Kant: AA XII, Öffentl. Erklärungen 1797 , Seite 368 |
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Text (Kant):
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01 | vorgeblich darin liegenden Geist (da man in dasselbe hineintragen kann | ||||||
02 | was einem gefällt), brauche. Was Andere mit eben denselben Ausdrücken | ||||||
03 | für Begriffe zu verbinden gut gefunden haben mögen, das geht | ||||||
04 | mich und den gelehrten Mann, auf den ich compromittire, nichts an; | ||||||
05 | den Sinn aber, den dieser damit verbindet, kann man aus dem Gebrauch | ||||||
06 | desselben im Zusammenhange des Buchs nicht verfehlen. - Und | ||||||
07 | nun mag die Fehde, bey der es dem Angreifenden an Gegnern nicht | ||||||
08 | fehlen kann, immer angehen. | ||||||
09 | Königsberg d. 29 sten May 1797. | ||||||
10 | I. Kant. | ||||||
11 | Von Iohann August Schlettwein. | ||||||
12 | Zweiter Brief. | ||||||
13 | Greifswalde, d. 4 Iunius 1797. | ||||||
14 | Ich danke Ihnen, mein lieber Kant! für Ihr Antwortschreiben vom 19 ten | ||||||
15 | vorigen Monats aufs verbindlichste. Theils haben Sie in demselben meinen Wunsch | ||||||
16 | erfüllt, mir zu sagen daß Sie den Hrn. Hofprediger Schulz unter den Ihnen anhänglichen | ||||||
17 | Schriftstellern für den Mann halten der Sie am besten versteht: | ||||||
18 | welches ich so annehme, wie meine Bitte enthielt, daß der benannte Gelehrte den | ||||||
19 | wahren Geist und Sinn Ihrer Philosophie sich ganz zu eigen gemacht habe; | ||||||
20 | theils haben Sie dadurch mich noch näher mit Ihrem Charakter und Ihrer Denkungsart | ||||||
21 | bekannt gemacht. | ||||||
22 | Von Herzen bedaure ich, daß Ihr Geist nicht verstehen und Ihr Herz nicht | ||||||
23 | fühlen konnte, wie ein Mensch aus wahrer inniger Gottesliebe seinem Mitmenschen | ||||||
24 | und Bruder, der durch seine Schriften die Welt erleuchten und bessern | ||||||
25 | will, solches aber in Seinselbsterhebung und in Herabwürdigung seiner Mitbrüder | ||||||
26 | thut, und überdies unter seinen Anhängern bittre Zänkereien über den Geist seiner | ||||||
27 | Schriften veranlaßt, ihn umarmend und an sein Herz drückend, sagen kann und soll: | ||||||
28 | Siehe, mein Bruder! Dein Benehmen gegen unsre Mitmenschen drückt | ||||||
29 | Stolz, Aufgeblasenheit, Arroganz, und Geringschätzung gegen unsre Mitbrüder | ||||||
30 | aus. Vermeide es doch Dich so zu zeigen, weil Wahrheit und Liebe damit | ||||||
31 | nicht bestehen. Auch ist es der Rechtschaffenheit nicht gemäß, mein Lieber, | ||||||
32 | daß Du unter unsern Mitbrüdern Disharmonieen und ärgerliche Zänkereien | ||||||
33 | über den wahren Sinn und Geist Deiner Schriften stiftest, und nicht | ||||||
34 | sogleich bestimmt heraussagst welches der richtige Sinn und der wahre Geist | ||||||
35 | Deines Systems ist. Wahrhaftig, mein lieber Bruder! Du darfst nicht warten | ||||||
36 | bis man dich öffentlich darum befragt; die Rechtschaffenheit macht es Dir | ||||||
37 | zur Pflicht daß Du, um die Entzweiungen und Feindseligkeiten, die Du bloß | ||||||
38 | durch Deine Schriften unter unsern Mitbrüdern veranlasset oder erregt hast | ||||||
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