Kant: AA XII, Denkverse 1779 - 1780 , Seite 396 |
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Text (Kant):
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01 | Wenn reine Redlichkeit, mit Wissenschaft vereint, | ||||||
02 | Dem Staate Diener zieht, dem Menschen einen Freund; | ||||||
03 | Dann darf kein schwülstig Lob, kein Marmor ihn erheben, | ||||||
04 | Er wird auch unberühmt, in ihren Sitten leben. | ||||||
05 | Immanuel Kant | ||||||
06 | der Logick und Metaph. o[r]dentl. Professor | ||||||
3. | |||||||
08 | Auf Iohann Ludwig l'Estocq, | ||||||
09 | Kanzler der Universität und ersten Professor der Rechte. | ||||||
10 | &gest; 1 Februar 1779. | ||||||
11 | Der Weltlauf schildert sich so jedem Auge ab, | ||||||
12 | Wie ihn der Spiegel malt, den die Natur ihm gab. | ||||||
13 | Dem scheint's ein Gaukelspiel zum Lachen, dem zum Weinen, | ||||||
14 | Der lebt nur zum Genuß, der Andre nur zum Scheinen. | ||||||
15 | Gleich blinde Thorheit gafft einander spöttisch an; | ||||||
16 | Der tandelt bis ins Grab, der schwärmt im finstern Wahn. | ||||||
17 | Wird eine Regel nur dem Herzen nicht entrissen: | ||||||
18 | Sei menschlich, redlich, treu und schuldfrei im Gewissen! | ||||||
19 | (So lautet L'Estocq's Lob!) das Andre ist nur Spiel, | ||||||
20 | Denn Mensch und weise sein ist Sterblichen zu viel! | ||||||
4. | |||||||
22 | Auf Carl Andreas Christiani, | ||||||
23 | Rector der Universität, Professor der practischen Philosophie | ||||||
24 | &gest; 21. Iuni 1780. | ||||||
25 | Nicht was Tribonian, noch was das Landrecht spricht, | ||||||
26 | Nein, das Gesetz in uns, von Menschenrecht und Pflicht, | ||||||
27 | Das die Natur uns lehrt, hat Völker sonst erhalten, | ||||||
28 | Und Richtern war's genug, nur dieses zu verwalten. | ||||||
29 | Dies ewige Gesetz trug Christiani vor. | ||||||
30 | Selbst lebt' Er ihm getreu, bis Er den Hauch verlohr. | ||||||
31 | Ietzt wohnt Er da, wohin sich Themis aufgeschwungen, | ||||||
32 | Seitdem ein künstlich Recht sie aus der Welt verdrungen. | ||||||
33 | Immanuel Kant | ||||||
34 | der Log. und Metaph ord. Professor. | ||||||
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