Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 488

   
         
 

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  01 Wenn man nicht selbst zu einer solchen Niederträchtigkeit auferlegt    
  02 ist, so kan man andere, die sie an sich haben, nicht in seine Neigung aufnehmen.    
  03 Man muß selbst gelegentlich kriechend seyn, um es gut zu finden,    
  04 daß andre vor uns kriechen. Man kan dieses durch eine analogie erklären.    
  05 Wer dem anderen einen Freundschaftsdienst durch Lügen und    
  06 Betriegen zumuthet, der ist selbst bereit es zu thun, wenn er es nur sicher    
  07 thun darf. Amicus usqve ad aram. Er braucht nur die Pfoten der    
  08 Katze, um die Kastanien aus der heissen Asche zu langen. Ein Ehrliebender    
  09 Mensch muthet keinem zu, daß er ihm seine Ehre, wenigstens    
  10 billige Ansprüche auf Achtung aufopfern solle. Ehrliebend und hochmüthig    
  11 zu seyn, ist in einer und derselben Persohn unmöglich.    
         
  12 Sey bescheiden, heißt: Führe dich so, als ob du dich bewust wärest,    
  13 unter lauter ehrliebenden Personen zu seyn. Sie würden dir wiederstehen,    
  14 wenn du ihnen unterwerfung zumuthest; sie würden dich Verachten, wenn    
  15 du dich unter sie schmiegetest. Im äußern ist dies der Anstand.    
         
  16 Der Hochmüthige nimt sich keiner an, als die er gleichsam in Schutz    
  17 nimmt. Gegen die, die seines Schutzes nicht zu bedürfen glauben, ist er    
  18 gleichgültig und trotzig.    
         
  19 Hochmuth, Stoltz und Eitelkeit. Diese ist eine Buhlerey um Beyfall,    
  20 d. i. um Achtung, die den anderen keine Erniedrigung kostet. Daher kan    
  21 das Frauenzimmer eitel seyn, weil Männer durch Schmeicheley bey ihm    
  22 sich gar nicht erniedrigen, indem es ein ander Geschlecht ist, womit wir    
  23 nicht in rivalitaet (g Mitbewerbung. ) stehen. Wer seinen Nahmen gern    
     

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