Kant: Briefwechsel, Brief 111, Von August Rode. |
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Von August Rode. | |||||||
7. Iuli 1776. | |||||||
Wohlgebohrner Herr, | |||||||
Hochgeehrtester Herr Profeßor! | |||||||
Nicht wahr, Sie haben schon brav auf mich gescholten? Ia, ja! | |||||||
ich höre Sie in Gedancken sich über die schlechte Erfüllung meines | |||||||
Versprechens beklagen! Sie würden aber auch das gröste Recht | |||||||
haben, wenn bloß Nachläßigkeit schuld an meinen bisherigen Stillschweigen | |||||||
wäre. Allein das ists eben nicht! Meine langsame Reise; | |||||||
mein langer Aufenthalt in Berlin; und endlich daß ich - kaum war | |||||||
ich in meiner lieben Vaterstadt angekommen - schon wieder eine | |||||||
LustReise auf 14 Tagen mit machen muste. Dies sind die wahren | |||||||
Ursachen; und ich hoffe sie werden mich bei Ihnen wegen der spätten | |||||||
Erfüllung meines Versprechens entschuldigen. Ietzt will ich mich aber | |||||||
auch davon so gut als es mir möglich ist, entledigen: nur schade da | |||||||
die vielen öffentlichen Blaetter, - Mercure, Geographische Anzeigen | |||||||
und wie sie sonst alle heißen, - mir schon alle Nachrichten vom | |||||||
Examen weggenommen haben! Vermuthlich haben Sie sie schon alle | |||||||
gelesen, und wißen also daß er zur grösten Ehre des Herrn Profeßor | |||||||
Basedows ausgefallen ist. Das 2.te Stück des Archivs selbst wird | |||||||
nun auch wohl schon bei Ihnen angekommen seyn und in selbigen | |||||||
eine sehr detaillirte Nachricht sowohl vom Examen, als von denen dabei | |||||||
gewesenen Feyerlichkeiten. Mir ist also nur noch die Nachlese übrig. | |||||||
Basedow schreit nun mehr als jemals über die Trägheit der | |||||||
Menschen zu guten Wercken; und eifert aus allen Kräften wieder die | |||||||
Lehre: daß man ohne gute Wercke, allein durch eine gute Portion | |||||||
Glauben, geradesweges im Himmel eingehen könne. Wohl dem ersten | |||||||
Lehrer dieses Satzes, daß er nicht mehr ist! Bas . . würde grausam | |||||||
mit ihm umgehen; ihm gibt Er das Unglück des ganzen menschlichen | |||||||
Geschlechts schuld. Bis zum December will er es noch ansehen; allein | |||||||
wenn wärend dieser Zeit die Menschen nicht aus ihrer Trägheit erwachen, | |||||||
und zu der Ehre und den Ruhm, den sie ihm jetzt opfern, nicht | |||||||
auch die wesentliche Unterstützung hinzufügen; so will Er den 27ten | |||||||
des Monats seinen jetzigen Kinde die Leichenrede halten, und aus | |||||||
diesen nicht zu seiner Reife gekommenen Wesen, - ein anderes schaffen, | |||||||
was in seiner Art noch immer beßer seyn soll als man bis jetzt eins | |||||||
hat, das aber bei weiten nicht die Vollkommenheit haben wird, als | |||||||
das erstere erhalten haben würde, wenn Er es nach den gemachten | |||||||
Plan hätte vollenden können. Seit dem Examen ist nun noch ein | |||||||
Lehrer, Namens Ehrmann, aus Straßburg angekommen; und ein | |||||||
zweiter - der Kaufmann heist - ist von da unterwegens; und wird | |||||||
täglich auch erwartet. Die beiden mit den zweien, die sich bereits | |||||||
schon mit Basedoven und Wolcken hier verbrüdert haben, sind die vier | |||||||
junge Menschen=Freunde, die Iselin in einer kleinen Schrift voriges | |||||||
Iahr angekündiget hat. Im Archiv werden Sie auch Basedovs Ruf | |||||||
am Iselin gelesen haben. Noch ist seine Antwort nicht darauf erfolgt; | |||||||
man ist sehr neugierig ob Er ihn annehmen wird. Wie ich höre | |||||||
sollen Iselins Umstände eben nicht außerordentlich vorteilhaft seyn; | |||||||
und da Bas . . . ihm sehr gute Anerbieten gethan hat, - Er hat | |||||||
ihm unter andern, wie Er sagt, die helfte seiner Pension offerirt -, | |||||||
