Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 322

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Besitzes in ihr, ganz aufzustellen. Dagegen aber erschwert die comparativ      
  02 große Mannigfaltigkeit der Folgerungen aus wenig Principien, worauf      
  03 die Kritik die reine Vernunft führt, den Versuch gar sehr, ihn in einem      
  04 so kleinen Raume, als die Königliche Academie es verlangt, dennoch vollständig      
  05 aufzustellen; denn durch theilweise angestellte Untersuchung wird      
  06 in ihr nichts ausgerichtet, sondern die Zusammenstimmung jedes Satzes      
  07 zum Ganzen des reinen Vernunftgebrauchs ist allein dasjenige, was für      
  08 die Realität ihrer Fortschritte die Gewähr leisten kann. Eine fruchtbare,      
  09 aber doch nicht in Dunkelheit ausartende Kürze wird daher fast mehr      
  10 aufmerksame Sorgfalt in nachfolgender Abhandlung erfordern, als die      
  11 Schwierigkeit, der Aufgabe, welche jetzt aufgelöset werden soll, ein Gnüge      
  12 zu leisten.      
           
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Erster Abschnitt.

     
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Von der allgemeinen Aufgabe der sich selbst

     
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einer Kritik unterwerfenden Vernunft.

     
           
  16 Diese ist in der Frage enthalten: Wie sind synthetische Urtheile      
  17 a priori möglich?      
           
  18 Urtheile sind nämlich analytisch, wenn ihr Prädicat nur dasjenige      
  19 klar (explicite) vorstellt, was in dem Begriffe des Subjects, obzwar      
  20 dunkel (implicite), gedacht war; z.B. ein jeder Körper ist ausgedehnt.      
  21 Wenn man solche Urtheile identische nennen wollte, so würde man nur      
  22 Verwirrung anrichten; denn dergleichen Urtheile tragen nichts zur Deutlichkeit      
  23 des Begriffs bey, wozu docj alles Urtheilen abzwecken muß, und      
  24 heißen daher leer; z.B. ein jeder Körper ist ein körperliches (mit einem      
  25 andern Wort, materielles) Wesen. Analytische Urtheile gründen sich      
  26 zwar auf der Identität, und können darin aufgelöset werden, aber sie      
  27 sind nicht identisch, denn sie bedürfen der Zergliederung und dienen dadurch      
  28 zur Erklärung des Begriffs; da hingegen durch identische, idem per      
  29 idem, also gar nicht erklärt werden würde.      
           
  30 Synthetische Urtheile sind solche, welche durch ihr Prädicat über den      
  31 Begriff des Subjects hinausgehen, indem jenes etwas enthält, was in dem      
  32 Begriffe des letztern gar nicht gedacht war: z.B. alle Körper sind schwer.      
  33 Hier wird nun gar nicht darnach gefragt, ob das Prädicat mit dem Begriffe      
  34 des Subjects jederzeit verbunden sey oder nicht, sondern es wird nur      
           
           
           
     

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