Kant: Briefwechsel, Brief 147, Von Christian Iacob Kraus.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Christian Iacob Kraus.      
           
  2. März 1779.      
           
  Theurster Herr Professor.      
           
  Der Aufenthalt in Berlin fängt an für meine Gesundheit von den      
  wohlthätigsten Folgen zu werden. Die hiesige heitre Luft, der allgemeine      
  Geist der Fröhlichkeit und Geselligkeit, ausgebreitete Bekanntschaften      
  und Umgang mit wahren Freunden, haben nächst Diät und      
  Bewegung mir soweit geholfen, daß ich wirklich nicht mehr hypochondrisch      
  bin, obgleich das Uebel noch in meinem Körper sitzt; aber auch da      
  hoffe ichs durch diese natürliche Heilmittel zu vertreiben. Von Arzeney      
  mag ich nichts mehr wissen; sie macht mich mißtrauisch gegen mich      
  selbst, und verführt mich in der Beobachtung der ersten Gesundheitsregeln      
  fahrläßiger zu werden.      
           
  Sie wünschen, daß ich dem Minister von einer vortheilhaften Seite      
  bekannt würde. Nach der Gnade zu urtheilen, die er mir erweist,      
  hat er von mir nur zu vortheilhafte Begriffe. Er hat mich in den      
  Zirkel von Gelehrten, mit denen er wechselsweise des Mitwochs speist,      
  aufgenommen, und mir dadurch einige sehr erwünschte Bekanntschaften      
  verschaft. Verschiedene male hat er sich mit mir allein unterredet,      
  und die Herablaßung und Freundlichkeit, womit ers that, gab meiner      
  Seele die glükliche Stimmung, in welcher ich mir getraue, mich einem      
  Mann von den Gesinnungen des Ministers empfehlen zu können. In      
  Ansehung meiner künftigen Beförderung hat er mir, ohne daß ich ihn      
  ausdrüklich darum angegangen, alle Gewißheit geben lassen, die ich      
           
  nur verlangen kann; fände bey einem academischen Amte die Adiunctur      
  Statt, so würde er mir selbige beschieden haben.      
           
  Durch die Bekanntschaften die ich an der Tafel des Ministers gemacht,      
  besonders aber durch meinen Freund D. Biester bin ich in geschloßene      
  Gesellschafften von größtentheils Gelehrten eingeführt, die für      
  mich eben so lehrreich als angenehm sind.      
           
  Unter der Menge von Bekannten, die ich itzt habe, (es ist wirklich      
  einem Fremden in Berlin sehr leicht Bekanntschafften zu machen) bin      
  ich so glüklich, zween wahre Freunde zu haben. Der erste ist der Uebersetzer      
  des Toaldo, Herr Steudel, ein gebohrner Schwabe. Er ist ein      
  großer Naturforscher, besonders in der Chimie, Botanik, und praktischen      
  Astronomie sehr erfahren; der Minister Zedlitz hat ihm eine Professur      
  in Halle angebothen, aber er zieht seine Freyheit aller Gemächlichkeit      
  des Lebens vor. Nicht leicht werden zween Menschen mehr miteinander      
  sympathisiren als wir beyde. Er läuft mit mir auf dem Felde      
  herum und unterrichtet mich in der Naturgeschichte. Biester ist der      
  zweyte, den ich unter meine Freunde zähle; von ihm will ich im      
  Griechischen profitiren, wenn ich länger hierbleibe.      
           
  Ihren Brief an Prof. Feder habe ich noch nicht abgeschikt; aber      
  meinen Brief schon fertig liegen, mit dem ich ihn nächstens abschiken      
  will. Was mich bisher davon abgehalten, ist, daß man mich hier dem      
  Minister Münchhausen zum Führer seines Sohnes, der nächstens nach      
  Göttingen und von da nach Genf gehen soll, empfohlen; noch warte      
  ich auf den Erfolg der Empfehlungen. Die zweyte Ursache, die mich      
  abhielt, war, ich wollte gern Herrn Feder um eine gewisse bestimmte      
  Versorgung bitten; ich glaubte sie gefunden zu haben, da Sprengel      
  der bisher in Göttingen iungen Engländern Unterricht gegeben, nach      
  Halle in Thunmanns Stelle berufen worden; D. Biester schrieb deßhalb      
  an Sprengeln, bekam aber zur Antwort, er habe den Engländern Vorlesungen      
  über die Geschichte in englischer Sprache gehalten; und ich      
  müste dies nothwendig auch thun können wenn ich ihm succediren      
  wollte. Das traue ich mir nicht zu. Ich habe also in meinem Briefe      
  an HE Feder auch nur überhaupt gebethen, er möchte mir doch      
  schreiben, durch welche Art von Unterweisung ich mir versprechen könnte      
  einige Erleichterung des Unterhalts in Göttingen zu finden. Findet      
  sich daselbst für mich kein Mittel des Unterhalts, so bleib ich den      
  Sommer in Berlin, wo ich nicht weniger Gelegenheit zur Erweiterung      
           
  meiner Kenntnisse habe als in Göttingen, und wo ich itzt ohne von      
  iemanden abzuhangen mit Wenigem sehr angenehm leben kann, da      
  mir das Essen nichts kostet.      
           
  Der iunge Forster, der Prof. der Naturgeschichte in Cassel      
  geworden, ist seit 14 Tagen hier; auf sein dringendes Bitten      
  hat der Minister seinen Vater Reinhold, der in London mit seiner      
  Familie fast verhungert, nach Halle berufen, wo er vor der Hand mit      
  einem Gehalt von 500 rth. vorlieb nehmen und dafür lesen soll, was      
  ihm beliebt. Trotz den erbärmlichen Umständen, worin er sich in London      
  befindet, hat er erst kürzlich ein vortrefliches Werk geschrieben, welches      
  die Resultate aller der Beobachtungen enthält, die er auf seinen Reisen      
  gemacht; der Titel ist: Bemerkungen über die physische Geographie,      
  ethische Philosophie und Naturgeschichte, in 4to. Da es noch nicht so      
  bald übersetzt werden dürfte, weil der Sohn, der sich die Uebersetzung      
  vorbehält, zu viel Geschäfte hat, so habe ich Biestern der das Werk      
  vom Minister bekommen, gebethen, einen Auszug daraus zu machen,      
  den ich Ihnen so bald er fertig ist zuschiken werde.      
           
  Der Friede ist gewiß; der Kaiser hat die Präliminarien unterzeichnet.      
  Gestern sagte mir der Hofrath Schmucker der bey der märkschen      
  Cammer expedirender Secretär ist, er habe den Befehl gesehn , den      
  das GeneralDirektorium bekommen die Casernen räumen zu lassen      
  und die Quartiere für die Garnison bereit zu halten. Der König      
  wird den 14 dieses Monats erwartet.      
  Würdigen Sie ihrer fernern Gewogenheit und Liebe Ihren      
           
  Berlin den 2ten März 1779. ergebensten [Diener]      
    Kraus.      
           
  N. S. Mit D. Herz stehe ich in ganz gutem Vernehmen.      
           
           
           
     

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