so läßt sich wohl etwas hoffen. Seit 8 Tagen sind wieder 7 Philanthropisten | |||||||
angekommen. Viere davon mit einen Canditatum Theologiae | |||||||
hat der Markgraf von Baden hergeschickt. Aus Hamburg sind | |||||||
sie auch noch 2 und aus Berlin eben so vieler täglich gewärtig. | |||||||
Überhaupt sollen noch 17 angekündiget seyn. Wenn diese alle kommen, | |||||||
so wird die Anzahl schon sehr ansehnlich und - ohne die Famulanten | |||||||
beinahe 50 seyn. Es kommen auch noch immer Fremden, die das | |||||||
Philanthropinum besehen, und es ihren Beifall geben. Diese Woche | |||||||
war ein Dänischer Minister Herr von Wedell mit seinem Sohne; | |||||||
der Herr Profeßor Plattner und der HE CreißSteuerEinnehmer | |||||||
Weise aus Leipzig hier. Sie wohnten auch den Gottesdienst mit bey, | |||||||
und fanden ihn höchst vernünftig und erbaulich; die Stelle der | |||||||
Feyerlichkeiten die in den Kirchen sonst dabei gewöhnlich sind, vertritt | |||||||
hier eine heilige Stille; und eine edele Einfalt des Vortrags. ich will | |||||||
keine weitere Beschreibung hier von und von der übrigen Lehrart | |||||||
machen, da das Archiv es umständlich gethan hat. | |||||||
Wylandt und Goethe sind nicht bei dem Examen gegenwärtig; | |||||||
eine Kranckheit des Herrn Herzogs von Weimar - deßen Protegés | |||||||
jetzt beide sind - hat es verhindert. | |||||||
Herr Moderbey ist wie ich gehört bereits von Koenigsberg abgereißt; | |||||||
allein noch ist Er nicht hier angekommen. Ich vermuthe Er | |||||||
reißt mit der Post, und dann hätte Er meiner Rechnung nach schon | |||||||
vor einigen Postagen hier seyn können. ich bin ihm daher schon einige | |||||||
mal entgegen geritten, um ihm einzuholen; allein vergebens! Vielleicht | |||||||
kommt er morgen, dann ist wieder Postag. Von HE. Krieges | |||||||
Rath Farenheit habe ich auch noch nichts gesehen. Ist Er noch bei | |||||||
seinen Vorsatz geblieben hierher zu kommen? Basedov erwartet ihn | |||||||
sehr sehnlich; Er wünscht einige Nachricht wegen den 5 jungen Leuten | |||||||
zu haben, die der Herr Commercien Rath ins Philanthropium schicken | |||||||
will. Die Zeit scheint ihm zu lang, von der Ankündigung des Projects | |||||||
bis zur Gewißheit. Im Fall dieses nicht durchgehen solte, wenn | |||||||
man dann doch nur den HE. Com: Rath F: dahin disponiren könte: | |||||||
daß Er dem Philanthropinum ein Geschenk von einige tausend Thaler | |||||||
machte. Vielleicht thut Er es, wenn ihm das 2te Stück vom Archiv | |||||||
hübsch fein angepriesen wird. | |||||||
Ich freue mich recht sehr auf die Ankunft des Herrn Moderbey. | |||||||
und noch mehr werd ich mich freuen, wenn ich von ihm hören werde, | |||||||
daß Sie, werthester Herr Profeßor! sich vollkommen wohl befinden, wie ich | |||||||
es innigst wünsche. Was machen die andern Herren unserer TischGesellschaft? | |||||||
Sie sind doch auch sämtlich wohl? Dies wünsche ich recht | |||||||
sehr! Empfehlen Sie mich gütigst alle denen Herren, die mir die | |||||||
Ehre erzeugen sich meiner geneigt zu erinnern. | |||||||
Recht gut daß meine philanthropinischen Nachrichten zu Ende | |||||||
sind! ich sehe eben daß ich in Gedanken schon den zweiten Bogen | |||||||
genommen habe; und das mögte doch etwas zu lang seyn. Verzeihen | |||||||
Sie nur, daß ich schon so weitläuftig gewesen bin. Ich empfehle | |||||||
übrigens Ihrem geneigten Andencken, und habe die Ehre mit der | |||||||
vollkommensten Hochachtung zu seyn | |||||||
Ew: Wohlgebohren | |||||||
Deßau den 7ten July | ganz ergebenster Diener | ||||||
1776. | Rode. | ||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 195 ] [ Brief 110 ] [ Brief 112 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |