Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 322 |
||||||||||
Zeile:
|
Text:
|
|
|
|||||||
01 | ein miraculum formale, wenn man es durch einen Wind austrocknen | |||||||||
02 | läßt, der aber durch die Gottheit gesandt wurde. | |||||||||
03 | Ferner ist das miraculum entweder occasionale oder praestabilitum. | |||||||||
04 | Im ersten Falle nimmt man an, die Gottheit sey unmittelbar ins Mittel | |||||||||
05 | getreten; im andern aber läßt man die Begebenheit durch eine Reihe von | |||||||||
06 | Ursachen und Wirkungen hervorgebracht werden, die alle dieser einzigen | |||||||||
07 | Begebenheit wegen da sind. — | |||||||||
5663. 1788—1790. L Bl. Kiesewetter 7. R.-Sch. XI 1 S. 271f. Hb. IV S. 507. Ki. L S. 202. |
||||||||||
10 | Über formale und materiale Bedeutung einiger Worte. | |||||||||
11 | Es giebt mehrere Worte, die im Singulari gebraucht einen andern | |||||||||
12 | Sinn haben, als wenn man sie im Plurali braucht; sie sind alsdann im | |||||||||
13 | Singulari in formaler, im Purali in materialer Bedeutung zu nehmen: | |||||||||
14 | diese sind Einheit, Vollkommenheit, Wahrheit, Möglichkeit*. Einheit im | |||||||||
15 | Singulari gebraucht ist qualitativ, im Plurali gebraucht quantitativ. | |||||||||
16 | Qualitative Einheit ist wie der Grund des Ganzen, quantitative wie ein | |||||||||
17 | Theil des Ganzen zu betrachten. So kann man z.B. nicht sagen, die | |||||||||
18 | Wärme bestehe aus Lauigkeiten, man bestimmt also ihre Größe nicht nach | |||||||||
19 | den Theilen, welche sie enthält, sondern nach den Wirkungen, die sie hervorbringt, | |||||||||
20 | z.B. daß sie die Körper ausdehnt und man kann ihr daher nicht | |||||||||
21 | eine eigentliche Größe beilegen, sondern einen Grad, die einheit die sich | |||||||||
22 | bei ihr findet, ist also qualitative Einheit. — Die Einheiten, aus welchen | |||||||||
23 | discrete Größen (Zahlen) bestehen, sind quantitative Einheiten. | |||||||||
24 | Vollkommenheit (formaliter gebraucht) eines Dinges ist die | |||||||||
25 | Übereinstimmung der Realitäten desselben zu einer Idee; Vollkommenheiten | |||||||||
26 | (materialiter gebraucht) sind diese Realitäten**. | |||||||||
27 | Wahrheit im Singulari (formaliter und qualitative gebraucht) | |||||||||
28 | ist die Übereinstimmung unserer Erkenntniß eines Objects mit demselben; | |||||||||
29 | Wahrheiten im Plurali (materialiter und quantitative gebraucht) sind | |||||||||
30 | wahre Sätze. | |||||||||
31 | Möglichkeit eines Objects (formaliter und qualitative gebraucht); | |||||||||
32 | Möglichkeiten (materialiter und quantitative gebraucht), Gegenstände, | |||||||||
33 | so fern sie möglich sind. | |||||||||
[ Seite 321 ] [ Seite 323 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
||||||||||