Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 286 |
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01 | Wissenschaft seyn, als darin Mathematik, d.i. Konstruktion der Begriffe, | ||||||
02 | angewandt werden kann, daher das Räumliche der Gegenstände der | ||||||
03 | Physik mehr a priori vermag, als die Zeitform, welche der Anschauung | ||||||
04 | durch den inneren Sinn zum Grunde liegt, die nur eine Dimension hat. | ||||||
05 | Die Begriffe vom vollen und leeren Raum, von Bewegung und | ||||||
06 | bewegenden Kräften, können und müssen in der rationalen Physik auf | ||||||
07 | ihre Principien a priori gebracht werden, indessen daß in der rationalen | ||||||
08 | Psychologie nichts weiter, als der Begriff der Immaterialität einer | ||||||
09 | denkenden Substanz, der Begriff ihrer Veränderung und der Identit | ||||||
10 | der Person, bey den Veränderungen allein, Principien a priori vorstellen, | ||||||
11 | alles übrige aber empirische Psychologie, oder vielmehr nur Anthropologie | ||||||
12 | ist, weil bewiesen werden kann, daß es unmöglich ist, zu wissen, ob | ||||||
13 | und was das Lebensprincip im Menschen (die Seele) ohne Körper im | ||||||
14 | Denken vermöge, und Alles hier nur auf empirische Erkenntniß, d.i. | ||||||
15 | eine solche, die wir im Leben, mithin in der Verbindung der Seele mit dem | ||||||
16 | Körper, erwerben können, hinausläuft, und also dem Endzweck der Metaphysik, | ||||||
17 | vom Sinnlichen, zum Übersinnlichen einen Überschritt zu versuchen, | ||||||
18 | nicht angemessen ist. Dieser ist in der zweyten Epoche der reinen | ||||||
19 | Vernunftversuche in der Philosophie anzutreffen, die wir itzt vorstellig | ||||||
20 | machen. | ||||||
21 | Der Metaphysik |
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22 | Zweytes Stadium. |
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23 | Im ersten Stadium der Metaphysik, welches darum das der Ontologie | ||||||
24 | genannt werden kann, weil es nicht etwa das Wesentliche unserer | ||||||
25 | Begriffe von Dingen, durch Auflösung in ihre Merkmale zu erforschen | ||||||
26 | lehrt, welches das Geschäft der Logik ist, sondern wie, und welche wir | ||||||
27 | uns a priori von Dingen machen, um das, was uns in der Anschauung | ||||||
28 | überhaupt gegeben werden mag, unter sie zu subsumiren, welches wiederum | ||||||
29 | nicht anders geschehen konnte, als so fern die Form der Anschauung | ||||||
30 | a priori in Raum und Zeit, diese Objecte uns blos als Erscheinungen, | ||||||
31 | nicht als Dinge an sich, erkennbar macht — in jenem Stadium sieht sich | ||||||
32 | die Vernunft in einer Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die | ||||||
33 | ohne Ende immer wiederum bedingt sind, zum unaufhörlichen Fortschreiten | ||||||
34 | zum Unbedingten aufgefordert, weil jeder Raum und jede Zeit | ||||||
35 | nie anders, als wie Theil eines noch größern gegebenen Raumes oder | ||||||
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