magdeburg | |||||||
zu adreßiren, nehmlich, Dero Brief an mich, oder vielmehr nur auf | |||||||
meine Adreße zu schreiben, abzugeben bei HE Martin Scheller | |||||||
u.s.w. Dieser Kaufman ist ein Freund meines Vaters, und ich werde | |||||||
einige tage bei ihm logiren, um die Gelehrten in Magdeburg zu besuchen. | |||||||
Sehr zu meiner Beruhigung würde es auch gereichen, wenn Ew. | |||||||
Wohlgeb. so gütig wären, und HE Iustiz=kommißarius bäten, daß er | |||||||
der Person nochmahls einschärfen sollte, alle Punkte des Kontrakts zu | |||||||
halten: denn mir ist immer bange, daß sie, um noch mehr Geld zu | |||||||
schneiden, mir einmahl gerichtlich nachschreibt: und dergleichen würde | |||||||
in meinen nunmehrigen Verhältnißen, von den nachtheiligsten Folgen | |||||||
für mich seyn. Am besten wäre es, wenn sie den künftigen Ort meines | |||||||
Auffenthalts gar nicht zu erfahren kriegte. | |||||||
Sollte die Sache nicht so weit, durch Ihre gütigen Bemühungen | |||||||
gebracht werden können, daß der Wechsel eingelöset würde, so behalten | |||||||
Sie meinen Brief an HE Wagner zurük; ich schreibe demselben, da | |||||||
dort in Königsberg durch Aßignation, das Geld zur Einlösung meines | |||||||
Wechsels ausgezahlt werde. Kommt es nun dahin, daß der Wechsel | |||||||
kann eingelöset werden, so, seyn Sie so gütig und zahlen HE Wolff | |||||||
Friedländer die 103 rthlr., sch[n]eiden diesen Wechsel durch, zeigen ihn | |||||||
Herrn Wagner und laßen sich von ihm meinen Wechsel zurükgeben: | |||||||
diesen nun von dem HE Iohn mit Unterschriebnen Wechsel schneiden | |||||||
Sie gleichfals, schikken ihn HE Iohn versiegelt zu, und bitten sich ihn | |||||||
zurük aus. - Noch muß ich Sie bitten, den Brief an HE Iohn von | |||||||
mir nicht zu überschikken, wenn die Einlösung des Wechsels nicht zu | |||||||
Stande kommen sollte, weil ich mich in meinem Briefe an ihn darauf beziehe. | |||||||
Und nun leben Sie wohl, edelster uud würdigster Mann, den ich | |||||||
unter den Menschen kenne! Mein ganzes Herz gehört Ihnen in Neigung, | |||||||
Dank und Erkenntlichkeit: Laßen Sie mich dem Ihrigen ferner | |||||||
empholen seyn! - Ewig so lange mein Daseyn dauret bin ich mit | |||||||
der inniglichsten Hochachtung | |||||||
Dero | |||||||
treugehorsamster und verbundenster | |||||||
Berlin | Pl. | ||||||
den 26 Jun. 83. | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 321 ] [ Brief 197 ] [ Brief 198a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |