Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 302

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 bestimmt, welches kein anderer Begriff vermag, und was die Möglichkeit      
  02 eines solchen Wesens betrifft, wie Leibnitz hinzusetzt, keine Schwierigkeit      
  03 mache sie zu beweisen, weil Realitäten als lauter Bejahungen einander      
  04 nicht widersprechen können, und was denkbar ist, weil sein Begriff sich      
  05 nicht selbst widerspricht, d.i. alles, wovon der Begriff möglich, auch ein      
  06 mögliches Ding sey, wobey doch die Vernunft, durch Kritik geleitet, wohl      
  07 den Kopf schütteln dürfte.      
           
  08 Wohl indessen der Metaphysik, wenn sie hier nur nicht etwa Begriffe      
  09 für Sache, und Sache, oder vielmehr den Namen von ihr, für Begriffe      
  10 nimmt und sich so gänzlich ins Leere hinein vernünftelt!      
           
  11 Wahr ist es, daß, wenn wir uns a priori von einem Dinge überhaupt,      
  12 also ontologisch, einen Begriff machen wollen, wir immer zum Urbegriff      
  13 den Begriff von einem allerrealesten Wesen in Gedanken zum Grunde      
  14 legen, denn eine Negation, als Bestimmung eines Dinges, ist immer      
  15 nur abgeleitete Vorstellung, weil man sie als Aufhebung (remotio)      
  16 nicht denken kann, ohne vorher die ihr entgegengesetzte Realität, als      
  17 etwas, das gesetzt wird (positio s. reale), gedacht zu haben, und so, wenn      
  18 wir diese subjective Bedingung des Denkens zur objectiven der Möglichkeit      
  19 der Sachen selbst machen, alle Negationen blos wie Schranken des      
  20 Allinbegriffes der Realitäten, mithin alle Dinge, außer diesem einen      
  21 ihrer Möglichkeit, nur als von diesem abgeleitet müssen angesehen werden.      
           
  22 Dieses Eine, welches sich die Metaphysik nun, man wundert sich      
  23 selbst, wie, hingezaubert hat, ist das höchste metaphysische Gut. Es enthält      
  24 den Stoff zur Erzeugung aller andern möglichen Dinge, wie das      
  25 Marmorlager zu Bildsäulen von unendlicher Mannigfaltigkeit, welche      
  26 insgesammt nur durch Einschränkung (Absonderung des Übrigen von      
  27 einem gewissen Theil des Ganzen, also nur durch Negation) möglich,      
  28 und so das Böse sich blos als das Formale der Dinge vom Guten in der      
  29 Welt unterscheidet, wie die Schatten in dem den ganzen Weltraum      
  30 durchströmenden Sonnenlicht, und die Weltwesen sind darum nur böse,      
  31 weil sie nur Theile, und nicht das Ganze ausmachen, sondern zum Theil      
  32 real, zum Theil negativ sind, bey welcher Zimmerung einer Welt dieser      
  33 metaphysische Gott (das realissimum) gleichwohl sehr in den Verdacht      
  34 kommt, daß er mit der Welt, (unerachtet aller Protestationen wider      
  35 den Spinozism) als einem All existirender Wesen, einerley sey.      
           
  36 Aber auch über alle diese Einwürfe weggesehen, lasset uns nun die      
  37 vorgeblichen Beweise vom Daseyn eines solchen Wesens, die daher      
  38 ontologische genannt werden können, der Prüfung unterwerfen.      
           
  39 Der Argumente sind hier nur zwey, und können auch nicht mehr      
           
           
           
     

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