Kant: AA XIX, Erläuterungen zu A. G. Baumgartens ... , Seite 279 |
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01 | werden kann, sondern der sie allererst moglich macht. Nicht zwar als ob | ||||||
02 | man die Glückseeligkeit nach allen ihren Elementen kennen müsse, sondern | ||||||
03 | die Bedingung unter a priori, unter der man allein der Glückseeligkeit fähig | ||||||
04 | seyn kan. | ||||||
05 | Alle unsere Handlungen, die auf empirische Glückseeligkeit gehen, | ||||||
06 | müssen diesen Regeln gemäß seyn, sonst ist nicht die Einheit darin anzutreffen, | ||||||
07 | welche bricht ab. | ||||||
) | |||||||
08 | S. III: | ||||||
09 | Ein Mensch von solchen moralischen Gesinnungen ist würdig glücklich | ||||||
10 | zu sein, d. i. in den Besitz aller Mittel zu kommen, dadurch er seine und | ||||||
11 | anderer Glückseeligkeit bewirken könne. | ||||||
12 | Damit aber die Moralität über alles und zwar schlechthin gefalle, | ||||||
13 | ist nöthig, daß sie nicht aus dem Gesichtspuncte der einzelnen und eigenen | ||||||
14 | Zuträglichkeit, sondern aus dem einem allgemeinen Gesichtspuncte a priori, | ||||||
15 | d. i. vor der reinen Vernunft, gefalle und zwar, weil sie allgemein zur | ||||||
16 | Glückseeligkeit nothwendig und derselben auch wurdig ist. Gleichwohl vergnügt | ||||||
17 | sie darum doch nicht, weil sie das Empirische der Glückseeligkeit | ||||||
18 | nicht verspricht; sie enthält also an sich keine Triebfedern; dazu werden | ||||||
19 | immer empirische Bedingungen, nämlich Befriedigung der Bedürfnisse, | ||||||
20 | erfordert. | ||||||
21 | Moralität ist die Idee der freyheit als eines Princips der Glückseeligkeit | ||||||
22 | (regulatives Princip der freyheit Glückseeligkeit a priori). Daher | ||||||
23 | müssen die Gesetze der Freyheit unabhängig von der Absicht auf eigene | ||||||
24 | Glückseeligkeit gleichwohl die formale Bedingung derselben a priori enthalten. | ||||||
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26 | Ich höre ein Verbot: Durch Du solst nicht lügen! und warum nicht? | ||||||
27 | Darum, weil es dir selbst schädlich ist, d. i. deiner eignen Glückseeligkeit | ||||||
28 | wiederstreitet (Epicur). Allein ich bin klug gnug, um in allen fällen, wo | ||||||
29 | es mein Vortheil mit sich bringt, bey der Warheit zu bleiben, aber auch | ||||||
30 | in allen, wo mir die Lüge nützlich seyn kann, Ausnahmen von der Regel | ||||||
31 | zu machen. Allein deine Lüge ist der allgemeinen Glückseeligkeit zuwieder! | ||||||
32 | Was geht die mich an, antworte ich, mag ein ieder vor die seinige sorgen. - | ||||||
33 | Aber diese Glückseeligkeit liegt dir selbst am Herzen, oder auch diese Lüge | ||||||
34 | findet in dir selbst einen Abscheu (Stoiker). Darüber, antworte ich, kann | ||||||
35 | ich allein urtheilen. Es mögen andere so zärtlichen Geschmacks seyn, daß | ||||||
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