Kant: AA XIX, Erläuterungen zu A. G. Baumgartens ... , Seite 100 |
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01 | das recht im Stande der Natur und nicht das factum erwogen. Es | ||||||
02 | wird bewiesen, daß es nicht willkührlich sey, aus dem Stande der Natur | ||||||
03 | herauszugehen, sondern nothwendig nach Regeln des Rechts. | ||||||
04 | Bey dem Rechte des Krieges einzelner personen gehet alles materiale | ||||||
05 | des Rechts verlohren; aber bey Völkern, weil ieder einzelne als | ||||||
06 | im frieden mit iedem einzelnen angesehen werden kan, so hat man nur | ||||||
07 | ein Recht, das Ganze anzugreifen und die Güter, die ihm zugehören. | ||||||
) | |||||||
6594. η. Pr XVII'. |
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09 | Der Nutze bestimt nicht das Recht, sondern eines ieden einzelnen | ||||||
10 | Willen. dieweil aber nach der Regel der freyheit ein ieder den Nutzen | ||||||
11 | nach seinen eignen Gedanken bestimen muß, so hat der andere keine befugnis, | ||||||
12 | über den Nutzen, sondern den Willen des andern zu urtheilen. | ||||||
13 | Die Menge kan einen politischen Körper formiren nach regeln der | ||||||
14 | Klugheit, obzwar er gar nicht nach Regeln des Rechts entsprungen ist. | ||||||
15 | Niemand kan einem andern alle Gewalt abtreten, seine eignen Urtheile | ||||||
16 | des rechts zu exseqviren, denn alsdenn wür ohne sich selbst eine gleiche | ||||||
17 | Gewalt vorzubehalten, ihn zu seiner Verbindlichkeit zu nöthigen; denn alsdenn | ||||||
18 | würde er einem andern ein recht geben, zu thun, was er will (licentiam); | ||||||
19 | wenn der andere aber durch seine handlung nicht unrecht thun kan, | ||||||
20 | so beruhen seine Handlungen nur auf seiner Gewalt und nicht auf seinem | ||||||
21 | Recht. | ||||||
6595. η. Pr XVIII'. |
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23 | Man muß erstlich wissen: was da recht wäre, wenn ein jeder rechtmäßige | ||||||
24 | Wille unwiederstehlich wäre; zweytens: durch welche Mittel eine | ||||||
25 | unwiederstehliche gewalt mit einem Rechte verbunden wird, und was nur | ||||||
26 | unter dieser condition zu thun erlaubt ist. Das Recht in abstracto läßt | ||||||
27 | sich auch ohne das Mittel denken, wodurch es actuirt werden kan. Aber | ||||||
28 | in concreto ist auf die sicherheit zu sehen, wodurch die conditionen des | ||||||
29 | Rechts actuirt werden können. | ||||||
30 | Was in abstracto wahr ist, ist auch in concreto wahr. Denn wenn | ||||||
31 | etwas von einzelnen fällen abstrahirt ist --- --- | ||||||
32 | Was aber in universali und abstracten notionen möglich ist, ist nicht | ||||||
33 | immer in concreto möglich, weil das universale in ansehung vieler praedicate | ||||||
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