Kant: Briefwechsel, Brief 115, Von Friedrich Wilhelm Regge.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Friedrich Wilhelm Regge.      
           
  29. April 1777.      
           
  Wohlgebohrner, hochgelahrter Herr,      
           
  Höchstzuverehrender Herr Profeßor!      
           
  Ew. Wohlgebohrnen letzteres geehrtes Schreiben vom 23ten Aprill      
  hat mich nicht zu Hause angetroffen, wie Dieselben es aus meines Vaters      
  Antwort ersehen haben, ohnerachtet Sie mit der nehmlichen Post auch      
  von mir ein Schreiben von Tilse datirt, erhielten. So wie ich mich      
  nach und nach zu Beobachtung der von Ew. Wohlgebohrnen mir ertheilten      
  diaetetischen Regeln zu gewöhnen anfange, eben so gerne      
  suche ich auch den mir gütigst gegebenen Rath zu Zerstreuungen und      
  Aufmunterung durch Gesellschaft, zu befolgen, und ich finde, da      
  wenn die Wahl derselben mit Reisen und motion verbunden, sie mir      
  ungemein zuträglich sind. Aus diesem Grunde war ich vorigte Woche      
  in Gesellschafft eines Freundes nach Schreitlauken zum HE Amtsrath      
  Schoen geritten, wo wir wieder unsren Vorsatz, uns wegen des anhaltenden      
  Sturmwindes, (der das Ueberkommen über den Memelstrohm      
  gefährlich machte) einige Tage länger aufhalten mußten Von hier      
  aus hatte ich die Ehre Ew. Wohlgebohrnen geneigtes Schreiben vom      
  9ten Aprill zu beantworten, weil ich mir selbst Vorwürfe machte, da      
  ich mich durch Hoffnung, von HE: Simpson eine Antwort zu erhalten,      
  hatte verführen laßen, die meinige an Dieselben so lange aufzuschieben,      
  und aus Versehen datirte ich meinen letzten Brief, anstatt      
  von Schreitlauken, von Tilse - Sonntag Abends kahm ich nach      
  Hause, und fand Ew. Wohlgebohrnen geneigtes Schreiben vor, woraus      
  ich ersehe, daß ich um so mehr Ursache habe Dieselben wegen zu      
  später Beantwortung Dero Schreibens gehorsamst um Verzeihung zu      
  bitten, da selbige Ihnen Besorgniß meiner Gesundheit wegen verursacht      
  hat. Zugleich sage ich Ew. Wohlgebohrnen auch für diese      
  Würkung Ihrer väterlich gütigen Gesinnung gegen mich den verpflichtesten      
  Danck, und wiederhole die Versicherung, daß ich mich      
  meinerseits eifrigst werde angelegen seyn laßen, die Absichten Ew.      
  Wohlgebohrnen so viel als möglich zu erfüllen, wenn ich sie ganz zu      
  erreichen, nicht im Stande seyn solte. Die Nachricht des HE: Educ:      
  Rath Campe von der Bereitwilligkeit des dortigen Instituts, mich als      
  Ihren Lehrling anzunehmen, ist mir jetzt um so angenehmer, da ich      
           
  durch Ew. Wohlgebohrn. väterliche Vorsorge in den Stand gesetzt      
  bin, so wohl die Reise nach Dessau unternehmen, als auch dort mich      
  unterhalten zu können. - Aus dem Auszuge von HE : Campe Briefe      
  sehe deutlich genug, daß ich die Bereitwilligkeit des dortigen Instituts      
  lediglich Ew. Wohlgebohrnen vortheilhafter Anempfehlung zu verdanken      
  habe, die mir zum lebhaften BewegungsGrund allemahl dienen      
  soll, mich des günstigen Urteils, welches Sie den dortigen Männern      
  beigebracht, in der That würdig zu machen, und darinn zu erhalten.      
       
           
  Auf Ew. Wohlgebohrnen Befehl habe mit vorigter Post die Entschlüßung      
  des Dessauschen Instituts mit kurzen Worten dem HE:      
  Simpson überschrieben, und wünschte, daß, weil die Sache wegen der      
  angehängten Bedingung mich zu sehr interessirt, jemand von des      
  HE. Simpson Koenigsbergschen Freunden selbst ihm umständlichere      
  Nachricht davon geben möchte. Bis jetzt ist noch immer beschwerlich      
  nach Memel zu kommen; indeßen hat der hiesige Landbau=Meister      
  Eckert, der dort ein Commissorium hat, mir Hoffnung gemacht, mich      
  zu Ende dieser Woche hinzuschaffen. Nun bin ich schon gar zu begierig,      
  des HE : Simpson Reise=disposition zu wißen, um mich und      
  meine kleine Equipage darnach einrichten zu können. Ew. Wohlgebohrnen      
  verlangen zu wißen: wenn ich meiner Gesundheit unbeschadet,      
  die Reise anzutreten gedencke? Bisher habe ich frische      
  Kräuter=Säfte gebraucht, und brauche sie noch, und da ich vermittelst      
  derselben mich immer beßer finde; so hoffe innerhalb 14 Tagen so      
  weit zu seyn, daß ich vieleicht ohne allen Nachtheil werde abreisen      
  können, wenn ich mich mit HErrn Simpson anders über diesen Termin      
  werde vergleichen können.      
           
  Ew. Wohlgebohrnen geruhten in einem Briefe noch eines Reisegefährten      
  zu erwähnen. Mir würde dieser sehr angenehm seyn, wenn      
  HE. Simpson nur damit zufrieden. da ich keinen Auftrag von Ew.      
  Wohlgebohrnen habe; so werde, HE. Simpson daran gar nicht dencken,      
  es wäre denn daß er mehr von dem Vorschlage dieser Reisegesellschafft      
  bereits wüste, als ich. Sobald ich mit HE. Simpson gesprochen,      
  werde sogleich Ew. Wohlgebohrnen von seiner Reise=disposition, die      
  doch von ihm allein abhangt, nähere Nachricht zu geben, nicht ermangeln      
       
           
  Mein Vater empfiehlt sich mit mir Ew. Wohlgebohrnen fernern      
           
  geneigten Wohlgewogenheit, und ich vorzüglich versichere mit dem hochachtungsvollesten      
  Herzen zu ersterben      
           
    Ew. Wohlgebohrnen      
    treu gehorsamst verpflichtester      
    Diener      
  Tilse Regge      
  d 29ten Aprill        
  1777.        
           
  N. S. Acht Praenumeranten auf die paedag: Unterhandlungen      
  habe schon zusammen, und hoffe noch ein paar zu bekommen, so dann      
  werde ohne Anstand die Praenummerationes Ew. Wohlgebohrnen zu      
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