Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zu Zum Ewigen ... , Seite 157 |
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01 | steht gedacht und der Begrif eines Erlaubnisgesetzes der reinen | ||||||
02 | Vernunft enthält einen Wiederspruch wenn die Freyheit die in einem | ||||||
03 | Fall durch kein Gesetz eingeschränkt wird doch zugleich als so etwas | ||||||
04 | vorgestellt wird was der Einschränkung durch ein Gesetz bedürfe - Aber | ||||||
05 | hier (N. 2, 3, 4,) ist nur von einer Erwerbungsart die Rede welche durch | ||||||
06 | die Vernunft schlechthin verboten ist indessen die Fortdauer des unrechtmäßigen | ||||||
07 | Besitzstandes einige Zeit hindurch eine Erlaubnis derselben | ||||||
08 | Vernunft zuläßt weil nicht dasselbe Object (eben dasselbe Recht) sondern | ||||||
09 | ein Anderes gemeint ist wozu ein besonders Erlaubnisgesetz | ||||||
10 | Das Erlaubnisgesetz würde so lauten: der Unrechtmäßige Besitz | ||||||
11 | einer Sache (oder Rechts) im gesetzlosen Zustande (statu naturali) kann | ||||||
12 | so lange als putativer Besitz fortdauern als dieser währt (weil in ihm | ||||||
13 | selbst diejenige rechtliche Autorität fehlt die zur Verurtheilung desselben | ||||||
14 | als eines unrechtmäßigen Besitzes erfodert wird) die Besitznehmung | ||||||
15 | solcher Art aber muß ein Überschritt aus jenem Zustande (der Völker) | ||||||
16 | in den Zustand eines herrschenden Völkerrechts (welcher nach dem Vernunftgesetz | ||||||
17 | exeundum esse e statu naturali eben so für Staaten im | ||||||
18 | Verhältnis gegen einander als für einzelne Menschen nothwendig ist) | ||||||
19 | fernerhin aufhören. - Sonst überall braucht man kein Gesetz um sagen | ||||||
20 | zu können daß etwas erlaubt sey und wenn in unserer bürgerlichen | ||||||
21 | Verfassung gleichwohl dergleichen als Ausnahmen vom Verboth vorkommen | ||||||
22 | so ist das ein Beweis der großen juristischen Mangelhaftigkeit | ||||||
23 | ihrer Gesetzgebung daß sie in die Formel des Verbots nicht zugleich die | ||||||
24 | Bedingung unter der es allein gültig ist (wie in der mathematischen) | ||||||
25 | hineinzutragen verstanden und so zu den positiven Gesetzen noch besondere | ||||||
26 | Erlaubnisgesetze zu Einschränkung jener ihres Umfanges hinzuzufügen | ||||||
27 | sich genöthigt sehen wo dann nicht abzusehen ist wo sie ein | ||||||
28 | Ende haben sollen. - Daher sehr zu bedauren ist daß man die Idee | ||||||
29 | des würdigen und Scharfsinnigen Herrn Grafen von Windischgrätz der | ||||||
30 | dergleichen Formeln auszufinden es zur Preisaufgabe machte so bald | ||||||
31 | verlassen hat weil sie allein den ächten Probierstein einer festbestimmten | ||||||
32 | Gesetzgebung (und dem was man als ius certum immer noch zu den | ||||||
33 | frommen Wünschen zählt) abgeben kann. | ||||||
34 | Gesetze enthalten einen Grund objectiver praktischer Nothwendigkeit | ||||||
35 | Erlaubnis aber einer dergleichen Zufälligkeit der Handlungen | ||||||
36 | mithin ein Erlaubnisgesetz Nöthigung zu dem wozu jemand von einem | ||||||
37 | Anderen nicht genöthigt werden kann welches wenn das Object des Gesetzes | ||||||
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