Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 300

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 worden, für Erkenntniß der Existenz des dieser Form gemäßen Objectes      
  02 zu halten.      
           
  03 Nunmehro läßt sich das dritte Stadium der Metaphysik in den      
  04 Fortschritten der reinen Vernunft zu ihrem Endzweck verzeichnen. —      
  05 Es macht einen Kreis aus, dessen Grenzlinie in sich selbst zurückkehrt,      
  06 und so ein Ganzes von Erkenntniß des Übersinnlichen beschließt, außer      
  07 dem nichts von dieser Art weiter ist, und der doch auch alles befasset,      
  08 was dem Bedürfnisse dieser Vernunft gnügen kann. — Nachdem sie sich      
  09 nämlich von allem Empirischen, womit sie in den zwey ersten Stadien      
  10 noch immer verwickelt war, und von den Bedingungen der sinnlichen      
  11 Anschauung, die ihr die Gegenstände nur in der Erscheinung vorstelleten,      
  12 losgemacht, und sich in den Standpunkt der Ideen, woraus sie ihre      
  13 Gegenstände nach dem, was sie an sich selbst sind, betrachtet, gestellt hat,      
  14 beschreibt sie ihren Horizont, der von der Freyheit als übersinnlichem,      
  15 aber durch den Kanon der Moral erkennbaren Vermögen theoretisch-dogmatisch      
  16 anhebend, eben dahin auch in praktisch-dogmatischer, d.i.      
  17 einer auf den Endzweck, das höchste in der Welt zu befördernde Gut,      
  18 gerichteten Absicht zurückkehrt, dessen Möglichkeit durch die Ideen von      
  19 Gott, Unsterblichkeit, und das von der Sittlichkeit selbst diktirte Vertrauen      
  20 zum Gelingen dieser Absicht ergänzet, und so diesem Begriffe objective,      
  21 aber praktische Realität verschafft wird.      
           
  22 Die Sätze: es ist ein Gott, es ist in der Natur der Welt eine ursprüngliche,      
  23 obzwar unbegreifliche, Anlage zur Übereinstimmung mit der      
  24 moralischen Zweckmäßigkeit, es ist endlich in der menschlichen Seele eine      
  25 solche, welche sie eines nie aufhörenden Fortschreitens zu derselben      
  26 fähig macht, — diese Sätze selber theoretisch-dogmatisch beweisen zu      
  27 wollen, würde so viel seyn, als sich ins Überschwängliche zu werfen,      
  28 ob es zwar, was den zweyten Satz betrifft, die Erläuterung desselben      
  29 durch die physische, in der Welt anzutreffende Zweckmäßigkeit, die      
  30 Annehmung jener moralischen sehr befördern kann. Eben dasselbe gilt      
  31 von der Modalität des Füwahrhaltens, dem vermeynten Erkennen      
  32 und Wissen, wobey man vergißt, daß jene Ideen von uns selbst willkürlich      
  33 gemacht, und nicht von den Objecten abgeleitet sind, mithin zu      
  34 nichts mehrerm, als dem Annehmen in theoretischer, aber doch auch      
  35 zur Behauptung der Vernunftmäßigkeit dieser Annahme in praktischer      
  36 Absicht berechtigen.      
           
  37 Hieraus ergiebt sich nun auch die merkwürdige Folge, daß der      
           
           
           
     

[ Seite 299 ] [ Seite 301 ] [ Inhaltsverzeichnis ]