Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zu Über den ... , Seite 132 |
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01 | Das proton pseudos in diesem Argument liegt darin daß in dem | ||||||
02 | zweydeutigen Begrif des Vorziehens die Ursache für die Wirkung und | ||||||
03 | umgekehrt die Wirkung für die Ursache genommen wird. Daß die Vorstellung | ||||||
04 | des Gesetzes durch die Vernunft als Ursache der Willensbestimmung | ||||||
05 | Pflicht für die Wirkung eines Gefühls der Lust an einem Gegenstande | ||||||
06 | Vermittelst der Sinne Glückseeligkeit und diese Vorstellung für die Ursache | ||||||
07 | genommen wird die den Willen bestimmt. - Was geht vorher in der | ||||||
08 | Frage ob ich ein Anvertrautes Gut auf Erfordern herausgeben solle | ||||||
09 | indem ich wenn ich das letztere gethan haben werde ich mir Zufriedenheit | ||||||
10 | mit mir selbst verspreche. Muß ich die Zufriedenheit die ich voraussehe | ||||||
11 | zum Grunde legen um die Autorität des Gesetzes anzuerkennen oder | ||||||
12 | umgekehrt kann die Zufriedenheit über eine solche Handlung nur dadurch | ||||||
13 | statt finden daß ich vorher die Autorität des Gesetzes anerkenne? - wenn | ||||||
14 | ich auf meinen Vortheil acht habe der mir aus dem Unterschlagen des | ||||||
15 | Ehrenpfandes entspringen würde so sehe ich doch da bey aller Lust noch | ||||||
16 | eine freye Wahl vor mir und keine Nothwendigkeit das eine dem andern | ||||||
17 | vorzuziehen wenigstens kein Gesetz dem jeder Wille nothwendig unterworfen | ||||||
18 | sey es zurück zu halten. Aber bey dem Vorziehen des Gesetzes | ||||||
19 | der Pflicht bin ich mir zugleich der Nothwendigkeit bewußt ich soll so | ||||||
20 | handeln d. i. meine Vernunft stellt mir zugleich die Handlung als nothwendig | ||||||
21 | vor. Es ist hier ein Unterschied zwischen der unmittelbaren Bestimmung | ||||||
22 | zu handeln und der blos mittelbaren wenn ein Bestimmungsgrund | ||||||
23 | dazu in meinen Sinnen anzutreffen ist die erst | ||||||
24 | Das proton pseudos liegt in der Erklärung „eine Reihe guter | ||||||
25 | Zustände (die jemand andern Arten zu seyn vorzieht) ist der allgemeinste | ||||||
26 | Begrif der Glückseeligkeit” denn ein Zustand des einem erkannten Pflichtgesetz | ||||||
27 | folgsamen freyen Willens ob ich ihn gleich allen andern Zuständen | ||||||
28 | des Vergnügens das mir von irgend einem Gegenstande (außer dem | ||||||
29 | Gesetze selbst) kommen kann vorziehe ist keinesweges ein Element der | ||||||
30 | Glückseeligkeit; denn der erste ist ein Zustand der Nöthigung den ich vorziehe | ||||||
31 | weil ich muß (durch einen Zwang den die Vernunft meinem Willen | ||||||
32 | anthut) und zwar der Zustand der Handlung nicht des vorausgesetzten | ||||||
33 | Genusses aus den Folgen derselben (welche zur Glückseeligkeit gehören). - | ||||||
34 | Es kommt hier darauf an auszumachen was vorhergeht die Vorhersehung | ||||||
35 | der Lust die mir aus der Handlung bevorsteht (als Triebfeder oder Motiv | ||||||
36 | der Handlung) oder die Bestimmung des Willens zur Handlung unmittelbar | ||||||
37 | durchs Gesetz desselben worauf eine Lust (complacentia) an diesem Zustande | ||||||
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