Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zur Religion innerhalb der ... , Seite 100

   
         
 

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  01 zu cultiviren und zu erhalten. Die mürrische Kopfhängende    
  02 gleich als unter einem tyrannischen Joch ächzende cartheusermäßige    
  03 Befolgung seiner Pflicht ist nicht Achtung sondern knechtische Furcht und    
  04 dadurch Haß des Gesetzes. Und der selbst der diese Fröhlichkeit zur Pflicht    
  05 machte würde sie verscheuchen und nur die Grimasse davon übrig lassen -    
  06 „Wäre die sinnliche Natur im Sittlichen immer nur die unterdrückte und    
  07 nie die mitwirkende Parthey wie könnte sie das Ganze Feuer ihrer    
  08 Gefühle zu einem Triumpf hergeben der über sie selbst gefeyert wird?” -    
  09 Es giebt ein Mittel. Die sinliche Natur muß nicht als Mitwirkend sondern    
  10 unter der Despotie des categorischen Imperativs gezügelt der Anarchie    
  11 der Naturneigungen Wiederstand leisten deren Abschaffung allein auch    
  12 ihre durchgängige Harmonie unter einander befördert.    
         
  13 Würden alle Menschen das moralische Gesetz gern und willig befolgen    
  14 so wie es die Vernunft als die Regel enthält so würde es gar keine    
  15 Pflicht geben so wie man dieses Gesetz welches den Göttlichen Willen    
  16 bestimmt nicht als ihn verpflichtend denken kan. Wenn es also Pflichten    
  17 giebt wenn das Moralische Princip in uns Gebot für uns (categorischer    
  18 Imperativ) ist so werden wir als dazu auch ohne Lust und unsere Neigung    
  19 genöthigt angesehen werden müssen. Pflicht etwas gern und aus Neigung    
  20 zu thun ist Wiederspruch.    
         
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Dritte Seite

   
         
  22 Wenn die Einpfropfung dieses Begrifs auf unsere Gesinnung endlich    
  23 geschehen ist so kann es wohl geschehen daß wir pflichtmäßige Handlungen    
  24 mit Lust thun aber nicht machen daß wir sie mit Lust aus Pflicht    
  25 thun welches sich wiederspricht folglich auch nicht als zufolge einer Triebfeder    
  26 der Sinnenlust die den Mangel des Gehorsams gegen das Pflichtgesetz    
  27 ergänzt. Denn eben darin besteht die Moralität der Handlung    
  28 daß das Gesetz der Pflicht nicht blos die Regel (zu irgend einer Absicht)    
  29 sondern unmittelbar Triebfeder sey. - Jenes ist parergon der Moral.    
         
  30 Das sittlich noch so weit über Menschen hervorragende Wesen muß    
  31 die imperative Form des moralischen Gesetzes das seine Vernunft ihm    
  32 selbst giebt nach aller seiner Strenge als moralischen Zwang erkennen.    
  33 Denn als endliches Wesen ist es doch durch Bedürfnisse afficirt die physisch    
  34 sind und den moralischen sich entgegensetzen können. Hierwieder steht    
  35 nun der categorische imperativ selbst bey allem Zutrauen zu sich selbst    
         
     

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