Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 278 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Urtheilen, und zwar blos von analytischen, gelten könnte. Z.B. der Satz: | ||||||
02 | „Ein jeder Körper ist theilbar” hat allerdings einen Grund, und zwar in | ||||||
03 | sich selbst, d.i. er kann als Folgerung des Prädicates aus dem Begriffe | ||||||
04 | des Subjectes nach dem Satze des Widerspruches, mithin nach dem | ||||||
05 | Prinzip analytischer Urtheile, eingesehen werden, mithin ist er blos auf | ||||||
06 | einem Prinzip a priori der Logik gegründet, und thut gar keinen Schritt | ||||||
07 | im Felde der Metaphysik, wo es auf Erweiterung der Erkenntniß a priori | ||||||
08 | ankommt, wozu analytische Urteile nichts beytragen. Wollte aber der | ||||||
09 | vermeynte Metaphysiker über den Satz des Widerspruches noch den | ||||||
10 | gleichfalls logischen Satz des Grundes einführen: so hätte der die Modalität | ||||||
11 | der Urtheile noch nicht vollständig aufgezählt; denn er müßte noch | ||||||
12 | den Satz der Ausschließung eines Mittlern zwischen zwey contradictorisch | ||||||
13 | einander entgegengesetzten Urtheilen hinzuthun, da er dann die logischen | ||||||
14 | Prinzipien der Möglichkeit, der Wahrheit, oder logischen Wirklichkeit, und | ||||||
15 | der Nothwendigkeit der Urtheile in den problematischen, assertorischen | ||||||
16 | und apodiktischen Urtheilen würde aufgestellt haben, so fern sie alle unter | ||||||
17 | einem Prinzip, nämlich dem der analytischen Urtheile, stehen. Diese Unterlassung | ||||||
18 | beweiset, daß der Metaphysiker selbst nicht einmal mit der | ||||||
19 | Logik, was die Vollständigkeit der Eintheilung betrifft, im Reinen war. | ||||||
20 | Was aber das Leibnitzsche Prinzip von dem logischen Unterschiede | ||||||
21 | der Undeutlichkeit und Deutlichkeit der Vorstellungen betrifft, wenn er | ||||||
22 | behauptet, daß die erstere diejenige Vorstellungsart, die wir bloße Anschauung | ||||||
23 | nannten, eigentlich nur der verworrene Begriff von ihrem | ||||||
24 | Gegenstande, mithin Anschauung von Begriffen der Dinge, nur dem | ||||||
25 | Grade des Bewußtseyns nach, nicht specifisch, unterschieden sey, so daß | ||||||
26 | z.B. die Anschauung eines Körpers im durchgängigen Bewußtseyn aller | ||||||
27 | darin enthaltenen Vorstellungen den Begriff von demselben, als einem | ||||||
28 | Aggregat von Monaden abgeben würde: so wird der kritische Philosoph | ||||||
29 | hingegen bemerken, daß auf die Art der Satz: „Die Körper bestehen | ||||||
30 | aus Monaden” aus der Erfahrung, blos durch die Zergliederung der | ||||||
31 | Wahrnehmung, entspringen könne, wenn wir nur scharf genug (mit gehörigem | ||||||
32 | Bewußtseyn der Theilvorstellungen) sehen könnten. Weil aber | ||||||
33 | das Beysammensein dieser Monaden als nur im Raume möglich vorgestellt | ||||||
34 | wird, so muß dieser Metaphysiker von altem Schrot und Korn uns | ||||||
35 | den Raum als blos empirische und verworrene Vorstellung des Nebeneinanderseyns | ||||||
36 | des Mannigfaltigen außerhalb einander gelten lassen. | ||||||
37 | Wie ist er aber alsdann im Stande, den Satz, daß der Raum drey | ||||||
38 | Abmessungen habe, als apodictischen Satz a priori zu behaupten, denn | ||||||
39 | das hätte er auch durch das klarste Bewußtseyn aller Theilvorstellungen | ||||||
[ Seite 277 ] [ Seite 279 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |