Kant: Briefwechsel, Brief 130, Von Ioachim Heinrich Campe. |
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Von Ioachim Heinrich Campe. | |||||||
13. März 1778. | |||||||
Verehrungswürdiger, lieber Freund, | |||||||
Durch einen gestern von Berlin erhaltenen Brief werde ich benachrichtiget, | |||||||
daß ein gewisser HE. Geye, ein Anverwandter meiner Frau, | |||||||
von Königsberg aus dahin geschrieben habe, "Sie hätten mir Gelegenheit | |||||||
zur Erlangung der dortigen Hofprediger=Stelle angeboten, u. wüsten | |||||||
nicht, warum ich auf dieses gütige Anerbieten biß jetzt noch nicht geantwortet | |||||||
hätte." Wenn diesem wirklich so ist: so muß meine damalige | |||||||
Antwort auf der Post verloren gegangen seyn. Denn ich hatte Ihr | |||||||
obgedachtes Liebevolles Anerbieten kaum gelesen, als ich von aufrichtigster | |||||||
Dankbarkeit gerührt, die Feder ergriff, um Ihnen zu antworten. | |||||||
Diese Antwort wurde auf die nächste Post gegeben, u. muß also nothwendig, | |||||||
wenn sie nicht biß zu ihnen gekommen ist, verloren gegangen | |||||||
seyn, welches mir sehr leyd thun würde. | |||||||
Ich antwortete aber damals, daß ich bey der großen Entkräfftung | |||||||
an Seel' u. Leib, die eine Folge meiner in Dessau erduldeten Leiden | |||||||
war u. zum Theil noch jetzt ist, nicht daran denken dürfte, mir schon | |||||||
sobald wieder einen so großen Wirkungskreis abzustechen; u. daß ich | |||||||
daher auf Ihr gütiges Anerbieten Verzicht thun müßte. Auch hatte | |||||||
ich mich damals, unter gewissen Bedingungen, gegen den guten Dessauischen | |||||||
Fürsten verbindlich gemacht, nach Dessau zurückzukehren, um wenigstens | |||||||
in Seinem Lande zu leben, falls ich an dem dortigen Institute keinen | |||||||
unmittelbaren Antheil nehmen könnte. Diese Verbindlichkeit hat zwar | |||||||
jetzt aufgehört, aber da die erste Ursache noch ziemlich fortdauert, so | |||||||
darf ich vor der Hand noch nicht daran denken, wieder ein mit vielen | |||||||
Arbeiten verbundenes öffentliches Amt zu übernehmen, es müste denn | |||||||
etwa eine Bibliothekarstelle seyn, wobey ich es - haben Sie Nachsicht | |||||||
mit mir! mehr mit Todten, als Lebendigen zu thun hätte. | |||||||
Mancherley neue Kränkungen, die mir durch allerhand Mißverständnisse, | |||||||
noch hier von Dessau aus zugewachsen sind; haben meine | |||||||
Wiedervereinigung mit dem dortigen Institute mir schlechterdings unmöglich | |||||||
gemacht. Ich habe daher den edlen Fürsten gebeten, mich von | |||||||
aller Verbindung mit demselben loszusprechen, u. ich erwarte diese | |||||||
Lossprechung mit der nächsten Post. Das Mspt., welches ich für die | |||||||
Unterhandlungen fertig hatte, werde ich als eine kleine Sammlung | |||||||
von Erziehungsschrifften noch auf die Ostermesse besonders abdrucken | |||||||
lassen. Sollten Sie, der Hoffnung gemäß, die Sie mir im | |||||||
Herbst zu machen beliebten, etwas für mich aufgesetzt haben: so würden | |||||||
Sie mich durch eine baldige Zusendung desselben, u. durch die Erlaubniß, | |||||||
es meiner Sammlung einzuverleiben, gar sehr verbinden. | |||||||
Was dann nun mein Plan sey? - Vor der Hand dieser: ich | |||||||
werde von vielen Kindern, die mir hier angeboten sind ein Paar von | |||||||
gleichem Alter u. gleichen Fähigkeiten zu mir nehmen, um sie zu unterrichten | |||||||
u. zu erziehen. Finde ich mit der Zeit einen Gehülfen nach | |||||||
meinem Sinn u. Herzen, so werde ich mich mit ihm verbinden u. | |||||||
die Zahl meiner Eleven verhältnißmäßig vergrössern. Nie werde ich | |||||||
aber etwas unternehmen, welches Aufsehen u. Geräusch macht, sondern | |||||||
bloß im Kleinen u. ganz im Stillen so viel Gutes zu wirken suchen, | |||||||
als mir meine Kräffte erlauben werden. | |||||||
Der gute Regge! - Schade um so viel Gutes, welches mit ihm | |||||||
begraben ward! Einen solchen Gehülfen mit besserer Gesundheit | |||||||
wünschte ich mir. | |||||||
Ist es Ihnen möglich, Theuerster Freund, so entreissen Sie mich | |||||||
bald durch ein Paar Zeilen der Ungewißheit, worin ich wegen meiner | |||||||
neulichen Antwort bin; u. versichern Sie sich der unveränderlichen | |||||||
Hochachtung u. Liebe, womit ich unaufhörlich bin | |||||||
ganz der Ihrige | |||||||
Hamburg d. 13ten März 78. | Campe. | ||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 225 ] [ Brief 129a ] [ Brief 131 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |