Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 294

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wahrnehmen, sondern nur durch Vernünfteln hineintragen, um auch      
  02 nur eine Zweckmäßigkeit an solchen Gegenständen zu erkennen.      
           
  03 Wir haben also einen Begriff von einer Teleologie der Natur,      
  04 und zwar a priori, weil wir sonst ihn nicht in unsre Vorstellung der Objecte      
  05 derselben hineinlegen, sondern nur aus dieser, als empirischer Anschauung,      
  06 herausnehmen dürften, und die Möglichkeit a priori einer solchen Vorstellungsart,      
  07 welche doch gar kein Erkenntniß ist, gründet sich darauf,      
  08 daß wir in uns selbst ein Vermögen der Verknüpfung nach Zwecken      
  09 (nexus finalis) wahrnehmen.      
           
  10 Obzwar nun also die physisch-teleologischen Lehren (von Naturzwecken)      
  11 niemals dogmatisch seyn, noch weniger den Begriff von einem      
  12 Endzweck, d.i. dem Unbedingten in der Reihe der Zwecke, an die Hand      
  13 geben können: so bleibt doch der Begriff der Freyheit, so wie er, als      
  14 sinnlich-unbedingte Kausalität, selbst in der Kosmologie vorkommt,      
  15 zwar sceptisch angefochten, aber doch unwiderlegt, und mit ihm auch      
  16 der Begriff von einem Endzweck; ja, dieser gilt in moralisch-praktischer      
  17 Rücksicht als unumgänglich, ob ihm gleich seine objective Realität, wie      
  18 überhaupt aller Zweckmäßigkeit gegebener oder gedachter Gegenstände,      
  19 nicht theoretisch-dogmatisch gesichert werden kann.      
           
  20 Dieser Endzweck der reinen praktischen Vernunft ist das höchste      
  21 Gut, sofern es in der Welt möglich ist, welches aber nicht blos in dem,      
  22 was Natur verschaffen kann, nämlich der Glückseligkeit (die größeste      
  23 Summe der Lust), sondern was das höchste Erforderniß, nämlich die      
  24 Bedingung ist, unter der allein die Vernunft sie den vernünftigen Weltwesen      
  25 zuerkennen kann, nämlich zugleich im sittlich-gesetzmäßigsten      
  26 Verhalten derselben zu suchen ist.      
           
  27 Dieser Gegenstand der Vernunft ist übersinnlich; zu ihm als Endzweck      
  28 fortzuschreiten, ist Pflicht; daß es also ein Stadium der Metaphysik      
  29 für diesen Überschritt und das Fortschreiten in demselben geben      
  30 müsse, ist unzweifelhaft. Ohne alle Theorie ist dies aber doch unmöglich,      
  31 denn der Endzweck ist nicht völlig in unsrer Gewalt, daher müssen wir      
  32 uns einen theoretischen Begriff von der Quelle, woraus er entspringen      
  33 kann, machen. Gleichwohl kann eine solche Theorie nicht nach demjenigen,      
  34 was wir an den Objecten erkennen, sondern allenfalls nach dem, was      
  35 wir hineinlegen, Statt finden, weil der Gegenstand übersinnlich ist. —      
  36 Also wird diese Theorie nur in praktisch-dogmatischer Rücksicht Statt      
  37 finden, und der Idee des Endzweckes auch nur eine in dieser Rücksicht      
  38 hinreichende objective Realität zusichern können.      
           
  39 Was den Begriff des Zweckes betrifft: so ist er jederzeit von uns      
           
           
           
     

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